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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 7. Mai 2020

CRAZY RICH (2018)

Originaltitel: Crazy Rich Asians
Regie: Jon M. Chu, Drehbuch: Peter Chiarelli und Adele Lim, Musik: Brian Tyler
Darsteller: Constance Wu, Henry Golding, Michelle Yeoh, Gemma Chan, Awkwafina, Sonoya Mizuno, Lisa Lu, Ken Jeong, Nico Santos, Chris Pang, Jimmy O. Yang, Ronny Chieng, Kheng Hua Tan, Remy Hii, Pierre Png, Kevin Kwan, Harry Shum Jr.
 Crazy Rich (2018) on IMDb Rotten Tomatoes: 91% (7,7); weltweites Einspielergebnis: $238,5 Mio.
FSK: 6, Dauer: 121 Minuten.

Rachel Chu (Constance Wu, TV-Serie "Fresh Off the Boat") lebt den amerikanischen Traum: Als einzige Tochter einer alleinerziehenden chinesischen Immigrantin wurde sie zur jüngsten Wirtschafts-Professorin in der Geschichte der New York University, zudem ist sie seit einem Jahr glücklich mit dem ebenso gutaussehenden wie freundlichen und charmanten Nick Young (Henry Golding, "Nur ein kleiner Gefallen") liiert. Ein wenig wundert sich Rachel aber darüber, daß Nick nur sehr ausweichend auf Fragen nach seiner Familie antwortet. Warum das so ist, erfährt sie, als sie mit Nick zur Heirat seines besten Freundes Colin (Chris Pang, "Tomorrow, When the War Began") mit Araminta (Sonoya Mizuno, "Ex Machina") in dessen Heimatstadt Singapur reist und somit erstmals Nicks Familie kennenlernt. Womit sie nicht gerechnet hatte: Die Youngs sind stinkreich und gelten als die Singapur-Entsprechung zu den britischen Royals – womit Nick als der älteste Sohn der Familie einer der begehrtesten Junggesellen Asiens ist! Eigentlich soll Nick die Geschäfte der Youngs übernehmen, doch als er Rachel kennenlernte, verlängerte er seinen USA-Aufenthalt kurzerhand – wovon seine Familie und allen voran seine gestrenge Mutter Eleanor (Michelle Yeoh, "Tiger & Dragon") alles andere als begeistert sind. Dementsprechend frostig fällt der Empfang für die völlig unvorbereitete Rachel aus, zumal sie von vielen als nur am Geld interessierte "Goldgräberin" abgetan wird. Ihre Zweifel auch an ihrer Beziehung zu Nick wachsen, doch zum Glück gibt es ein paar ihr wohlgesonnene Personen wie Nicks prominente Cousine Astrid (Gemma Chan, "Captain Marvel") oder Rachels flippige frühere Kommilitonin Peik Lin (Awkwafina, "Ocean's 8"), die nach ihrem Studium nach Singapur zurückgekehrt ist und sich sehr auf das Wiedersehen mit ihrer Freundin freut …

Kritik:
Bekanntlich wird Hollywood auch im Jahr 2020 noch immer von weißen Männern dominiert – und das sowohl hinter den Kulissen als auch vor der Kamera. Zwar gibt es bereits seit den 1970er Jahren (Sidney Poitier, später auch Eddie Murphy, Denzel Washington oder Will Smith) afroamerikanische Weltstars, die als Hauptdarsteller von teuren Großproduktionen viel Zugkraft entwickelten, doch blieben sie letztlich jahrzehntelang Ausnahmen und sind es eigentlich heute noch. Dennoch ist ein Wandel in den letzten Jahren spürbar und mit dem Superhelden-Film hat sich ausgerechnet ein Genre, das von etlichen Cineasten (oder auch Filmemachern wie Martin Scorsese oder Francis Ford Coppola) nur naserümpfend toleriert wird, zum Vorreiter entwickelt mit weiblichen ("Wonder Woman", "Captain Marvel"), schwarzen ("Black Panther"), asiatischen (Marvels "Shang-Chi" ist für 2021 geplant) oder komplett bunt gemischten (Jason "Aquaman" Momoa hat samoanische, deutsche, irische und indianische Wurzeln) Protagonisten. Selbst wer Superhelden-Filme nicht mag, wird ihnen zugestehen, daß diese Form von Repräsentation für Minderheiten eine beachtliche gesellschaftliche Bedeutung hat und die Chancen auf mehr Diversität in Hollywood-Filmen erhöht. Bezüglich der asiatisch-amerikanischen Minderheit kam den Superhelden allerdings Jon M. Chus ("Die Unfaßbaren 2") "Crazy Rich" – Adaption eines Bestsellers von Kevin Kwan – zuvor, der als erster Hollywood-Blockbuster mit einer komplett asiatischen respektive asiatischstämmigen Besetzung entstand. Wenn das auch verbunden ist mit dem Wermutstropfen, daß "Crazy Rich" allein in englischsprachigen Staaten (neben den USA in erster Linie Großbritannien und Australien) ein wirklicher Publikumserfolg war, in den meisten anderen Regionen inklusive Asien hielt sich das Interesse in sehr engen Grenzen – was natürlich auch mit der höchst unterschiedlich ausgeprägten Bekanntheit der literarischen Vorlage zusammenhängt (meines Wissens nach ist die "Crazy Rich Asians"-Trilogie etwa erst nach dem Filmstart auf Deutsch veröffentlicht worden und eine Veröffentlichung auf DVD oder Blu-ray gibt es in Deutschland bislang auch nicht, lediglich als Stream). Das ist schade, da der Film trotz einer gewissen Oberflächlichkeit durchaus Laune macht.

Zumeist wird "Crazy Rich" als eine romantische Komödie eingestuft und was die erste Hälfte betrifft, ist das korrekt. Dann übernehmen in der Geschichte jedoch zunehmend dramatische Töne, weshalb eine konkrete Genrezuordnung gar nicht so einfach ist – Chus Film bewegt sich zwischen RomCom, Liebesfilm und Familiendrama. Am unterhaltsamsten ist sicher ebenjene erste Hälfte geraten, in der die komödiantischen Aspekte im Vordergrund stehen. Zugegeben, übermäßig originell fällt der Film zu diesem Zeitpunkt nicht aus, so gibt es klassische Culture Clash-Elemente und einige speziell für britische romantische Komödien so typische skurrile, aber liebenswerte Nebenfiguren. Die Charaktere sind aber überwiegend sympathisch und jene, die es nicht sind (und auch nicht sein sollen), sind zumindest schön schrill und überzeichnet. Im Zentrum stehen natürlich die gut harmonierenden Rachel und Nick, wobei Rachel deutlich mehr zu tun hat als der insgesamt recht passiv wirkende Nick, der so freundlich ist und es allen Recht machen will, daß es fast schon wieder langweilig ist. Rachel darf mehr Ecken und Kanten zeigen, aber sie ist ja auch diejenige, die in eine für sie völlig neue Welt geworfen wird, auf die Nick sie sträflich wenig vorbereitet hat. Constance Wu spielt ihre Rolle leidenschaftlich und charismatisch und wurde mit einer Golden Globe-Nominierung belohnt (der Film selbst wurde als beste Komödie nominiert), wobei sie vor allem in den ziemlich spannungsgeladenen Szenen mit Nicks strenger bis mißgünstiger Mutter Eleanor glänzt. Wenig verwunderlich bei der stets famosen Michelle Yeoh als Dialogpartnerin, der das Kunststück gelingt, Eleanor nicht einfach nur als fiese Schwiegermutter-in-spe zu portraitieren, sondern als ambivalente Figur, die nachvollziehbare Gründe für ihr Verhalten hat (einen davon liefert bereits der 1995 in einem US-Hotel spielende Prolog ab, wobei der mich eher irritiert hat, da ich derart offenen Rassismus eher in den USA der 1960er Jahre verorten würde – aber ich kann mich natürlich irren und man kann es ebenso als untypischen, jedoch keinesfalls unrealistischen Einzelfall werten).

Während also die erste Hälfte witzige Slapstick-Momente, gut getimte Gags (mein Favorit ist die Szene mit dem kambodschanischen Gong), amüsante Dialoge und exzentrische Figuren – die angesichts des Superreichen-Szenarios sogar weniger überzeichnet wirken als man meinen würde – zu bieten hat, wird die zweite zunehmend dramatisch. Dadurch hebt sich "Crazy Rich" von den aus den USA und Europa gewohnten romantischen Komödien deutlich ab und obwohl die Figurenzeichnung insgesamt nicht allzu tief geht, funktioniert das Familiendrama vor allem dank der guten darstellerischen Leistungen – allerdings bin ich der Meinung, daß die Auflösung der Geschichte etwas arg abrupt kommt und zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr komplett glaubwürdig wirkt. Dennoch: Nicks und Rachels Dilemma ist überzeugend hergeleitet, generell ist die Motivation der meisten Figuren absolut nachvollziehbar. Dies gilt nicht nur für Rachel, Nick und Eleanor, sondern auch für die von Gemma Chan einfühlsam verkörperte Modeikone Astrid, deren aus einer Arbeiterfamilie stammender Mann Michael (Pierre Png, "The Eye") nicht wirklich gut mit seiner (gefühlten) Rolle als Anhängsel seiner steinreichen und berühmten Frau klarkommt – eine unheilvereißende Blaupause für Nick und Rachel, deren Ausgangssituation gar nicht so unähnlich ist. Für gute Laune sorgt derweil neben Nicks gutmütigem Cousin Oliver (Nico Santos, TV-Serie "Superstore") – laut eigener Aussage "das regenbogenfarbene Schaf der Familie" – vor allem die Familie Goh mit Rachels flippiger Ex-Kommilitonin Peik Lin und ihrem neureichen Vater ("Hangover"-Scenestealer Ken Jeong), die zwar auf den ersten Blick wie Witzfiguren wirken, aber Rachel stets zuverlässig Rückhalt geben. Mag "Crazy Rich" also insgesamt eine ziemlich oberflächliche Geschichte erzählen, macht Jon M. Chus Film wegen seiner guten Besetzung, der sympathischen Protagonisten und der alles in allem gelungenen Mischung aus Humor, Herz und Dramatik definitiv viel richtig und hat sich deshalb seinen Erfolg verdient – der hoffentlich asiatisch-amerikanischen Schauspielern noch mehr Türen öffnet. Eine Fortsetzung ist bereits in Planung, möglicherweise werden auch direkt der zweite und der dritte Band von Kwans Trilogie am Stück gefilmt.

Fazit: "Crazy Rich" ist eine wenig originelle Mischung aus romantischer Komödie, Liebesfilm und Familiendrama, die ihren Reiz vor allem aus dem ungewöhnlichen Setting und dem starken asiatischen respektive asiatischstämmigen Cast zieht.

Wertung: 7,5 Punkte.

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