Regie: James Wan, Drehbuch: David Leslie Johnson-McGoldrick
und Will Beall, Musik: Rupert Gregson-Williams
Darsteller: Jason Momoa, Amber Heard, Patrick Wilson, Nicole
Kidman, Willem Dafoe, Dolph Lundgren, Temuera Morrison, Yahya Abdul-Mateen II,
Michael Beach, Ludi Lin, Randall Park, Graham McTavish, Robert Longstreet, John Rhys-Davies
(Stimme), Julie Andrews (Stimme), Djimon Hounsou (Stimme), Leigh Whannell
FSK: 12, Dauer: 144 Minuten.
Arthur Curry (Jason Momoa, "Justice League"), Sohn
der atlantischen Königin Atlanna (Nicole Kidman, "Der Goldene Kompaß")
und des menschlichen Leuchtturmwärters Thomas (Temuera Morrison, "Green Lantern"), ist spätestens seit seinem Kampf als ein Teil der Justice League gegen
den außerirdischen Oberbösewicht Steppenwolf als Superheld bekannt – obwohl er
sich nicht wirklich als Held sieht und am liebsten seine Ruhe hat. Umso
ärgerlicher, als eines Tages die atlantische Prinzessin Mera (Amber
Heard, "Machete Kills") auftaucht und Arthur drängt, endlich sein
Recht als Erstgeborener der Königin auf den Thron von Atlantis zu beanspruchen.
Dafür hat sie einen guten Grund: Der aktuelle König Orm (Patrick Wilson,
"Little Children"), Arthurs Halbbruder, will sich zum "Ocean
Master" küren lassen. Als Oberbefehlshaber über die sieben
Unterwasser-Reiche würde er sodann den Krieg gegen die Menschen an der Oberwelt
beginnen, da deren fortgesetzte Meeresverschmutzung allmählich
existenzbedrohend wird für alle Meeresbewohner. Mit Meras Vater König Nereus
(Dolph Lundgren, "The Expendables 2") hat Orm den ersten Herrscher
bereits überzeugt – einzig Aquaman kann einen für beide Seiten verlustreichen
Krieg noch verhindern. Doch da er als bislang im Reich der Menschen lebendes
Halbblut nicht ohne weiteres von den Atlantern akzeptiert würde, muß Arthur mit
Meras Hilfe zuerst den sagenumwobenen Dreizack des ersten atlantischen
Herrschers Atlan finden …
Kritik:
Nachdem das DC Extended Universe Ende 2017 mit dem Superhelden-Aufeinandertreffen in "Justice League" anstatt des
anvisierten Höhepunktes einen bedenklichen kommerziellen wie auch qualitativen
Tiefpunkt erreicht hatte (wobei ersteres bei einem weltweiten Einspielergebnis
von immer noch gut $650 Mio. natürlich sehr relativ ist), nahmen sich
die Verantwortlichen klugerweise ein gutes Jahr Zeit bis zum nächsten Film.
Schließlich war klar, daß dessen Erfolg oder Mißerfolg wegweisend für das
gesamte Franchise-Konzept sein würde. Dementsprechend ist es auch
nicht weiter verwunderlich, daß sich "Aquaman" bis auf eine kurze Randbemerkung über die Geschehnisse in "Justice League" als
eine Stand-Alone-Geschichte präsentiert, die sich nicht um Batman oder Superman
schert, sondern sich ganz auf den weniger bekannten und populären
Aquaman konzentriert. Das erweist sich als gute Entscheidung, denn ähnlich
wie die "Thor"-Filme bei Konkurrent Marvel erweitert auch
"Aquaman" das Filmuniversum um neue, deutlich fantasylastige
Facetten, die im Verbund mit einer bemerkenswert humorvollen Präsentation
gerade angesichts der bleiernen Schwere der ersten DCEU-Filme ("Man of Steel", "Batman v Superman") für wohltuende Abwechslung sorgen.
Da James Wan ("Conjuring") mit einigen inszenatorischen
Finessen zudem einmal mehr beweist, daß er zu den talentiertesten
Genre-Regisseuren seiner Generation zählt, ist "Aquaman" trotz eines
nur phasenweise völlig überzeugenden Drehbuches vielleicht sogar der beste
DCEU-Film (mit "Wonder Woman" als einziger echter Alternative), auf
jeden Fall aber der unterhaltsamste!
Anders als bei "Wonder Woman" macht man sich
bei "Aquaman" auch nicht die Mühe, eine Alibi-Rahmenhandlung zu
gestalten, sondern legt unvermittelt mit der (von Arthur rückblickend
erzählten) Origin-Story des Protagonisten los. Das mag angesichts dessen,
daß wir Aquaman ja bereits in anderen Filmen kennengelernt haben, etwas
unelegant wirken, aber das läßt sich kaum vermeiden angesichts des von
Anfang an fragwürdigen DCEU-Konzepts, mit Team-Up-Filmen zu beginnen und
(abgesehen von Superman in "Man of Steel") erst dann zu Solofilmen der
einzelnen Heroen überzugehen. Jedenfalls ist der Rückblick aufs
Kennenlernen von Thomas Curry und Königin Atlanna gut gemacht, zumal es
natürlich eine Freude ist, eine so begnadete Schauspielerin wie Nicole Kidman einmal in einem inhaltlich eher anspruchslosen Superhelden-Blockbuster zu
erleben. Kritiker mögen einwenden, daß ihre Fähigkeiten in einem solchen Film
verschwendet seien und dem könnte ich nicht allzu energisch widersprechen –
trotzdem finde ich es einfach schön, Schauspieler diesen Kalibers ab und zu in
einer reinen Fun-Rolle (die sie nach eigener Aussage ihren Kindern zuliebe
akzeptierte) bewundern zu können. Nach diesem nicht wirklich originellen, jedoch
definitiv netten Prolog geht es dann aber in medias res, als Arthur sich mit
High-Tech-Piraten anlegt und sich mit einer schweren Entscheidung gleich mal
einen Erzfeind fürs Leben schafft – David Kane alias Black Manta (Yahya
Abdul-Mateen II, "Greatest Showman"). Der dient als sekundärer
Bösewicht von "Aquaman", der unseren Helden die gesamten knapp
zweieinhalb Stunden lang wiederholt beschäftigt, während sich der
Haupt-Antagonist um Wichtigeres kümmert. Mit Patrick Wilson (der bereits in den
"Conjuring"- und "Insidious"-Gruselreihen für Wan vor der
Kamera stand) hat man eine perfekte Besetzung für König Orm gefunden, der die
Ambivalenz dieses großartigen Antagonisten gekonnt in Mimik und Gestik
herausarbeitet. Wobei das mit dem "großartigen Antagonisten"
bedauerlicherweise nur auf die erste Filmhälfte zutrifft. Da wird Orm dem
Publikum als ein Herrscher präsentiert, der zwar zu, nunja, extremen
Maßnahmen greift, dessen Taten und Ziele jedoch grundsätzlich nachvollziehbar sind. Schließlich geht es ihm primär um die Verteidigung der
Unterwasserwelt gegen den erwiesenermaßen sehr schädlichen Einfluß der Menschen, welche
die Meere wider besseres Wissen noch immer nach Lust und Laune und ohne Rücksicht auf die
langfristigen Folgen keineswegs nur für die Meeresbewohner verschmutzen
(auch wenn sich inzwischen zumindest ein gewisses politisches Bewußtsein für
die Problematik gebildet hat). Dieser Öko-Anstrich mag manchem Zuschauer ein wenig
aufgesetzt wirken, er ergibt aber absolut Sinn und sorgt dafür, daß Orm alles
andere als ein typischer Comic-Bösewicht ist. Seine Methoden sind zweifellos
fragwürdig und über seinen Pessismismus hinsichtlich des
Besserungspotentials der Menschen kann man ebenfalls streiten, aber er ist
definitiv nicht "böse". Das zeigt auch sein Umgang mit Arthur, denn
"Aquaman" unterläuft die Blockbuster-Konventionen und damit die
Erwartungen des Publikums mit einer überraschend frühen und sehr emotionalen
Konfrontation der Halbbrüder, die sich zum ersten Mal treffen und deren
Leben durch das gleiche Ereignis ganz entscheidend geprägt wurde – ihre Mutter wurde
von Orms Vater den monströsen Trench geopfert, als er von Arthur erfuhr –, wenn auch in komplett unterschiedliche Richtungen.
Nach diesem frühen, ziemlich episch umgesetzten Höhepunkt,
der logischerweise noch ohne finale Entscheidung endet (sonst wäre der Film ja
an dieser Stelle vorbei), ändert sich der Ton des Films deutlich. Die
Schnitzeljagd, auf die sich Arthur mit der idealistischen Prinzessin
Mera begibt, bringt Tempo in die Handlung und erinnert stilistisch vermutlich
nicht ungewollt an die "Indiana Jones"-Filme. Da ist es hilfreich,
daß Hauptdarsteller Jason Momoa wieder einmal ähnlich charismatisch agiert wie
dereinst Harrison Ford als Indy, auch wenn das Drehbuch ihm manchmal einen
etwas zu kindischen Humor verpaßt. Dennoch ist Momoas hochsympathische
Präsenz einer der vielen Gründe, warum "Aquaman" so gut funktioniert,
zumal die Chemie mit Mera-Darstellerin Amber Heard in ihrer neckischen
Beziehung stimmt, in der Mera übrigens sogar die besten Oneliner abbekommt
("Sagen wir so: Du denkst am besten, wenn du gar nicht denkst.").
Gelungen ist auch die Dualität des Kennenlernens einer fremden Welt, denn es
ist nicht nur Atlantis mit seinen vielfältigen Bewohnern und seltsamen,
archaischen Gebräuchen eine ganz neue, gewöhnungsbedürftige Erfahrung für Arthur, sondern
das gilt vermutlich sogar noch mehr für Mera bei ihrem ersten richtigen
Ausflug in die Oberwelt. Beide
lernen jedoch schnell auch die Reize dieser neuen Erfahrungen kennen, was vor allem
bei Meras Besuch auf Sizilien ebenso amüsant wie gefühlvoll umgesetzt
ist (zu den Klängen von Roy Orbisons "She's a Mystery to Me"). Allzu
einfallsreich ist die Schnitzeljagd an sich nicht, aber Spaß macht sie
ohne Frage. Problematischer ist, daß, wie angedeutet, Orm unter dieser
Handlungsentwicklung leidet. Denn während Arthur und Mera zu König Atlans
Dreizack unterwegs sind, versucht Orm weiter, genügend Anführer der
Unterwasserreiche auf seine Seite zu bringen, um sich endlich zum Ocean Master
ernennen zu lassen. Theoretisch klingt das durchaus spannend und birgt reichlich
erzählerisches Potential in sich – so viel gar, daß man ohne größere Probleme
einen eigenen Film daraus hätte machen können –, das aber so gut wie gar nicht
ausgereizt wird. Orms Weg zur Quasi-Alleinherrschaft wird in kurzen, geradlinigen Sequenzen geschildert, die dann leider doch noch dafür sorgen, daß er
von dem ursprünglichen zwiespältigen Anti-Helden zu einem ziemlichen
Klischee-Bösewicht verkommt. Rational betrachtet ist dieses Vorgehen zwar
nachvollziehbar, da die Laufzeit des Films (trotz der fast zweieinhalb Stunden)
nunmal begrenzt und Orm nicht die Hauptfigur ist. Trotzdem ist es ausgesprochen
schade, daß der so vielversprechend etablierte Orm in der zweiten Hälfte so
schnöde behandelt wird und damit auch Wilsons großes Talent nur noch
vereinzelt durchscheint – ähnlich sieht es bei seinem Verbündeten König Nereus
aus, der von Dolph Lundgren ausgesprochen würdevoll interpretiert wird und
ebenfalls mehr Screentime verdient hätte. Eine Möglichkeit dafür wäre es
vielleicht gewesen, auf Black Manta zu verzichten, aber andererseits hätten
dann Arthur und Mera auf ihrer Schnitzeljagd nicht allzu viel zu tun gehabt.
Schwere Entscheidung.
Das größte Alleinstellungsmerkmal von
"Aquaman" ist die äußerst phantasievoll umgesetzte Unterwasserwelt.
Zwar ist die Qualität der zahllosen Spezialeffekte nicht immer gleich hoch,
insgesamt sind Atlantis und Co. aber sehr beeindruckend umgesetzt. Nach dem
Trailer war ich in dieser Hinsicht noch etwas skeptisch, weil alles so bunt
wirkte, aber innerhalb des Films kommt das (auch in 3D) richtig gut rüber.
Hilfreich ist natürlich das exzellente Kreaturendesign gerade bei den
nicht-humanoiden Meeresbewohnern wie den offensichtlich von H.P. Lovecraft
inspirierten Trench (über deren Reich übrigens ein Spin-Off-Film geplant ist).
Generell sind die farbenfrohen Unterwasserszenen visuell sehr überzeugend,
wobei vor allem Meras Fähigkeiten beeindruckend visualisiert sind. Teilweise
erinnert das Szenario naheliegenderweise an Jules Verne (nicht ohne Grund
beginnt der Film mit einem Zitat von ihm), aber auch ein wenig an "Der Herr
der Ringe" unter Wasser, angereichert mit einem Schuß Verrücktheit
(bestes Beispiel: der "Schlagzeug-Oktopus", der mich an den Flammenwerfer-Gitarristen in "Mad Max: Fury Road" erinnert
hat). Wie bei den meisten Superhelden-Filmen gibt es für meinen Geschmack etwas
zu viele Actionszenen, doch die Kämpfe und Verfolgungsjagden sind wenigstens
sehenswert choreographiert, wobei Regisseur James Wan und sein Kameramann Don Burgess
("Flight") sich unter anderem mit einigen ungewöhnlichen Kamerafahrten
von der Genremasse abheben. Dazu kommt die hörenswerte, wuchtige
musikalische Untermalung durch den Hans Zimmer-Schüler Rupert Gregson-Williams
(der sich wohl vor allem die "Batman"-Scores seines Mentors zum
Vorbild genommen hat), die dafür sorgt, daß die Actionsequenzen noch ein
Stückchen mitreißender wirken als sie es ohnehin sind. Der größte Schwachpunkt
des Films ist übrigens die dramatische Enthüllung, die er Protagonisten und
Publikum im letzten Akt offenbart – denn die ist dermaßen vorhersehbar, daß sie
außer den Filmfiguren niemanden erstaunen dürfte … Aber das ist verkraftbar, da
der restliche Film so ungemein unterhaltsam ist und im Kern dank der
vergleichsweise ausführlich etablierten persönlichen Verbindungen auch
erfreulich viel Herz hat. Ich freue mich auf die Fortsetzung!
Fazit: "Aquaman" ist der vielleicht beste,
auf jeden Fall der unterhaltsamste Film aus dem DC Extended Universe bis dahin, was
an einer wenig einfallsreichen, aber leichtfüßig und humorvoll präsentierten Geschichte ebenso liegt wie an den charismatischen Darstellern und einer sehr
phantasievollen visuellen Gestaltung.
Wertung: Knapp 8,5 Punkte.
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