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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 11. Dezember 2018

NUR EIN KLEINER GEFALLEN (2018)

Originaltitel: A Simple Favor
Regie: Paul Feig, Drehbuch: Jessica Sharzer, Musik: Theodore Shapiro
Darsteller: Anna Kendrick, Blake Lively, Henry Golding, Joshua Satine, Ian Ho, Andrew Moodie, Linda Cardellini, Rupert Friend, Andrew Rannells, Kelly McCormack, Aparna Nancherla, Dustin Milligan, Eric Johnson, Jean Smart, Roger Dunn
Nur ein kleiner Gefallen (2018) on IMDb Rotten Tomatoes: 84% (6,9); weltweites Einspielergebnis: $97,6 Mio.
FSK: 12, Dauer: 117 Minuten.

Die Unterschiede zwischen Stephanie Smothers (Anna Kendrick, "The Voices") – eine quirlige Videobloggerin und nahezu perfekt erscheinende alleinerziehende Mutter – und Emily Nelson (Blake Lively, "Savages") – elegante, sehr selbstbewußte PR-Chefin eines Modelabels, die aber kaum Zeit für ihren kleinen Sohn hat und dem Alkohol allzu sehr zugeneigt ist – könnten kaum größer sein. Trotzdem entwickelt sich zwischen den beiden Müttern, deren Söhne die gleiche Klasse besuchen, eine unwahrscheinliche Freundschaft, in der vor allem Stephanie viel lernt. Umso erschütterter ist sie, als Emily eines Tages verschwindet, nachdem sie Stephanie noch gebeten hatte, bis zu ihrer Rückkehr auf ihren Sohn aufzupassen. Während die Polizei eher halbherzig ermittelt, sucht Stephanie auch mit der Hilfe ihrer Vlog-Follower nach ihrer Freundin und kümmert sich außerdem rührend um deren Sohn und dessen Vater Sean (Henry Golding, "Crazy Rich"). Vielleicht sogar etwas zu rührend, denn Stephanie und der smarte, wenn auch unter einer Schreibblockade leidende Schriftsteller kommen sich immer näher. Dann macht die Polizei einen Fund mit dramatischen Konsequenzen für alle Beteiligten …

Kritik:
Eigentlich ist der Amerikaner Paul Feig fast ausschließlich für Komödien bekannt, besonders trifft das auf seine weiblich dominierten Kinoarbeiten wie "Brautalarm", "Taffe Mädels", "Spy" und das "Ghostbusters"-Reboot zu, aber auch im TV-Serienbereich lebte er u.a. bei "Arrested Development" und "Nurse Jackie" sein komödiantisches Talent aus. Mit dem kleinen, feinen Psycho-Thriller "Nur ein kleiner Gefallen" wagt Paul Feig erstmals einen großen Schritt in ein anderes Genre, auch wenn sein Film mit viel schwarzem Humor und trockenem Sarkasmus angereichert ist. Zahlreiche Kritiker vergleichen "Nur ein kleiner Gefallen" mit David Finchers eleganter Romanverfilmung "Gone Girl" und das ist in der Tat naheliegend – es trifft allerdings vorwiegend auf die zweite Filmhälfte zu. In der erste Hälfte gibt es dagegen größere Parallelen zu der HBO-Hitserie "Big Little Lies" aus der Feder von David E. Kelley: Hier wie dort geht es um sehr unterschiedliche Mütter, die sich über ihre Kinder kennenlernen und bald ins Zentrum eines großen Mysteriums geraten und hier wie dort gibt es eine Art (gehässigen) griechischen Chor, bestehend aus anderen Eltern, die das Geschehen bissig kommentieren (allerdings ist es bei "Nur ein kleiner Gefallen" lediglich ein dreiköpfiger Chor). Zwar wirkt Feigs Film nach einem Drehbuch von Jessica Sharzer ("Nerve", TV-Serie "American Horror Story") etwas weniger rund und kann schon wegen der kürzeren Laufzeit in Sachen Figurenzeichnung nicht so tief gehen wie "Big Little Lies" (und bleibt auch ein wenig hinter "Gone Girl" zurück), weiß aber mit hohem Erzähltempo und zwei starken Hauptdarstellerinnen über weite Strecken gut zu unterhalten. Anders gesagt: Paul Feig darf sich gerne öfters außerhalb seiner reinen Comedy-Wohlfühlzone bewegen!

Im Zentrum von "Nur ein kleiner Gefallen" stehen selbstredend Stephanie und Emily (die zwar recht früh verschwindet, aber auch durch Rückblenden präsent bleibt). Deren unwahrscheinliche Freundschaft wird glaubwürdig etabliert – zwar passen sie eigentlich nicht zueinander, doch Stephanies Gefallsucht sorgt im Zusammenhang mit Emilys manipulativer Ader dafür, daß die merkwürdige und vermutlich nicht allzu gesunde Beziehung ziemlich authentisch wirkt. Dabei glänzt vor allem Anna Kendrick als quirlige Stephanie, zumal die nach dem Verschwinden von Emily – von Blake Lively ebenfalls gekonnt gespielt, allerdings bekommt sie aufgrund Emilys eher stoischer Art weniger Gelegenheit, ihr Können zu zeigen – klar in den Mittelpunkt rückt. An ihrer Seite ist dann Emilys Ehemann Sean, charismatisch verkörpert von Henry Golding, mit dem Kendrick passend zur Handlung gut harmoniert. Während die Nebenfiguren trotz teilweise prominenter Besetzung (Jean Smart als Emilys Mutter, Rupert Friend als ihr Chef und Linda Cardellini als eine Künstlerin aus Emilys Vergangenheit) ziemlich blaß bleiben, sind die drei zentralen Figuren etwas skizzenhaft, aber durchaus überzeugend gezeichnet: Stephanie ist die immer professionelle "heilige" alleinerziehende Mutter (mit einem dunklen Geheimnis), von allen bewundert, aber auch ein wenig gehasst; Emily die elegante und arrogante "Rabenmutter", die sich nur um ihren Job kümmert und Kind und Mann vernachlässigt; und Sean ist der scheinbar perfekte Ehemann, der alles für Frau und Kind tut, seit der Heirat jedoch an einer hartnäckigen Schreibblockade zu knabbern hat.

Bedauerlicherweise verläuft der Übergang der beiden Hälften ineinander, ausgelöst durch ein dramatisches Ereignis, das ich nicht spoilern möchte (auch wenn es die meisten Rezensionen tun, weil es immer noch relativ früh im Film geschieht), ein wenig holprig. Zwar gelingt es Feig, einen allzu abrupten Übergang vom "Big Little Lies"- zum "Gone Girl"-Territorium zu vermeiden, dennoch ist die Zweiteilung unübersehbar: Der "griechische Chor" verschwindet fast komplett von der Bildfläche, die Humoranteile nehmen zugunsten der Thriller-Elemente deutlich ab – und leider geht auch die Glaubwürdigkeit nach und nach flöten. Das Tempo nimmt in der zweiten Hälfte noch einmal deutlich zu und es gibt kaum noch Verschnaufpausen zwischen den sich immer stärker zuspitzenden Geschehnissen. Dabei kommt auch so manches Genreklischee zum Tragen, weshalb der zentrale Handlungsverlauf gleichzeitig recht vorhersehbar ist – zum Glück ist das Feig und Sharzer aber offenbar auch klar gewesen, weshalb sie die Story einige zusätzliche Haken schlagen lassen. Das nagt freilich noch stärker an der Glaubwürdigkeit, ist aber gut genug umgesetzt, um bis zum Schluß launige Unterhaltung zu bieten. Die Mixtur aus Thriller und Komödie funktioniert dabei oft gut (beispielsweise bei den – allerdings unrealistisch mitfühlenden – Kommentaren, die am unteren Bildrand von Stephanies Vlog zu lesen sind, auf dem sie ihre Follower auf dem Laufenden hält), manchmal wirkt ein arg abrupter Tonwechsel aber unpassend (Stephanies Besuch im Anwesen von Emilys Eltern). Die bissigen Dialoge überzeugen dagegen durchgehend (Highlight: der hoffentlich ab sofort offizielle Werbeslogan für amerikanische Hybrid-Autos!) und auch die ungewöhnliche musikalische Untermalung gefällt, wobei das weniger an Theodore Shapiros Score liegt als an den französischen Chansons von Serge Gainsbourg, Brigitte Bardot oder France Gall, die wir dank Emilys Vorliebe für diese Musikart häufig zu hören bekommen und die bemerkenswert gut zum leichten Retro-Tonfall des Films passen.

Fazit: "Nur ein kleiner Gefallen" ist ein unspektakulärer und nicht immer glaubwürdiger, aber unterhaltsamer schwarzhumoriger Thriller, der vor allem mit seinem von der wunderbaren Anna Kendrick angeführten zentralen Darsteller-Trio und dem trockenen Humor punktet.

Wertung: 7,5 Punkte.


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