Regie: Carolina Hellsgård, Drehbuch: Olivia Vieweg, Musik:
Franziska Henke
Darsteller: Gro Swantje Kohlhof, Maja Lehrer, Trine Dyrholm,
Barbara Philipp, Axel Werner
Vor zwei Jahren hat eine tödliche Seuche, die die
Verstorbenen als Zombies wiederauferstehen läßt, fast die gesamte
Menschheit ausgelöscht. Mit Jena und Weimar existieren nur noch zwei Städte,
die jedoch unterschiedliche Ansätze des Umgangs mit der Katastrophe gewählt
haben. Während Weimar ganz auf Nummer Sicher geht und jeden, der mit einem
Zombie in Berührung kam, sofort umbringt, forscht Jena unverdrossen an
einem Heilmittel. Die junge, traumatisierte Vivi (Gro Swantje Kohlhof,
"Wir sind die Flut") will Weimar unbedingt verlassen, um nach ihrer
kleinen Schwester zu suchen, von der sie beim Ausbruch der Zombieepidemie
getrennt wurde. Sie schleicht sich auf den zwischen Weimar und Jena
führerlos verkehrenden Versorgungszug, wo sie zu ihrer Überraschung auf die etwas
ältere, im Kampf gegen die Zombies sehr erfahrene Eva (Maja Lehrer, TV-Serie
"Unter uns") trifft – diese wurde beim letzten Ansturm der Untoten
verwundet und will deshalb aus der Stadt flüchten, bevor das bemerkt wird und
sie exekutiert wird. Dummerweise bleibt der Zug unterwegs stecken und so müssen die beiden sich in ihrer Persönlichkeit ziemlich unähnlichen
jungen Frauen sich zu Fuß durch die ohne menschlichen Einfluß prächtig gedeihende
Natur auf den gefährlichen Weg nach Jena machen …
Kritik:
Ein Film, bei dem alle verantwortlichen Positionen von Männern besetzt werden, ist auch im 21. Jahrhundert noch relativ
normal oder zumindest nicht außergewöhnlich. Ein Film, bei dem vor und hinter der Kamera fast nur Frauen
verantwortlich zeichnen, ist dagegen eine Seltenheit. Und ein
Horrorfilm, bei dem das geschieht, ist im Grunde genommen eine absolute
Sensation. Genau das bekommen wir mit "Endzeit" präsentiert (als ob
ein deutscher Zombiefilm nicht an sich schon ungewöhnlich genug wäre …), und
das vor dem deutschen Kinostart auf diversen internationalen Festivals
erfolgreich vorgestellte Arthouse-Horrordrama der in Berlin lebenden schwedischen Filmemacherin
Caroline Hellsgård (welch großartiger Name für die Regisseurin eines
Horrorfilms!) kann sich definitiv sehen lassen. Die Drehbuch-Autorin Olivia Vieweg
hat ihre eigene Graphic Novel adaptiert und die Handlung bedient sich
einerseits bei bekannten Genre-Versatzstücken bis hin zur Hommage an
Zombie-Klassiker wie Lucio Fulcis "Woodoo – Die Schreckensinsel der
Zombies", bringt andererseits jedoch auch eigenständige Elemente ein. Zwar
hätter mancher Aspekt des Films gerne noch etwas besser ausgearbeitet sein können, doch starke schauspielerische Leistungen, ein paar interessante Einfälle und eine handwerklich überzeugende Inszenierung machen
"Endzeit" zu einem sehr ordentlichen Genrebeitrag.
Viele eher klassisch orientierte Horrorfans haben ja bei
Arthouse-Horrorfilmen wie "The Witch", "mother!" oder "Der Babadook" besonders mit dem meist gemächlichen bis sehr
langsamen Erzähltempo ihre Probleme. Diesbezüglich kann ich bei
"Endzeit" einigermaßen Entwarnung geben, denn obwohl wir hier natürlich
keine rasante Schlachtplatte á la "Dawn of the Dead" (vor allem im
Remake), "Resident Evil" oder "Wyrmwood" haben, geht es durchaus zügig und auch recht
zünftig zu mit einigen sehr spannend in Szene gesetzten Actionsequenzen. Vielleicht ist "Arthouse-Horror" auch gar nicht die richtige Kategorie für "Endzeit" (ich will schließlich keine potentiellen Zuschauer vergraulen ...), der sich eher irgendwo zwischen den Genre-Extremen bewegt, dabei jedoch fraglos näher bei den Arthouse-Vertretern positioniert ist.
Die Einleitung in diese nicht so schöne neue Welt fällt jedenfalls spärlich aus, vielmehr
werden wir mit der bisher recht behütet in Weimar lebenden Vivi – die zu Beginn
erstmals direkt an den Außenzäunen Reparaturarbeiten durchführen soll – direkt mit der Gefahr bekanntgemacht. Ein paar wenige Details über den Beginn der Apokalypse
erhalten wir nach und nach durch kurze Flashbacks sowohl aus Vivis als auch aus
Evas Perspektive, allerdings dienen diese in erster Linie der
Charakterzeichnung dieser beiden Figuren und versorgen uns kaum mit neuen
Hintergrund-Informationen über die Situation an sich – wobei es schon
interessant wäre zu erfahren, warum auf der ganzen Welt nur ausgerechnet diese
beiden ostdeutschen Städte "überlebt" haben …
Generell fällt die
Handlung recht dünn aus, denn viel mehr als "Reise von A nach B unter sehr
widrigen Bedingungen" wird hier nicht geboten. Die Etablierung einer bedrückenden Endzeit-Atmosphäre
gelingt Hellsgård und Vieweg im Verbund mit der überlegten Kameraführung
von Leah Striker und der eher melancholischen Musik von Franziska Henke trotzdem überzeugend,
auch weil das Zombie-Make-up (es handelt sich hier übrigens um Untote der
rennenden Sorte) und das zugehörige Sounddesign insgesamt sehr sehens- und
hörenswert ausfallen. Weniger gut gelungen ist das permanente Gefühl der
Bedrohung, das man in Vivis und Evas Situation nach dem Zugdefekt definitiv
erwarten würde und aus vielen anderen Genreproduktionen (allen voran aus der
TV-Serie "The Walking Dead") kennt. Denn obwohl die Anzahl der
gefährlichen Situationen, in die sie geraten, gar nicht so gering ist, stellt
sich in den dazwischenliegenden Sequenzen nur selten das Gefühl ein, daß das
Duo von Todesangst geplagt wird – stattdessen streiten sie sich lieber
wiederholt aus recht nichtigem Anlaß. Den Schauspielerinnen ist dieser atmosphärische
Mangel wohlgemerkt nicht anzulasten, denn vor allem die gekonnt zwischen
Verletzlichkeit und Entschlossenheit changierende Kohlhof als auch
die taff auftretende Lehrer und die routinierte Dänin Trine Dyrholm ("In einer besseren
Welt") in der einzigen Nebenrolle von Bedeutung agieren authentisch
und intensiv und bringen auch die mitunter in etwas steifen Dialogen arg dick
aufgetragene "Ökobotschaft" (die ich generell unterstütze) so glaubwürdig
wie möglich rüber. Schade ist es, daß wir nicht mehr über diese beiden erfahren,
denn trotz ihrer jeweiligen klaren und nachvollziehbaren Motivation für den
gefährlichen Ausflug und der bereits erwähnten Rückblenden bleibt die
Figurenzeichnung relativ oberflächlich. Wobei das für einen Zombiefilm
natürlich nicht ungewöhnlich ist. Alles in allem ist "Endzeit"
zwar kein Meisterwerk, aber definitiv ein deutscher Genrebeitrag auf internationalem Niveau, der sich etwas traut und Lust auf
mehr macht.
Fazit: "Endzeit" ist ein deutscher
Arthouse-Horrorfilm aus fast komplett weiblicher Hand, der schauspielerisch und
atmosphärisch viel richtig macht, aber Story und Charaktere gerne noch etwas mehr hätte
ausbauen dürfen.
Wertung: 7 Punkte.
"Endzeit" wird vom farbfilm verleih am 22. August 2019 in die deutschen Kinos gebracht. Eine Rezensionsmöglichkeit wurde mir vom Entertainment Kombinat zur Verfügung gestellt.
"Endzeit" wird vom farbfilm verleih am 22. August 2019 in die deutschen Kinos gebracht. Eine Rezensionsmöglichkeit wurde mir vom Entertainment Kombinat zur Verfügung gestellt.
Screenshots: © farbfilm verleih
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