Originaltitel: Dolor y gloria
Regie und Drehbuch: Pedro Almodóvar, Musik: Alberto Iglesias
Darsteller: Antonio Banderas, Penélope Cruz, Asier
Etxeandia, Nora Navas, César Vicente, Leonardo Sbaraglia, Asier Flores, Cecilia
Roth, Pedro Casablanc, Susi Sánchez, Raúl Arévalo, Julieta Serrano, Agustín
Almodóvar, Rosalía
FSK: 6, Dauer: 114 Minuten.
Salvador Mallo (Antonio Banderas, "Ich sehe den Mann deiner Träume") ist seit Jahrzehnten einer
der erfolgreichsten spanischen Filmemacher, doch nun kann er ob diverser
körperlicher Gebrechen nicht mehr arbeiten. Wegen der Schmerzen verläßt er kaum
noch sein Haus, wo er seinen Tag größtenteils mit Träumereien von seiner Kindheit
verbringt. Erst die Restaurierung seines 32 Jahre alten ersten Filmerfolges
weckt Salvador ein wenig aus seiner Lethargie, denn er wird gebeten, bei einigen Jubiläumsvorführungen zusammen mit dem Hauptdarsteller Alberto
Crespo (Asier Etxeandia, "Ma Ma - Der Ursprung der Liebe") Fragen aus dem Publikum zu beantworten. Dafür
muß er sich allerdings zuerst mit Alberto versöhnen, mit dem er aufgrund eines
Zerwürfnisses seit Abschluß der damaligen Dreharbeiten nicht mehr gesprochen
hat. Das Wiedersehen nach so vielen Jahren verläuft ganz gut – wenn man einmal
davon absieht, daß Salvador dabei zum ersten Mal in seinem Leben Heroin
probiert und sofort auf den Geschmack kommt. Doch zumindest sind seine
Lebensgeister wieder halbwegs geweckt, zumal Alberto Salvador darum bittet, einen
von dessen unveröffentlichten Texten, "Die Abhängigkeit", als
Ein-Mann-Theaterstück adaptieren zu dürfen …
Kritik:
Die Werke des spanischen OSCAR-Gewinners (für "Sprich mit ihr") Pedro Almodóvar sind seit jeher stark autobiobraphisch geprägt. In den stets von ihm
geschriebenen Filmen verarbeitete er etwa seine Homosexualität, die innige Verbindung zu seiner Mutter oder auch sein schwieriges
Verhältnis zur Kirche. Doch so persönlich wie "Leid und Herrlichkeit"
hat sich vermutlich noch keine seiner Arbeiten angefühlt. Dafür gibt es gleich mehrere
Gründe: Am offensichtlichsten ist natürlich die Tatsache, daß der
Filmemacher-Protagonist unschwer als Almodóvars Alter Ego zu erkennen ist,
zumal Antonio Banderas in dieser Rolle (nicht zuletzt aufgrund seiner Frisur)
dem Regisseur sogar erstaunlich ähnlich sieht. Es ist zwar nicht das erste Mal,
daß Almodóvar einen an sich selbst erinnernden Filmemacher in den Mittelpunkt einer
Geschichte stellt ("La mala educación"), aber hier passen sogar Alter
und Optik einigermaßen. Auch der Verzicht auf die für Almodóvars Werk so
typischen Exzentritäten und das Schrille speziell seiner früheren Filme schafft
eine größere Realitätsnähe. Zudem sorgen die häufigen Rückblenden in
Salvadors Kindheit (in der Penélope Cruz seine Mutter spielt) für Intimität und Salvadors gelegentliche Ausführungen über das
Filmemachen klingen sehr nach Almodóvar selbst. Und das Schöne für
die Zuschauer ist: "Leid und Herrlichkeit" wirkt nicht nur intim,
sondern ist vor allem ein wirklich schöner, poetischer, wehmütiger und auch
kluger Blick zurück eines weltweit wohl einzigartigen Filmschaffenden.
Antonio Banderas hat für seine gefühlvolle, verletzliche
Darbietung des Salvador Mallo viel Lob erfahren – und das ist vollauf verdient.
Der inzwischen unglaublicherweise auch schon fast 60-jährige Mime hat schon oft
bewiesen, daß er weit mehr zu bieten hat als nur sein blendendes Aussehen, doch so
gut wie in "Leid und Herrlichkeit" war er selten zuvor, wenn
überhaupt. Er erweckt Almodóvars Alter Ego zum Leben, indem er dessen Schmerzen
und seine depressive Stimmung, auch eine gewisse Wehleidigkeit auf die Leinwand
transportiert, die immer wieder durch sein gedankliches Abgleiten in die
einfache und recht beschwerliche, aber trotzdem gern erinnerte Kindheit
unterbrochen werden, in der seine Mutter Jacinta eine große Rolle spielte. Doch
auch das Wiedersehen mit alten Bekannten im Zuge der Wiederaufführung seines
Debüts sorgt für sehenswerte Momente. Speziell die Versöhnung mit Alberto, der
trotz des alten, aber heftigen Streits mit Salvador offensichtlich noch immer
dessen Zuneigung und Anerkennung sucht, wirkt wunderbar aufrichtig, ebenso ein
späteres Treffen mit einer anderen Person seiner Vergangenheit. Dabei
verzichtet Almodóvar wohlgemerkt nicht auf Humor, nur fällt der deutlich leiser
aus als in früheren Zeiten – was aber nicht zwangsläufig bedeutet, daß er
weniger witzig wäre.
Ein beredtes Zeugnis für Almodóvars ungebrochenes humoristisches Können gibt
eine herrliche Szene, in der Salvador und Alberto nach einer Aufführung des
restaurierten Films per Telefon zugeschaltet werden und Salvador das Publikum
mit einer unerwartet offenherzigen Antwort (seinem Heroin-Konsum unmittelbar
zuvor sei Dank) überrascht … Eine richtige Handlung gibt es in "Leid und
Herrlichkeit" eigentlich nicht, wenn man vielleicht davon absieht, daß
Salvador den Weg zurück zu sich selbst sucht. Stattdessen ist die Story ziemlich
anekdotenhaft, was beispielsweise dazu führt, daß Alberto in der ersten Hälfte
die zweite Hauptfigur ist, aber in der zweiten kommentarlos nicht mehr
vorkommt. Das stört aber nicht, da die Szenenübergänge auch zu den
langen Rückblenden sehr harmonisch und natürlich wirken und das Gezeigte in
seiner nostalgischen, poetischen Wehmut und seiner leisen, jedoch aufrichtigen
Emotionalität eigentlich immer interessant und authentisch bleibt. Kenner von
Almodóvars Werk werden sich auch über einige, zum Teil ironische Anspielungen auf
sein früheres Schaffen freuen (wenn etwa Salvadors Mutter von ihm fordert, sie
nicht in seinen Filmen zu verwenden, ist das ziemlich witzig, wenn man weiß,
welch große Rolle Mütter in Almodóvars Werken spielen), außerdem kann man von
Salvador einige interessante Dinge über das Filmemachen lernen. In den letzten
Jahren konnte Pedro Almodóvar meines Erachtens mit Filmen wie "Fliegende Liebende" oder "Die Haut, in der ich wohne" nicht mehr an
frühere Meisterwerke anknüpfen, doch mit "Leid und Herrlichkeit"
beweist er, daß er es auch mit 70 Jahren und einer leiseren
Herangehensweise immer noch drauf hat. Gerne mehr davon!
Fazit: "Leid und Herrlichkeit" ist eine
wunderbar poetische, wehmütige und sehr persönliche Tragikomödie über einen von
Antonio Banderas grandios verkörperten alternden Filmemacher, der auf sein
Leben und sein Werk zurückblickt und zugleich einen Weg in die Zukunft sucht.
Wertung: 8,5 Punkte.
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