Originaltitel: The Wife
Regie: Björn L. Runge, Drehbuch: Jane Anderson, Musik:
Jocelyn Pook
Darsteller: Glenn Close, Jonathan Pryce, Max Irons,
Christian Slater, Elizabeth McGovern, Annie Starke, Harry Lloyd, Karin Franz
Körlof, Johan Widerberg, Grainne Keenan, Morgane Polanski, Nick Fletcher
FSK: 6, Dauer: 101 Minuten.
Connecticut in den USA, 1993: Der erfolgreiche Schriftsteller Joe
Castleman (Jonathan Pryce, "In guten Händen") wird für sein
umfangreiches Lebenswerk mit dem Literaturnobelpreis geehrt. Im Dezember
fliegt er mit seiner Frau Joan (Glenn Close, "Guardians of the Galaxy") und dem Sohn David (Max Irons, "Das krumme Haus")
zur Verleihung nach Stockholm, allerdings zeigen sich bereits auf dem Flug
Spannungen innerhalb der Familie, welche sich nach der Ankunft in Schweden weiter
steigern. Denn David ist ebenfalls ein angehender Schriftsteller, der sich von
seinem Vater jedoch geringgeschätzt fühlt und deshalb zunehmend gereizt agiert.
Und Joan, die nach der Hochzeit mit Joe – der damals ihr Literaturdozent an der
Uni war – vor rund 35 Jahren ihre eigenen künstlerischen
Ambitionen auch wegen der mangelnden Erfolgsaussichten weiblicher Autoren zu
dieser Zeit aufgab, fühlt ihren Beitrag zu Joes Erfolg zu wenig gewürdigt.
Zusätzliches Salz in die Wunden streut der hartnäckige Journalist Nathanial Bone (Christian
Slater, TV-Serie "Mr. Robot"), der mit oder ohne dessen
Einverständnis eine Biographie über Joe schreiben möchte und davon überzeugt
ist, in Wirklichkeit wäre Joan die Autorin von Joes Büchern …
Kritik:
Frage: Was haben folgende Filme gemeinsam: "Garp
und wie er die Welt sah", "Der große Frust", "Der
Unbeugsame", "Eine verhängnisvolle Affäre", "Gefährliche
Liebschaften", "Albert Nobbs" und "Die Frau des
Nobelpreisträgers"? Antwort: Glenn Close spielt darin eine wichtige Rolle,
für die sie jeweils für einen OSCAR nominiert wurde – jedoch nie gewann. Das ist
eine Schande, denn zumindest für ihre wunderbar manipulative Adlige in "Gefährliche Liebschaften" hätte sie
den Goldjungen auf jeden Fall verdient gehabt (wobei man zugegebenermaßen kaum
behaupten kann, die tatsächliche Gewinnerin Jodie Foster hätte ihn für ihre
beeindruckende Leistung in "Angeklagt" nicht verdient). Nun sollte
mit "Die Frau des Nobelpreisträgers" endlich alles gut werden:
Glenn Close war klare Favoritin, sie gewann die meisten wichtigen
Preise der Awards Season 2018/2019 inklusive des Golden Globes – und unterlag
doch bei den OSCARs überraschend Olivia Colman. So sehr ich der vor allem aus
hochwertigen TV-Serien bekannten Britin den Academy Award für ihre
leidenschaftliche und mutige Darstellung der kränkelnden Queen Anne in Yorgos Lanthimos'
satirischem Geniestreich "The Favourite" gönne: Nach der Sichtung von
"Die Frau des Nobelpreisträgers" muß ich sagen, daß die
falsche Schauspielerin ausgezeichnet wurde. Denn Closes Darbietung in
Björn L. Runges schwedisch-amerikanischer Adaption eines Romans von Meg
Wolitzer ist schlichtweg atemberaubend und sie hebt ein gut geschriebenes, aber
doch recht konventionell inszeniertes, kammerspielhaftes Charakterdrama auf eine höhere Ebene!
Bereits in den ersten Minuten wird die Klasse von Closes
Darbietung offenbar. Als am frühen Morgen der ersehnte Anruf aus Stockholm
kommt, hört Joan am zweiten Apparat mit, wie ihr Gatte über den Gewinn des
Nobelpreises informiert wird – und während sich Joan zunächst aufrichtig
mitfreut, verändert sich ihre Reaktion ganz subtil, als der Vertreter des
Nobelkomitees die Begründung für die Auszeichnung vorliest: Ihre Gesichtszüge
versteinern plötzlich – nur ein kleines bißchen, aber für den aufmerksamen
Zuschauer doch unverkennbar –, und die Freude wird von etwas durchzogen, was
Melancholie sein kann, Wehmut, vielleicht auch Verbitterung. Diese
Interpretation bleibt zunächst offen, da uns schlicht die nötigen Informationen fehlen,
um Joans Gefühle passend einordnen zu können; eines allerdings ist ab diesem
schauspielerisch außerordentlichen Moment klar: Es geht hier etwas vor, von dem
wir noch nicht wissen, und es muß mit Joans Anteil an Joes Arbeit zu tun haben
– ob es nun um konkrete Schreibarbeiten geht oder eher um die ideelle und
praktische Unterstützung im Hintergrund, indem sie sich um alles gekümmert hat.
Im Lauf der gut eineinhalb Stunden, so viel kann ich verraten, werden wir
einige Erkenntnisse zu dieser Frage erhalten, doch bis dahin bleibt uns Rätselraten sowie die Interpretation der vielen Hinweise, die wir durch
Gespräche, Gesten und Mimik der handelnden Personen erhalten. Dabei fungiert der von
Christian Slater routiniert charismatisch bis schleimig verkörperte Nathanial durch hartnäckige bis impertinente Nachfragen quasi als Multiplikator, der die Geschehnisse immer wieder vorantreibt und beschleunigt und besonders mit Joan einige wunderbar intensive Momente teilt.
Das alte Ehepaar, dessen Beziehung voller Liebe, aber auch
voller aufgestauter Frustration und Vorwürfe ist, nimmt man Close und Pryce
jederzeit ab, ein glaubwürdigeres Leinwand-Ehepaar kann man sich in der
Tat kaum vorstellen. Und so selbstsicher und charmant (am Rande der
Selbstverliebtheit) Pryce als Joe öffentlich auftritt, kontrastiert er auch
noch perfekt mit Closes eher schüchterner, zurückhaltender Joan, was deren
Gefühlsaufruhr nur umso glaubwürdiger wirken läßt. Für etwas Abwechslung in der
Handlung sorgen gelegentliche Rückblenden in die 1950er und 1960er Jahre,
also jene Zeit, in der der junge, verheiratete Dozent Joe (Harry Lloyd,
"Die Entdeckung der Unendlichkeit") und seine ambitionierte Studentin
Joan (Annie Starke in ihrem Filmdebüt, abgesehen von einer Statistenrolle in
"Albert Nobbs" – mit Glenn Close in der Hauptrolle) sich kennen und
lieben lernten. Tatsächlich dienen diese Rückblenden aber nicht nur der
Auflockerung, sondern vermitteln dem Publikum wichtige Hintergrundinformationen
über diese starken Persönlichkeiten und darüber, warum Joan das
Schreiben überhaupt aufgab (das hat viel mit der von "Downton
Abbey"-Star Elizabeth McGovern in einem kurzen Gastauftritt verkörperten
Schriftstellerin Elaine Mozell zu tun). Die Handlung entwickelt sich derweil
relativ vorhersehbar, ohne langweilig zu werden, wobei das wie gesagt in
erster Linie den grandiosen Schauspielern zu verdanken ist. Nur mit dem Ende,
ohne es spoilern zu wollen, bin ich nicht wirklich zufrieden, denn es fühlt
sich ein Stück weit … vielleicht nicht direkt feige an, aber auf jeden Fall ist
es sehr bequem und liefert eine simple Auflösung für die
angestauten Konflikte, die dem Rest der Handlung meines Erachtens nicht
gerecht wird. Das ändert nichts daran, daß "Die Frau des Nobelpreisträgers"
vor allem für Bewunderer großartiger Schauspielkunst absolut sehenswert ist, es
führt aber definitiv zu Abzügen in der B-Note.
Fazit: "Die Frau des Nobelpreisträgers" ist
ein intensives, gut geschriebenes und konstruiertes Charakter- und Ehedrama,
dessen größter Trumpf die meisterhafte, OSCAR-würdige Leistung von
Hauptdarstellerin Glenn Close ist.
Wertung: 7,5 Punkte.
"Die Frau des Nobelpreisträgers" erscheint am 10. Mai 2019 von capelight pictures auf DVD und Blu-ray, Herzstück des Bonusmaterials ist ein halbstündiges Featurette mit informativen Interviews mit Besetzung und Crew. Eine Rezensionsmöglichkeit wurde mir freundlicherweise von capelight pictures zur Verfügung gestellt.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger Bestellungen über einen der amazon.de-Links in den Rezensionen oder über das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
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Screenshots: © capelight pictures
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