Originaltitel: Mary Queen of Scots
Regie: Josie Rourke, Drehbuch: Beau Willimon, Musik: Max
Richter
Darsteller: Saoirse Ronan, Margot Robbie, Martin Compston,
James McArdle, David Tennant, Jack Lowden, Joe Alwyn, Ismael Cruz Cordova,
Adrian Lester, Guy Pearce, Brendan Coyle, Gemma Chan, Simon Russell Beale, Ian
Hart, Izuka Hoyle, Eileen O'Higgins, Maria Dragus
FSK: 12, Dauer: 125 Minuten.
Maria Stuart (Saoirse Ronan, "Brooklyn"), Königin
von Schottland mit Ansprüchen auf den von der kinderlosen Elizabeth I. (Margot
Robbie, "I, Tonya") besetzten englischen Thron, kehrt nach Jahren aus
Frankreich in ihre Heimat zurück. Dort war ihr Halbbruder James (James McArdle, "Star Wars Episode VII")
in ihrer Abwesenheit Regent, die Macht gibt er eher ungern an Maria ab. Auch
sonst gibt es etliche Kritiker ihrer Machtübernahme, allen voran den
protestantischen Fanatiker und Frauenhasser Robert Knox (David Tennant), welcher
den protestantischen Teil der Bevölkerung gegen die katholische schottische
Königin aufhetzt. So muß sich die gerade einmal 18-jährige Maria ständig mit
Intrigen und Ränkespielen herumschlagen, sowohl was die Rivalität mit Elizabeth
angeht als auch mit ihren innerschottischen Widersachern. Ein ganz entscheidender Punkt
ist Marias Wahl eine Gemahls – soll sie im Sinne des Friedens einen englischen
Adligen wie den von Elizabeth vorgeschlagenen Robert Dudley (Joe Alwyn,
"The Favourite") oder den schottischstämmigen Henry Darnley (Jack
Lowden, "Dunkirk") ehelichen oder lieber einen schottischen Edelmann, was ihre
Machtposition in ihrer Heimat festigen, aber den Konflikt mit England anheizen
würde?
Kritik:
Die tragische Geschichte der schottischen Königin Maria
Stuart, deren Leben bis zum Schluß von der Fern-Fehde mit der englischen
Königin Elizabeth bestimmt wurde, ist seit langem eines der liebsten
historischen Themen von Künstlern jeglicher Couleur. Im deutschsprachigen Raum
durften oder mußten das die meisten vermutlich bereits in der Schule
feststellen, wo Friedrich Schillers Tragödie "Maria Stuart"
vielerorts zum Pflichtprogramm gehört – weniger bekannt ist vermutlich,
daß es sogar Opern über sie gibt (u.a. von Gaetano Donizetti), außerdem diverse
Theaterstücke (u.a. von Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek), klassische sowie moderne Lieder, TV-Serien wie zuletzt "Reign" und selbstredend
Dutzende Filme überall auf der Welt. Tatsächlich gilt der 15-sekündige
"The Execution of Mary Stuart", 1895 von keinem geringeren als Thomas Alvar
Edison gedreht, sogar als erster Historien"film" überhaupt; weitaus
bekannter sind natürlich John Fords "Maria von Schottland" (1936) mit
Katharine Hepburn, der deutsche "Das Herz der Königin" (1940) mit
Zarah Leander und der für fünf OSCARs nominierte "Maria Stuart, Königin
von Schottland" (1971) mit Vanessa Redgrave. Da stellt sich die Frage:
Braucht die Welt noch eine Version der altbekannten Geschichte? Die
britische Theatermacherin Josie Rourke beantwortete diese Frage für sich mit
einem klaren "Ja!" und hat dafür in der Theorie sogar ein paar gute
Argumente auf ihrer Seite. So ist es vermutlich keine schlechte Idee, diese
epische Geschichte zweier mächtiger Frauen in einer von Männern dominierten
Welt einmal von einer Frau erzählen zu lassen (wenn auch auf
Grundlage eines Drehbuches des eindeutig männlichen "House of
Cards"-Schöpfers Beau Willimon), zumal wenn sie diese Geschichte
erklärtermaßen feministisch anlegt und betont modern und mit diverser
Besetzung erzählt. In der Praxis funktioniert dieser interessante Ansatz allerdings
nur sehr bedingt, da "Maria Stuart, Königin von Schottland"
fragwürdige Storyschwerpunkte setzt und trotz einiger Anzüglichkeiten merkwürdig
altbacken wirkt, zudem seinen beiden großartigen Hauptdarstellerinnen erst in den
letzten 10 oder 15 Minuten die Möglichkeit einräumt, wirklich in ihren Rollen
aufzugehen und schauspielerisch zu glänzen.
Ungünstig ist für "Maria Stuart, Königin von
Schottland" in diesem Zusammenhang auch, daß er nahezu zeitgleich zu Yorgos
Lanthimos' zehnfach OSCAR-nominiertem "The Favourite" in die Kinos
kam (mit dem sich "Maria Stuart" den Darsteller Joe Alwyn teilt) – ebenfalls ein von Frauenfiguren getragener britischer Historienfilm, der
sich jedoch einer weit weniger bekannten Geschichte mit der selten in Film
und TV thematisierten Königin Anne (eine Stuart übrigens) widmet und dies mit
messerscharfem satirischen Witz und beeindruckender inszenatorischer Kunstfertigkeit
tut. Da kann Josie Rourkes handwerklich mehr als solider (was immerhin mit drei
OSCAR-Nominierungen belohnt wurde), aber erheblich konventioneller erzählter
Film nicht ansatzweise mithalten und wirkt gleich noch gestriger als es schon ohne
diesen unvorteilhaften direkten Vergleich der Fall wäre. Hinzu kommt, daß
"Maria Stuart" einen relativ langen und ungemein ereignisreichen
Abschnitt im Leben der Titelfigur abbildet, dafür aber logischerweise nur zwei
Stunden Zeit hat, wohingegen er etwa in der 2018 beendeten US-Serie
"Reign" die ganze finale Staffel in Anspruch nahm. Wer sich mit
Maria Stuarts Geschichte einigermaßen auskennt, dem wird also nicht entgehen, daß
speziell die politischen Ränkespiele sehr gehetzt wirken (für die arg
seifenopernhaft inszenierten Liebeleien nimmt man sich bedauerlicherweise
mehr Zeit); und wer weitgehend unvorbelastet an den Film herangeht, der wird
mit ziemlicher Sicherheit große Probleme haben, die gut ein Dutzend
wichtigen Figuren und ihre Konstellation untereinander auseinanderzuhalten. Es
wirkt, als würden die wichtigen Geschehnisse in dieser Phase von Marias Leben –
die mit 18 Jahren noch immer ein Stück weit ein Kind ist, jedoch schnell erwachsen
werden muß, um am Leben und an der Macht zu bleiben – pflichtschuldig und
inspirationslos abgehakt, ohne daß die komplexen Hintergründe wirklich erklärt
oder dem Publikum gar Interpretationen angeboten würden. Somit verfehlt Rourkes Film den notwendigen emotionalen
Eindruck, da einem die allermeisten Figuren fremd bleiben.
Das ist schon deshalb schade, weil die Besetzung von
"Maria Stuart, Königin von Schottland" über jeden Zweifel erhaben ist
(auch wenn man leidenschaftlich über die Sinnhaftigkeit dessen diskutieren
kann, daß Rourke die Ethnien einiger historischer Persönlichkeiten
änderte, um ein diverseres Ensemble zu ermöglichen). Doch speziell die Männer
wie der als Fanatiker Knox kaum zu erkennende Ex-"Doctor Who" David
Tennant sind großteils Staffage, was auch daran liegt, daß keiner von ihnen
den ganzen Film über präsent ist. Mal spielt Heiratskandidat Dudley für ein
paar Minuten eine Rolle, dann ist es der berechnende Darnley, zwischendurch
darf Knox ein bißchen hetz-predigen und Marias wankelmütiger Halbbruder James
taucht ebenfalls immer wieder mal auf. Aber gut, im Mittelpunkt steht nunmal Maria
und die wird von OSCAR-Nominee Saoirse Ronan erwartungsgemäß gut gespielt. Vor
allem gelingt es ihr sehr überzeugend, die Ambivalenz der Figur auf die
Leinwand zu transportieren, denn Maria kann einerseits ungemein einfühlsam und
freundlich sein, andererseits aber auch fast unerträglich arrogant und
herrisch – durchaus passend zu der Lebensphase zwischen Jugend und
Erwachsensein, die bekanntlich schon für "normale" Teenager
kompliziert ist und umso mehr für jemanden wie Maria, die nie eine echte
Kindheit haben durfte und immer mit dem unmenschlichen Druck leben mußte, der
auf ihr als schottischer Königin und potentieller englischer Herrscherin
lastete. Trotzdem hat es seinen Grund, daß Ronan für "Maria Stuart"
weit weniger Preise und Nominierungen erhielt als man im Vorfeld vermutet
hätte – das ist aber nicht ihre Schuld, sondern die eines Drehbuches, das es
dem Publikum alles in allem nicht ermöglicht, Maria nahezukommen; ihr
Wesen und ihre Gefühlswelt werden meist nur an der Oberfläche angekratzt.
Stattdessen verlegt sich der Film auf Seifenoper-Elemente (ähnlich wie in der
TV-Serie "Reign", die jedoch generell keinen großen Anspruch auf
historische Korrektheit anmeldete), die nicht richtig zum sonst
nüchtern-ernsthaften Erzählstil passen wollen und trotz erstaunlich vieler
(zahm gefilmter) Sexszenen mangels Einfallsreichtum und überzeugender
Figurenzeichnung eher langweilen.
Mehr Eindruck als Ronans fraglos gute Leistung hinterläßt
etwas überraschend die Australierin Margot Robbie als Königin Elizabeth. Das
liegt ironischerweise auch darin begründet, daß sie viel weniger zu sehen ist als Maria,
denn so wird bei Elizabeth das überflüssige Drumherum
weggelassen und ihre verhältnismäßig wenigen Szenen wirken allesamt
bedeutsam. Manchmal ist weniger eben tatsächlich mehr … Robbie spielt ihre
Rolle sehr authentisch und auch wenn man weiß, wie die Geschichte ausgeht,
gelingt es ihrer Elizabeth besser als Ronans Maria, das Mitgefühl des Publikums
zu wecken. So kann es auch kaum überraschen, daß Ronan ihre beste Performance
am Ende des Films zeigt, als es zu einer (fiktiven) Konfrontation zwischen den beiden rivalisierenden
Herrscherinnen kommt. In dieser längeren Sequenz zeigt Drehbuch-Autor Willimon endlich, was er drauf hat und ermöglicht Maria und Elizabeth einen
ungemein intensiven, stark gefilmten und exzellent gespielten Schlagabtausch
mit stark geschriebenen, einsichtsreichen Dialogen. Schade, daß es dafür eine dermaßen
lange Anlaufzeit brauchte. Die immerhin wird dem Zuschauer
erleichtert durch die Optik mit einer prachtvollen Ausstattung und sehenswerten
Kostümen, auch die Musik von Max Richter ("Feinde") fügt sich passend
ein, ohne allerdings in irgendeiner Art und Weise hervorzustechen. Das gilt
inhaltlich letztlich für den gesamten Film, der die Talente der Beteiligten nur
phasenweise nutzt und ansonsten bedauerlicherweise im Mittelmaß versinkt.
Fazit: "Maria Stuart, Königin von
Schottland" ist ein optisch prachtvoller, jedoch inhaltlich allzu beliebiger
und zugleich überladener Kostümfilm mit Seifenopern-Elementen, der trotz
der guten Besetzung das Publikum nur selten zu fesseln weiß.
Wertung: Knapp 6,5 Punkte (und auch das nur wegen der
letzten 15 Minuten).
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