Regie und Drehbuch: Scott Cooper, Musik: Max Richter
Darsteller: Christian Bale, Rosamund Pike, Wes Studi, Rory
Cochrane, Jesse Plemons, Adam Beach, Jonathan Majors, Q'orianka Kilcher, John
Benjamin Hickey, Ben Foster, Ryan Bingham, Paul Anderson, Stephen Lang,
Timothée Chalamet, Tanaya Beatty, Xavier Horsechief, Robyn
Malcolm, Peter Mullan, Bill Camp, Scott Wilson, David Midthunder, Gray Wolf Herrera, Scott Shepherd
FSK: 16, Dauer: 134 Minuten.
New Mexico, 1892: Captain Joe Blocker (Christian Bale,
"The Big Short") steht kurz vor seiner Pensionierung, doch einen
letzten Auftrag soll der Veteran der Indianerkriege noch erfüllen: Zu seiner
großen Verärgerung soll er ausgerechnet seinen bislang inhaftierten Erzfeind,
den an Krebs sterbenden Cheyenne-Häuptling Yellow Hawk (Wes Studi, "Der mit dem Wolf tanzt"), mit dessen Familie zum heiligen Stammesgebiet der
Cheyenne in Montana eskortieren. Widerwillig macht er sich mit vier Soldaten
auf den beschwerlichen Weg, der schon bald noch schwieriger wird – denn sie
stoßen auf die traumatisierte Rosalee Quaid (Rosamund Pike, "Gone Girl"), die als einzige einen Überfall marodierender Komantschen auf die
Farm ihrer Familie überlebt hat. Besagte Komantschen sind nun auch hinter Blockers
Truppe her, weshalb Chief Yellow Hawk Blocker beschwört, ihn und seine
Familienmitglieder zu bewaffnen; denn nur gemeinsam hätten sie eine Chance, die
numerisch überlegenen Komantschen abwehren …
Kritik:
"Die amerikanische Seele ist in ihrer Essenz hart, verschlossen
und mörderisch." Mit diesem wenig schmeichelhaften Zitat des britischen Schriftstellers D. H.
Lawrence ("Lady Chatterleys Liebhaber") eröffnet "Feinde –
Hostiles", der beste US-Western seit mehreren Jahren. Dieses uramerikanische
Genre ist bekanntlich nicht mehr ansatzweise so stark in den Kinos vertreten wie es bis in die 1970er Jahre hinein der Fall war, allerdings
gibt es immer noch regelmäßig neue Western – und auch gute neue Western
("Django Unchained", "Open Range", "Bone Tomahawk", "True Grit", "The Revenant").
Erfreulicherweise reiht sich "Feinde" hier ganz weit oben ein, auch
wenn das Freunde klassischer Western vielleicht nicht ganz so sehen werden. Denn
"Feinde" ist eher ein charakterzentriertes Westerndrama á la
"Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" und
wird entsprechend bedächtig erzählt. Schießereien gibt es zwar auch ein paar,
die Höhepunkte des Films liegen jedoch klar in den dialog- und
charaktergetriebenen Szenen, was ungeduldigere Zuschauer stören könnte. Im Zusammenspiel mit einer bis in die heutige Zeit hinein relevanten
Erzählung von Haß, Vorurteilen und Vergebung sowie einer bis in
kleine Nebenrollen exzellenten Besetzung ergibt das ein nicht
makelloses, aber sehr eindrucksvolles kleines Meisterwerk des Genres.
Wie so viele Spätwestern, die nach der Niederlage der
Ureinwohner spielen, ist auch "Feinde" von einer großen Melancholie
und Traurigkeit geprägt. Sämtliche Charaktere sind auf irgendeine Art und Weise beschädigt, ob es die nach der Ermordung ihrer gesamten Familie
verzweifelten – oder sogar gebrochenen, wie Blockers Kamerad und bester Freund
Tommy (Rory Cochrane, "Oculus") meint – Rosalee ist oder die Soldaten
und Indianer, die ganz entscheidend von ihren Erlebnissen während der
Indianerkriege geprägt wurden. Christian Bale spielt den haßerfüllten Joe mit
einer ähnlichen brütenden Stoik wie Joaquin Phoenix den gleichnamigen,
ebenfalls vom Krieg traumatisierten Protagonisten des Arthouse-Rachedramas "A Beautiful Day". Captain Joe Blocker wurde von Jahrzehnten des gnadenlosen Kampfes gegen die Ureinwohner
abgestumpft, das ist ihm selbst völlig klar. Nur sein Haß gegen alles
Indianische lodert noch immer und läßt ihn wütend aufbegehren, als Col. Briggs
(Stephen Lang, "Don't Breathe") ihm seinen Auftrag erteilt. Das zeigt
zumindest, daß ihm noch nicht alles egal ist – ganz anders ergeht es seinem
langjährigen Kameraden Tommy Metz, der stets von bleierner Schwere umhüllt
scheint – jene Szene, in der er seine Gemütslage dem gerade erst von der Ausbildung in der
Militärakademie West Point angekommenen Lieutentant Rudy Kidder (Jesse Plemons,
"Game Night") enthüllt, zählt zu den stärksten des gesamten Films.
Auf der anderen Seite sieht es bei den Ureinwohnern nicht
viel besser aus. Chief Yellow Hawk und seine Familie nehmen die Geschehnisse
scheinbar gelassen hin – angesichts jahrelanger Einkerkerung auch
ihrer Kinder in ziemlich kleinen Käfigen (das kennen wir doch irgendwoher?) kaum verwunderlich.
Wir erfahren nach und nach, daß sich Yellow Hawk und Blocker gar nicht so sehr
unterscheiden – beide zählten zu den gefürchtetsten Kämpfern ihrer
Seite und beide begingen unaussprechliche Verbrechen gegen die Menschheit, die
sich tief in ihre verwundete Seele eingebrannt haben. Und auch die
marodierenden Komantschen wurden wohl durch ihre Erfahrungen geprägt und verhärtet,
Yellow Hawk meint sogar, sie hätten einfach ihren Verstand verloren.
Unvorstellbar, daß es hier irgendeine Annäherung geben kann – oder? Nunja, bei
den Komantschen ist das in der Tat aussichtslos, doch die Soldaten und die
Cheyenne gelangen in der Tat langsam zu etwas mehr Verständnis füreinander.
Mitentscheidend dafür ist Rosalee, mit wahrlich herzzerreißender
Inbrunst verkörpert von Rosamund Pike in einer der besten Rollen ihrer
Karriere. Auch die Cheyenne haben Mitleid mit ihrem grausamen Schicksal – und
nach sehr verständlichem anfänglichen Zögern läßt Rosalee die Fürsorge speziell
von Yellow Hawks Schwiegertochter Elk Woman (Q'orianka Kilcher, "The New
World") und ihrem kleinen Sohn Little Bear (Xavier Horsechief) zu. Diese
kleinen Momente der Menschlichkeit hinterlassen bei Blocker und seinen
Männern Eindruck und zeigen, daß der Weg zu gegenseitigem Verständnis und
Vergebung zwar ein sehr langer und steiniger ist, aber durchaus beschritten
werden kann.
Manche Kritiker bemängeln an "Feinde" eine zu
wenig konsistente Story, doch diese Meinung teile ich nicht. Zwar ist es richtig,
daß es nicht den einen entscheidenden roten Faden in der Handlung gibt (mal
abgesehen von der Reise an sich, die aber natürlich nur Mittel zum Zweck ist),
aber gerade diese durch den ausgeprägten Roadmovie-Aspekt bedingte
Themenvielfalt hat mir ausnehmend gut gefallen. Sicherlich kann der Regisseur und
Drehbuch-Autor Scott Cooper ("Black Mass") dadurch nicht in jedes Thema gleich
tief eindringen und ist manchmal zu etwas plakativen Szenen gezwungen, aber
sein Manuskript ist intelligent und überlegt genug, um das durch besonders
eindringliche Dialoge und Momente aufzuwiegen. Dazu trägt die
hervorragende Arbeit des japanischen Kameramanns Masanobu Takayanagi ("The Grey") bei, der nicht nur die westerntypischen Breitwandszenerien der
nordamerikanischen Wüsten- und Steppenlandschaft atmosphärisch einfängt, sondern
auch immer wieder in intimeren Momenten beeindruckt – wie in jener Szene, in
der Rosalee und Blocker nachts nebeneinander im Zelt liegen, während es draußen
in Strömen regnet: Von Rosalee ist in der Dunkelheit nur der Kopf zu sehen,
wodurch sich der Eindruck ergibt, als liege sie in einem nicht ganz zugeschaufelten Grab;
eine treffende Metapher angesichts ihres Gemütszustandes. Auch die
elegische, gefühlsstarke Musik des Deutsch-Briten Max Richter ("Into the Forest") trägt ihren Teil zum ausgesprochen stimmigen Gesamtbild bei. Das gilt
ebenso für die Darsteller, die ihre trotz des reichhaltigen Ensembles angenehm
durchdacht ausgestalteten Figuren sehr überzeugend verkörpern. Sogar noch etwas mehr
als Christian Bale haben mich Rosamund Pike und Rory Cochrane beeindruckt, doch
auch Wes Studi, der vielbeschäftigte frühere "Breaking Bad"-Star Jesse Plemons,
Ben Foster ("Hell or High Water", als Ex-Soldat, der wegen Mordes zu
seiner Hinrichtung überführt werden soll und argumentiert, er habe nichts
anderes getan als Blocker und Yellow Hawk – nur eben nicht im Krieg), Kino-Debütant
Jonathan Majors (als schwarzer Corporal Woodson, der lange gemeinsam mit Blocker
und Tommy gedient hat), OSCAR-Nominee Timothée Chalamet ("Call Me by Your
Name", als unerfahrener französischer Rekrut) und Q'orianka Kilcher
erfüllen ihre Charaktere gekonnt mit Leben.
Um ehrlich zu sein, hat mich "Hostiles"
zwischenzeitlich so sehr begeistert, daß ich ernsthaft darüber nachdachte, ihm
die Höchstwertung zu verleihen. Dafür gibt es aber doch ein bißchen zu
viele kleinere Schwächen, die zwar für sich genommen nicht groß ins Gewicht
fallen, sich aber durchaus summieren. Da wäre etwa ein erstes Drittel, in dem
die Story relativ schwer in Fahrt kommt und das man gewiß ein wenig hätte straffen
können (der Film ist mit über zwei Stunden sowieso recht lang geraten). Auch
wird die Figur der Rosalee in der zweiten Hälfte etwas zu sehr an den Rand
gedrängt. Des Weiteren ist es bedauerlich, daß die indianischen Nebenfiguren weniger
eindrücklich gezeichnet sind. Dafür gibt es nachvollziehbare inhaltliche
Gründe – erstens weigern sich Blocker und seine Männer lange, auch nur mit den
Cheyenne zu reden und zweitens gibt es die Sprachbarriere, denn die Cheyenne
sprechen kaum Englisch und umgekehrt beherrschen nur Blocker und Tommy die Sprache
der Cheyenne –, trotzdem ist es schade, daß in einem Film, der sich so leidenschaftlich der Fürsprache für Versöhnung und gegenseitiges Verständnis verschrieben hat, die
Indianer letztlich doch nur die zweite Geige spielen (wenn auch mit einigen
starken Szenen). Zudem gerät die Annäherung der anfangs so verhaßten Blocker
und Yellow Hawk am Ende arg schnell vonstatten, jedoch läßt sich das in
einem zweistündigen Film wohl kaum vermeiden. Ein paar Logikfehler gibt es
auch (die Art des Vorgehens im Camp der Pelzjäger erscheint
mir jedenfalls nicht wirklich sinnvoll) und zu guter Letzt ist mir das Finale, wiewohl fraglos sehr effektiv, doch etwas zu
plakativ in seiner Aussage geraten. Insgesamt ändert das aber nichts daran, daß
"Hostiles" ein sehr, sehr guter Film ist, der zum Nachdenken anregt. Und vielleicht ist die amerikanische Seele ja doch nicht ganz so hart, verschlossen und mörderisch ...
Fazit: "Feinde – Hostiles" ist ein
melancholisches, aber hoffnungsvolles (und im derzeitigen politischen
Klima wohl sogar besonders relevantes) Spätwestern-Drama mit gut gezeichneten
und durchweg stark gespielten Charakteren sowie einer intelligenten,
einfühlsamen Story, deren Botschaft lange nachhallt.
Wertung: 9 Punkte.
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