Originaltitel: Sicario: The Day of the Soldado
Regie: Stefano Sollima, Drehbuch: Taylor Sheridan, Musik: Hildur Guðnadóttir
Darsteller: Benicio del Toro, Josh Brolin, Isabela Moner, Jeffrey Donovan, Catherine Keener, Elijah Rodriguez, Matthew Modine, Manuel Garcia-Rulfo, Shea Wigham, David Castañeda, Ian Bohen, Raoul Trujillo, Bruno Bichir, Christopher Heyerdahl
FSK: 18, Dauer: 123 Minuten.
Nachdem mutmaßlich von den mexikanischen Drogenkartellen über die Grenze geschmuggelte islamistische Terroristen einen schlimmen Anschlag in einem Supermarkt in Kansas verüben, entschließt sich die US-Regierung zum Gegenschlag. Der auf (oft illegale) Geheimoperationen spezialisierte CIA-Agent Matt Graver (Josh Brolin, "Deadpool 2") und sein Team sollen einen Krieg zwischen den Kartellen in Mexiko auslösen, indem sie Isabela (Isabela Moner, TV-Serie "100 Dinge bis zur Highschool"), 16-jährige Tochter des Kartellchefs Carlos Reyes, entführen und die Tat dem rivalisierenden Matamoros-Kartell anhängen. Da Reyes für die Ermordung der Familie des früheren Staatsanwalts und jetzigen Auftragskillers Alejandro Gillick (Benicio del Toro, "Savages") verantwortlich war, zieht dessen Freund Graver ihn für diese Aufgabe hinzu. Doch trotz aller Vorsichtsmaßnahmen unterschätzen sie die Macht der Kartelle, was zu einem Zwischenfall führt, der die US-Regierung zu einem Rückzieher zwingt und Alejandro und Isabela alleine im Grenzgebiet zurückläßt, gejagt von so ziemlich jedem …
Kritik:
"Sicario", Denis Villeneuves brutaler, für drei OSCARs nominierter Kriegsfilm im Gewand eines Drogenthrillers, war für mich der beste Film, der im Jahr 2015 in die deutschen Kinos kam. Ein atemberaubendes und niederschmetterndes Erlebnis von einem Film, eine von Taylor Sheridan grandios und wendungsreich konstruierte Achterbahnfahrt der Gefühle, die ihresgleichen sucht. Und ein Film mit einem perfekten (wenn auch im größeren Maßstab realistisch offenen) Ende, das bei aller Begeisterung überhaupt nicht nach einer Fortsetzung schrie. Dennoch habe ich mich natürlich gefreut, als die trotz des mittelmäßigen kommerziellen Erfolges angekündigt wurde – denn bislang hat der ehemalige "Sons of Anarchy"-Schauspieler Taylor Sheridan als Drehbuch-Autor mit seinen weiteren Werken "Hell or High Water" und "Wind River" (sowie der TV-Serie "Yellowstone") eine fast makellose Bilanz vorzuweisen. Angesichts seines erneuten Mitwirkens ließ sich auch verschmerzen, daß der vielbeschäftigte Villeneuve aus Zeitgründen nicht zurückkehren konnte, zumal der italienische "Gomorrha"-Regisseur Stefano Sollima ein durchaus adäquater Ersatz zu sein schien. In der Tat liefert Sollima eine überzeugende Arbeit ab; daß "Sicario 2" trotzdem qualitativ relativ deutlich hinter seinem Vorgänger zurückbleibt, liegt überraschenderweise primär an Sheridans Drehbuch. Zwar würde ich definitiv nicht so weit gehen zu behaupten, daß Sheridans Erfolgsserie hiermit ein Ende findet, aber sein "Sicario 2"-Skript zählt sicher nicht zu seinen besten Arbeiten.
Einer der Gründe dafür ist ironischerweise, daß ihm "Sicario" so herausragend gelang, daß die Erwartungen für die Fortführung kaum zu erfüllen waren. Sheridan gibt sich alle Mühe, um die Stärken des ersten Films beizubehalten, ohne sich selbst zu kopieren, aber das muß beinahe zwangsläufig scheitern. Die Actionsequenzen sind von Sollima handwerklich exzellent in Szene gesetzt worden und unterscheiden sich mit der eher statischen Kameraführung von Dariusz Wolski ("Der Marsianer") deutlich von den in den Kämpfen immersiven, sich stets hautnah am Geschehen befindlichen und schnell geschnittenen Bildern von Roger Deakins (die er in den ruhigeren Szenen mit beinahe unwirklich idyllischen Szenerien kontrastierte) im Vorgänger – das ist nicht schlechter oder besser, sondern einfach anders. Schade ist aber, daß trotz des stilistischen Unterschieds viele Shootouts stark an die des ersten Teils erinnern und damit ein wenig an Reiz verloren haben. Die wie in einem actionreichen Kriegsfilm düster wummernde und aggressiv voranpeitschende Musik erinnert speziell bei den Kämpfen derweil so stark an den ersten Teil, daß ich schon dachte, Jóhann Jóhannsson (dem der Film gewidmet ist) hätte sie noch kurz vor seinem völlig unerwarteten Tod im Februar 2018 fertiggestellt – sie stammt jedoch von seiner Landsfrau Hildur Guðnadóttir ("Tom of Finland"). Die Ähnlichkeiten kommen nicht von ungefähr, war Guðnadóttir doch eine langjährige Freundin und künstlerische Partnerin Jóhannssons und dementsprechend gut mit seinem Stil vertraut – und ein bißchen "echter" Jóhannsson ist auch noch da, denn der prägnante Track "The Beast" aus dem ersten "Sicario" findet hier erneut Verwendung. Erheblich problematischer als die Actionsequenzen ist die neue Figurenkonstellation. "Sicario" war gerade wegen der höchst ungewöhnlichen Verwendung der Figur der von Emily Blunt verkörperten idealistischen Kate Macer (und in geringerem Aumaß der ihres jungen, von Daniel Kaluuya gespielten FBI-Partners Reggie) so grandios, die sich als die vermeintliche Protagonistin der Geschichte am Ende als im Grunde genommen vollkommen überflüssig erwies, als eine reine Alibifigur. Dieses Gimmick in der Fortsetzung zu wiederholen, wäre albern gewesen, weshalb ich sehr froh bin, daß Sheridan der Versuchung widerstand, Kate auch nur kurz in die neue Story einzubinden. Da Kate und Reggie nunmal die einzigen echten Identifikationsfiguren in der düsteren Geschichte waren, die "Sicario" erzählte, brauchte man in der sogar noch brutaleren und pessimistischeren Fortsetzung aber einen Ersatz für sie – denn wenngleich der heimlich "Sicario"-Protagonist Alejandro diesmal offen seinen Platz im Zentrum einnimmt, ist er als mitleidloser Auftragskiller (wenn auch mit sehr nachvollziehbarer Motivation) kaum ausreichend, um zu verhindern, daß das Publikum in Depressionen verfällt …
Sheridan hat einen zweiteiligen Ansatz gewählt, um Kate und Reggie vergessen zu machen: Erstens stellt er Alejandro mit der 16-jährigen Isabela eine Jugendliche zur Seite, die nach und nach das Herz des grimmigen Ex-Anwalts berührt und seine vermutlich von ihm selbst lange verloren geglaubte Menschlichkeit offenbart. Zweitens führt Sheridan einen parallelen Strang um den mexikanischstämmigen amerikanischen Teenager Miguel (Elijah Rodriguez) ein, der von seinem Cousin überredet, mit seiner Kenntnis beider Seiten der Grenze sowie seinem legalen US-Paß einem Kartell beim Menschenschmuggel zu helfen. Leider funktioniert dieses Element der Films eher mittelgut, denn als Identifikationsfigur á la Kate taugt Miguel keinesfalls. Zwar ist er durchaus sympathisch und wir können seine Situation und daß der aus einer armen Familie stammende Junge der Versuchung des schnellen Geldes erliegt, nachfühlen; letzten Endes entscheidet er sich aber eben dazu, für ein brutales Kartell zu arbeiten und das läßt sich nur schwer rechtfertigen. Der eigentliche Zweck dieses Handlungsstrangs dürfte sowieso eher sein, daß Sheridan uns auf diese Weise die unschöne Realität des Menschenschmuggels über die Grenze aus unmittelbarer Perspektive näherbringen will – doch das geschieht recht halbherzig und ohne wirklich etwas Neues zu präsentieren. Erst gegen Ende des Films zeigt sich, daß Sheridan sich bei Miguels Geschichte mehr gedacht hat, als es zunächst den Anschein hat. Besser funktioniert von Beginn an das Zweiergespann Alejandro und Isabela. Benicio del Toro hätte schon für "Sicario" einen OSCAR verdient gehabt, in der Fortsetzung zeigt er erneut sein ganzes Können und das dank Isabela sogar noch abwechslungsreicher als zuvor. Das ist auch Jungdarstellerin Isabela Moner zu verdanken, die sich als großes Talent erweist und ihre gut geschriebene Namensvetterin zu einer spannenden Figur macht – gerade weil sie nicht einfach nur eine unschuldige Jugendliche ist, sondern sehr wohl zumindest teilweise über die Tätigkeit und die Untaten ihres Vaters Bescheid weiß. Das Verhältnis, das sich zwischen Alejandro und Isabela entwickelt, ist klar das emotionale Zentrum von "Sicario 2" und zudem das am besten funktionierende Element des Films. Josh Brolin will ich natürlich nicht übergehen, auch der scheinbar zunehmend auf Antihelden abonnierte Kalifornier spielt seine Rolle als zwielichtiger CIA-Agent Matt Graver gewohnt intensiv, verkommt in der zweiten Hälfte jedoch ebenso zur Randfigur wie sein Team um Steve Forsing (Jeffrey Donovan, "Extinction") und die Auftraggeber, namentlich der Verteidigungsminister Ridley (Matthew Modine, "The Dark Knight Rises") und Gravers direkte CIA-Vorgesetzte Foards (Catherine Keener, "Get Out").
Die Parallelen der Handlung von "Sicario 2" zur Realität in den USA der Trump-Ära sind kaum zu übersehen, lassen sich aber offenbar sehr unterschiedlich interpretieren. Während manche Rezensenten sich ähnlich begeistert wie beim ersten Teil zeigten, gab es von anderen scharfe Kritik, gar von einer reaktionären Haltung und (primär von mexikanischen Kritikern) Rassismus war zu lesen. Ich weiß nicht, inwiefern sich Taylor Sheridan bei seinem Drehbuch von realen Entwicklungen hat beeinflussen lassen – direkte Anspielungen gibt es kaum und die Politiker (so negativ sie gezeichnet werden) lassen sich nicht zweifelsfrei einer politischen Richtung zuweisen. Angesichts dessen gehe ich davon aus, daß Sheridan seine Geschichte möglichst neutral und universell halten wollte. Trotzdem läßt sich kaum leugnen, daß die Auftaktsequenz, in der vermeintlich über die Grenze zu Mexiko geschmuggelte Islamisten einen Anschlag in den USA verüben, der Trump-Mauer-Propaganda mächtig in die Hand spielt. Doch erstens ist die Sache gar nicht so, wie sie scheint (auch wenn das spät im Film so beiläufig erwähnt wird, daß es einige Zuschauer wahrscheinlich gar nicht registrieren werden) und zweitens fällt es mir schwer, in einem Film rechtskonservative Propaganda zu sehen, in dem die US-Regierung die Entführung eines 16-jährigen Mädchens anordnet – und das noch nicht einmal ihre schlimmste Tat ist! Wobei – wenn ich bedenke, was Trumps Anhänger bereits alles kritiklos geschluckt haben, bin ich mir gar nicht mehr sicher, ob sie eine solche Vorgehensweise wirklich kollektiv verdammen würden … Aber das wäre dann definitiv nicht Sheridans Schuld, denn er macht über die Reaktionen der Hauptfiguren im Film sehr deutlich klar, daß er dieses Vorgehen nicht gutheißt. Und den Vorwurf mexikanischer Kritiker, in "Sicario 2" würden alle Mexikaner mit Menschenschmuggel zu tun haben, finde ich ehrlich gesagt ziemlich albern – denn ebenso wie in einem Fußballfilm die meisten Rollen mit Fußball zu tun haben, haben in einem Film über Kartelle die meisten Rollen mit kriminellen Machenschaften zu tun. Das bedeutet selbstredend keineswegs, daß irgendwie angedeutet würde, alle Mexikaner seien Kriminelle (und außerdem kommen die Amerikaner im Film kein Stück besser weg)! Zurück zur Handlung: Leider ist so manche Entwicklung recht stark von (un)glücklichen Zufällen abhängig, auch in dieser Hinsicht reicht "Sicario 2" nicht an den ersten Teil heran. Richtig ärgerlich ist aber das ziemlich abrupte und wenig befriedigende Ende – es gibt nicht einfach ein offenes Ende mit Cliffhanger, sondern man merkt klar, daß Sheridan hier gerade einmal die erste Hälfte eines Zweiteilers (den es trotz der erneut eher mittelmäßigen Einspielergebnisse hoffentlich geben wird) abliefert, die nur einen minimalen Abschluß für die zahlreichen Handlungsstränge bietet. Gespannt auf Teil 3 bin ich natürlich trotzdem, hoffe dann aber wieder auf eine Steigerung und ein möglichst rundes Ende für Alejandro und Konsorten.
Fazit: "Sicario 2" ist noch düsterer und noch brutaler als der grandiose Vorgänger geraten, ohne allerdings an dessen erzählerische Qualitäten anknüpfen zu können – trotzdem bietet der Actionthriller ein intensives Seherlebnis mit einem wie gewohnt herausragenden Hauptdarsteller Benicio del Toro.
Wertung: Gut 7 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger Bestellungen über einen der amazon.de-Links in den Rezensionen oder über das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
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