Regie: Anthony und Joe Russo, Drehbuch: Christopher Markus
und Stephen McFeely, Musik: Alan Silvestri
Darsteller:
Robert Downey Jr., Josh Brolin, Chris Hemsworth, Benedict
Cumberbatch, Chris Pratt, Zoe Saldana, Tom Holland, Mark Ruffalo, Chris Evans, Chadwick Boseman, Elizabeth Olsen, Paul
Bettany, Bradley Cooper, Dave Bautista, Scarlett Johansson, Anthony
Mackie, Don Cheadle, Pom Klementieff, Karen Gillan, Peter Dinklage, Benedict
Wong, Danai Gurira, Letitia Wright, Sebastian Stan, Carrie Coon, Tom Vaughan-Lawlor,
Michael James Shaw, Tom Hiddleston, Gwyneth Paltrow, William Hurt, Winston
Duke, Idris Elba, Benicio Del
Toro, Terry Notary, Vin Diesel (Stimme), Sean Gunn, Ross Marquand, Kerry Condon (Stimme), Florence Kasumba, Jacob Batalon,
Samuel L. Jackson, Cobie Smulders, Stan Lee
Thanos (Josh Brolin, "Sicario") kommt! Das ist die wenig verheißungsvolle Botschaft, die Bruce "Hulk" Banner (Mark Ruffalo, "Can a Song Save Your Life?") seinen Mit-Avengers überbringt, nachdem Heimdall (Idris
Elba, "Pacific Rim") ihn mit letzter Kraft via Bifröst zur Erde
befördert, als Thanos und seine Schergen die Raumschiffe überrennen, mit denen
die Asgardianer sich nach der Zerstörung ihrer Heimat (in
"Thor 3") ins Asyl auf der Erde flüchten wollten. Jawohl, Thanos kommt
wirklich – und wie! Schnell wird klar, daß der mächtige Titan die mit Abstand
größte Herausforderung ist, der sich die Avengers je gegenübersahen. Thanos'
Ziel ist es, alle sechs "Infinity-Steine" einzusammeln, die ihn zum fast allmächtigen Herr über das Universum machen würden. Zwei der Steine
befinden sich bekanntlich auf der Erde: Einer wird vom Magier Doctor Strange
(Benedict Cumberbatch) bewacht, der andere ist Teil der künstlichen Intelligenz Vision (Paul Bettany, "Der große Crash"). Die Avengers versuchen, schnell einen Abwehrplan zu entwickeln, allerdings können sie
nach der Ankunft von Thanos' Vorhut eigentlich nur noch reagieren und sind
gezwungen, sich aufzuteilen. Ein kleiner Hoffnungsschimmer ist, daß auch die
"Guardians of the Galaxy" um Peter "Star-Lord" Quill (Chris
Pratt, "Jurassic World") in den Konflikt eingreifen – schließlich ist
Thanos der verhasste Ziehvater von Gamora (Zoe Saldana, "Star Trek") …
Kritik:
Ein eindringlicher Ratschlag vorab: Wer sich auch nur
ansatzweise als Anhänger des Marvel Cinematic Universe betrachtet, der sollte sich
"Avengers: Infinity War" unbedingt anschauen, ohne vorher irgendetwas
darüber zu lesen, sehen oder hören; keine Kritik in der Tageszeitung, kein
Bericht im "heute journal", auf keinen Fall irgendwelche
Ein-Satz-Kommentare bei Twitter und auch nicht die folgende Rezension. In "Infinity
War" kulminiert die penible Vorbereitung von Marvel seit "Iron Man" über zehn Jahre und 18
Filme hinweg in einem Feuerwerk von Action, Dramatik, Humor und bemerkenswert
zahlreichen überraschenden Wendungen, das man so uninformiert
wie nur irgend möglich genießen sollte. Natürlich werde ich in dieser Kritik
keine direkten Spoiler nennen, doch ohne zumindest implizite Hinweise auf den
Handlungsverlauf geht es einfach nicht. Also noch einmal mein Rat: Hier abbrechen und
erst nach Sichtung des Films weiterlesen!
Nachdem das erledigt wäre, gilt es noch eine weitere
Formalie zu klären. Es gibt nämlich zwei Arten, wie man "Avengers:
Infinity War" rezensieren kann: Als Teil des MCU und als Einzelfilm. Auf
Letzteres werde ich an dieser Stelle verzichten, denn wenngleich "Infinity
War" sicherlich auch jenen gute, actionreiche Unterhaltung zu bieten hat,
die nur gelegentlich mal einen Film aus der Reihe gesehen haben, ist er doch
eindeutig auf Kenner des Universums zugeschnitten – und für die ist er eine
ziemlich Offenbarung! "Infinity War" ist eben kein Einzelfilm,
sondern der lange geplante (vorläufige) Zielpunkt des so ambitionierten wie
höchst erfolgreichen Projekts "Marvel Cinematic Universe" und deshalb
macht es auch keinen großen Sinn, sich darüber zu beschweren, daß angesichts eines
Ensembles, das mehr als zwei Dutzend wichtige Figuren umfaßt, selbstverständlich viele von
ihnen zu kurz kommen, einige im Rahmen der Handlung nicht einmal wirklich eine
Rolle von Bedeutung innehaben. Ebenso ist es müßig, mangelnden Erklärungen
nachzutrauern, wenngleich ich zugebe, daß man zumindest die zentralen
Infinity-Steine und ihre genauen Auswirkungen oder Kräfte durchaus etwas
genauer hätte erläutern dürfen. Andererseits wurde das vielleicht sogar bewußt
unterlassen, schließlich ist es erstens nicht gesagt, daß überhaupt jemand viel
über die Infinity-Steine weiß und zweitens erfüllt die diesbezügliche Unsicherheit sogar
noch einen nicht unbedeutenden dramaturgischen Zweck. Denn angesichts der
Tatsache, daß man mit den Steinen u.a. Zeit und Realität beeinflussen
kann – auch wenn wir nicht erfahren, in welchem Ausmaß – muß man als Zuschauer
jederzeit die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß die präsentierten Ereignisse
nicht endgültig sind. Das sorgt dafür, daß man beständig mit allen Superhelden
mitzittert, weil es bei jedem von ihnen absolut glaubwürdig wäre, daß er oder
sie stirbt – schließlich bestünde die (vage) Möglichkeit, daß es am
Ende doch nicht dabei bleibt. Und wenn dann tatsächlich jemand stirbt, hat man
immer noch zumindest ein bißchen Hoffnung. Die Emotionen und die Spannung
werden also einerseits beinahe ins Unermeßliche getrieben, ohne sie andererseits
wegen des Elements der Unsicherheit eskalieren zu lassen. Geschickt gemacht.
Daß man Thanos, der mit meistens nur kurzen Auftritten seit
"The Avengers" lange eher als Schreckgespenst des MCU galt denn als
ernstzunehmender Gegenspieler, nicht auf die leichte Schulter nehmen darf,
macht "Infinity War" noch vor Einblendung des Titels eindringlich klar. Die Handlung setzt unmittelbar nach dem Cliffhanger von "Thor:
Tag der Entscheidung" ein und demonstriert in Windeseile, wozu der Titan fähig
ist. Doch Thanos überzeugt nicht einzig mit seiner Macht, seiner Raffinesse und
seiner gnadenlosen Brutalität – nein, zu einem brillanten Bösewicht, wie ihn
das MCU bisher nur einmal zu bieten hatte (in Person von Tom Hiddlestons Loki,
der hier leider nur einen Kurzauftritt absolviert), machen den von Josh Brolin
via Motion Capturing vortrefflich verkörperten Thanos sein beachtliches
Charisma und auch seine Mission. Denn er ist kein typischer größenwahnsinniger,
machtgieriger und/oder rachsüchtiger Despot und Eroberer, sondern auf seine
ganz eigene Weise ist sogar er der wirkliche Held, der das Universum retten
will. Zugegeben, seine auf eiskalte Art sinnvolle Motivation ist nicht ganz neu (Kennern der "Mass
Effect"-Spiele wird sie beispielsweise bekannt vorkommen), aber
allemal interessanter und emotional befriedigender als der x-te Klischeeschurke
– wie sie ja auch im MCU nicht so selten vorkommen. Thanos' eindrucksvolle Präsenz
macht ihn sogar zu so etwas wie dem MVP ("Most Valuable Player") von
"Infinity War", dessen Auftritte mächtig Eindruck schinden.
Dafür sorgt auch seine enge persönliche Verbindung zu Gamora und ihrer
Schwester Nebula (Karen Gillan, "Jumanji 2"), die Thanos zwar hassen
und ihn unbedingt stoppen wollen, aber in ihren Gefühlen dennoch ein Stück weit
zwiegespalten sind. Die wenigen gemeinsamen Szenen dieses Trios verleihen vor
allem Thanos mehr Tiefe und – wenn man es so nennen will – Menschlichkeit,
machen ihn damit greifbarer und wecken erstaunlicherweise sogar so etwas wie
Mitgefühl für ihn, der sich als unverstandenen, aber selbstlosen Heroen
empfindet.
Auf Seiten der Avengers hat derweil Thor (Chris Hemsworth, "Rush") die
gehaltvollste Rolle abbekommen, er muß viel durchleiden, darf dafür aber
auch ein eindrucksvolles, triumphales Comeback feiern. Ansonsten ist die
Screentime der Helden relativ gleichmäßig verteilt, wobei die Aufteilung in
mehrere Gruppen und die stufenweise Einbindung der Avengers dafür sorgt, daß
niemand komplett zu kurz kommt (abgesehen von Hawkeye und Ant-Man, die nur erwähnt werden, aber keinen Auftritt haben). Einen großen Reiz auf die
MCU-Fans machen natürlich die neuen Konstellationen aus, schließlich
treffen sich einige Figuren zum ersten Mal – speziell die Guardians of the
Galaxy hatten bislang ja, abgesehen von Thanos und dem Collector (Benicio Del
Toro, "Savages"), keinerlei Berührungspunkte mit den verbleibenden MCU-Mitgliedern. Und erwartungsgemäß
haben diese Aufeinandertreffen einen sehr hohen Unterhaltungswert: Wenn
Thor und Star-Lord um Gamoras Zuneigung wetteifern, Iron Man (Robert Downey
Jr., "Sherlock Holmes") und Dr. Strange ihre Egos messen oder die Publikumslieblinge Drax (Dave Bautista, "Blade Runner 2049") und Rocket Raccoon (Bradley Cooper, "Silver Linings") in ungewohnter Umgebung wieder einmal köstliche Oneliner absondern, dann sorgt das für die bestmögliche
Ablenkung von den schwerwiegenden bis tragischen Ereignissen, für die Thanos'
Feldzug sorgt. Dank der Romanze zwischen Vision und Scarlet Witch (Elizabeth
Olsen, "Godzilla") gibt es auch etwas fürs Herz, verstärkt durch die Gewißheit, daß
Vision durch seine "Verschmelzung" mit dem Gedankenstein (in
"Avengers 2") am stärksten gefährdet ist. Erfreulicherweise ist es
dem MCU-erprobten Regiebrüdern Joe und Anthony Russo sowie dem Drehbuch-Duo Stephen McFeely und Christopher
Markus (u.a. "Captain America 3") zudem gelungen,
auch Thanos' vier wichtigste außerirdische Helfer eindringlich zu inszenieren, denn durch die verschiedenen
Handlungsstränge und -orte kann der Titan selbst naturgemäß nicht immer zur
Stelle sein. Vor allem Ebony Maw (Tom Vaughan-Lawlor, "Geliebte Jane"), der mit ähnlichen
Kräften wie Dr. Strange ausgestattet ist, und Proxima Midnight (Carrie Coon, "Die Verlegerin")
hinterlassen als Thanos' Stellvertreter Eindruck.
Was "Avengers: Infinity War" zu einem Meilenstein
im Blockbuster-Kino macht, ist allerdings in erster Linie der bewunderswerte Mut
zu überraschenden, sicherlich teilweise auch unpopulären Entscheidungen, mit
dem sich die Handlung entwickelt. Ich will natürlich nicht zu viel verraten,
aber ich bin mir sicher, daß kein Mensch DIESEN Handlungsverlauf
vorhergesehen hat (die Comicvorlage diente wohl nur als lose Inspiration und
dürfte somit ihren Kennern keinen echten Wissensvorsprung verleihen). Läuft in der
ersten Hälfte des mit 150 Minuten bislang längsten MCU-Werks noch alles in etwa so ab, wie es zu erwarten war – Thanos greift an, die Avengers
sammeln sich und veteilen sich dann auf der Suche nach einem Ausweg –, folgt
sodann eine Überraschung auf die nächste. Es gibt sogar einen unerwarteten Rückkehrer (wenn
auch mit neuer Besetzung), auf den ich lange gehofft hatte, jedoch gewiß nicht
ausgerechnet in diesem Film! Wenn man etwas kritisieren will an "Infinity
War", dann ist es wohl vor allem eine etwas zu große Actionlastigkeit, die
ja die meisten MCU-Filme auszeichnet. Ich gebe gerne zu, daß es hier angesichts
des monumentalen Ausmaßes der Bedrohung sogar Sinn ergibt, trotzdem finde ich
die Balance zwischen den tollen Charakter- und Storymomenten auf der einen Seite und
den Actionsequenzen auf der anderen nicht gänzlich ausgewogen. Dabei sind die
Kämpfe inklusive der gewaltigen finalen, von Black Panther (Chadwick Boseman) angeführten Schlacht in Wakanda aber ausgesprochen
unterhaltsam in Szene gesetzt und technisch auf höchstem Niveau (inklusive des
3D-Einsatzes; nur in einer Szene fiel mir ein unscharfer Hintergrund auf), weshalb es für die Spezialeffekte eine OSCAR-Nominierung gab; zudem werden sie von Alan Silvestris ("Ready Player One") abwechslungsreicher, klangvoller Musik effektiv begleitet. Mehr
Spaß machen trotzdem die wesentlich günstigeren Frotzeleien zwischen den Avengers, die auch in den neuen Konstellationen ausnahmslos unheimlich gut miteinander
harmonieren. Das Ende des Films wird derweil sicherlich den einen oder anderen
verärgern, ich finde es hingegen nicht nur sehr mutig und konsequent, sondern
nahezu perfekt – auch wenn das Warten auf den vierten "Avengers"-Film
eine höllische Tortur zu werden droht, begleitet von leidenschaftlichen Diskussionen darüber, wie es weitergehen sollte und wird (ein von Doctor Strange geäußerter Satz dürfte einiges darüber verraten) ...
Fazit: "Avengers: Infinity War" ist ein
Feiertag für jeden MCU-Anhänger, eine atemlose, trotz Überlänge jederzeit
spannende und extrem unterhaltsame Achterbahnfahrt mit überraschendem Handlungsverlauf
und einem großartigen Antagonisten.
Wertung: 9,5 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger Bestellungen über einen der amazon.de-Links in den Rezensionen oder über das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
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