Regie: Angelina Jolie, Drehbuch: Joel Coen, Ethan Coen, Richard LaGravanese und William Nicholson, Musik: Alexandre Desplat
Darsteller: Jack O'Connell, Domhnall Gleeson, Miyavi, Jai
Courtney, Finn Wittrock, Garrett Hedlund, Luke Treadaway, Vincenzo Amato,
Maddalena Ischiale, Alex Russell, C.J. Valleroy, John D'Leo, Travis Jeffery
FSK: 12, Dauer: 137 Minuten.
Als Kind ist Louis Zamperini ein rechter Rabauke. Er klaut,
prügelt sich und trinkt heimlich Alkohol, wobei er sich auch noch immer wieder
von der Polizei erwischen läßt. Daß der Sohn italienischer Einwanderer in die
USA von den anderen Kindern in der Schule gemobbt wird, trägt auch nicht gerade
zu seiner Integration bei. Dann überredet sein älterer Bruder Pete ihn, sein
offensichtliches Talent beim Wegrennen sinnvoll zu nutzen und im Laufteam der Schule zur
Geltung zu bringen. Das erweise sich als grandiose Idee, denn schon bald ist Louis der beste
Langstreckenläufer der Schule, wenige Jahre später darf er als 19-jähriger
sogar an den Olympischen Spielen 1936 in Berlin teilnehmen. Doch der Zweite Weltkrieg unterbricht
seine Sportlerkarriere wenige Jahre später, Louis dient an Bord eines
US-Bombers im Pazifikkrieg. Dort verunglückt das Flugzeug eines Tages über dem Meer, nach seiner Rettung gerät
Louis in japanische Kriegsgefangenschaft …
Kritik:
Obwohl ihr Regiedebüt "In the Land of Blood and
Honey" trotz recht ordentlicher Kritiken ein kommerzieller Reinfall war, bleibt
Angelina Jolie auch bei ihrem zweiten Ausflug hinter die Kamera der
Kriegsthematik treu ("In the Land of Blood and Honey" spielt im
Bosnienkrieg in den 1990er Jahren). Jedoch ist auch der auf einer wahren
Geschichte basierende "Unbroken" kein typischer Kriegsfilm mit großen
Schlachten, stattdessen stellt er eher Randaspekte in den Vordergrund. Dabei läßt sich
die klassische Dreiaktstruktur, an die sich bis heute die meisten Erzählungen mehr oder
weniger konsequent halten, selten so gut nachvollziehen wie hier. Denn eigentlich ist
"Unbroken" nicht ein Film, sondern drei. Der erste Akt
entspricht am ehesten einem "normalen" Kriegsfilm, hier stehen Louis'
Erlebnisse als Teil der Bomberbesatzung im Vordergrund; im zweiten Akt, nach
der Bruchlandung des Bombers im Meer, entspinnt sich ein Survival-Drama á la
"Life of Pi" oder "All Is Lost"; im letzten Akt steht die Kriegsgefangenschaft in einem wenig erbaulichen japanischen Lager im
Mittelpunkt. Leider gelingt es Jolie nicht wirklich, diese drei doch ziemlich
unterschiedlichen Teile zu einem homogenen Ganzen zu verbinden, zudem hat sie
sich – ausgehend von der Qualität der Umsetzung – für eine falsche
Schwerpunktsetzung entschieden.
Denn am besten funktioniert tatsächlich der
"Kriegsfilmteil" zu Beginn. Zugegeben, der ist inhaltlich nicht weltbewegend originell, wenngleich Bomberbesatzungen – die ja eine ziemlich
schizophrene Rolle innerhalb eines Krieges spielen, sind sie doch durch ihre
Bombenabwürfe direkt für unzählige tote Feinde verantwortlich, ohne (sofern sie
nicht abgeschossen werden) jemals direkt mit den Kampfhandlungen am Boden in
Kontakt zu kommen – in Kriegsfilmen noch nicht allzu oft im Blickpunkt standen
(Mike Nichols' beißende Satire "Catch-22" ist wohl die bekannteste
Ausnahme). Aber die actionreiche, vom dafür mit seiner bereits zwölften OSCAR-Nominierung belohnten Kameramann Roger
Deakins ("Skyfall") in beeindruckende Bilder gekleidete Inszenierung
speziell jenes Luftkampfes, in den wir ganz zu Beginn ohne jede Vorwarnung
hineingeworfen werden, läßt das Adrenalin steigen und baut sehr schnell eine
Verbindung zu Louis und seinen Kameraden auf. Auch als es nach der Mission
etwas ruhiger wird, macht Jolie in dieser Phase eigentlich alles richtig und
präsentiert einen mehr als soliden Kriegsfilm.
Dann kommt es zur Bruchlandung und dem folgenden
Überlebenskampf von Louis und einigen seiner Kameraden, die fast ohne Vorräte
in zwei Rettungsbooten über das Meer treiben. Auch dieser Teil der Geschichte
hat schöne Bilder zu bieten, doch inszenatorisch schleichen sich erste Mängel
ein. Trotz überzeugender Schauspielkunst von Louis-Darsteller Jack O'Connell
("300 – Rise of an Empire"), Domhnall Gleeson ("Alles eine Frage der Zeit") und Finn Wittrock ("Noah") gelingt es Angelina Jolie niemals,
die gesamte emotionale Wucht des wochenlangen verzweifelten Überlebenskampfes
auf hoher See greifbar zu machen. Natürlich ist sie in den Details durch die
realen Geschehnisse eingeschränkt und kann folglich keine phantastischen Sperenzchen wie
in Ang Lees "Life of Pi" einflechten, dennoch: Wenn eine solch
dramatische Episode in Louis Zamperinis Leben beim Zuschauer irgendwann zu kaum
noch unterdrückter Langeweile führt, dann läuft da irgendetwas falsch. Und es rächt sich auch, daß Jolie die Rückblenden zu Louis' Vor-Kriegsgeschichte
bereits fast komplett im ersten Akt verbraten hat (der sie gar nicht
nötig gehabt hätte). Dabei würde es doch gerade in der erzwungenen
Tatenlosigkeit des Rettungsbootes anbieten, daß Louis über seine Vergangenheit
nachsinnt und an schönere Tage zurückdenkt. Und dem Publikum würden die Blicke
auf Louis' Kindheit und seine Erlebnisse als Sportler die dringend benötigte
Abwechslung von der weitgehenden Eintönigkeit des zweiten Aktes bringen. Aber
das ist leider nicht der Fall.
Zum Glück werden Louis und die Zuschauer irgendwann erlöst,
wobei es für Louis heißt: Vom Regen in die Traufe, denn die Rettung erfolgt
durch Japaner, weshalb Louis direkt ins nächste Kriegsgefangenenlager gebracht
wird – wo der Olympionike sofort zur primären Zielscheibe des sadistischen
Lagerleiters Watanabe (Miyavi) wird, den die Gefangenen hinter seinem Rücken
"The Bird" nennen. Dieser dritte Akt steht unübersehbar im Zentrum
von Jolies Bemühungen, auch zeitlich nimmt er den größten Teil des deutlich über zweistündigen
Films in Anspruch. Unglücklicherweise. Denn trotz der Erniedrigungen, die Louis immer wieder durchstehen muß, wird "Unbroken" nun erst richtig
ärgerlich. Es gibt so einige großartige Kriegsgefangenenfilme: "Die Brücke
am Kwai", "Gesprengte Ketten", "Furyo – Merry Christmas,
Mr. Lawrence". "Unbroken" würde gerne in dieser Liga mitspielen,
das sieht man ihm jederzeit an. Nur leider versagt er dabei in so ziemlich
jeder nur denkbaren Art und Weise. Sieht man sich die Stärken der genannten Klassiker an, so erkennt man schnell deren Erfolgsgeheimnisse: Großartige
Schauspieler, die hervorragend geschriebene Figuren nunanciert und mit Tiefgang
verkörpern dürfen; raffiniert konstruierte Drehbücher voller intelligenter
Dialoge; authentische Antagonisten auf Augenhöhe. Der
einzige Bereich, in dem "Unbroken" einigermaßen mithalten kann, sind
die Schauspieler. Der britische Hauptdarsteller Jack O'Connell zeigt, warum er als ein kommender Weltstar gilt, und auch der japanische Popstar Miyavi liefert
in seinem Filmdebüt als Louis' bubengesichtiger
Peiniger eine überzeugende Leistung ab. Das Problem: "The Bird" kommt absolut nicht authentisch
rüber. Er ist einfach nur ein sadistischer Bösewicht, auf dessen Motivation
kaum eingegangen wird – und wenn doch einmal, dann auf eine dermaßen
penetrant küchenpsychologische Art und Weise, daß es einfach nur nervt. Damit sich
zwischen Louis und The Bird eine echte, glaubhafte Beziehung entwickeln könnte,
bräuchte es viel mehr. Mehr erzählerischen Feinschliff, mehr Tiefgang in den
Charakteren. Doch das hat "Unbroken" nicht zu bieten, übrigens auch bei
Louis nicht wirklich. Stattdessen baut Jolie vollkommen auf eine fast schon
altmodische Schwarzweißmalerei, die man so heutzutage selbst von
Hollywood-Blockbustern nur noch selten aufgetischt bekommt (kaum zu glauben, daß die Coen-Brüder, denen wir solche Meisterwerke wie "The Big Lebowski" oder "Fargo" zu verdanken haben, am Drehbuch beteiligt waren). Hier die tapferen
US-Kriegsgefangenen – dort die bösen, brutalen Japaner, die auf eine
menschenwürdige Behandlung ihrer Feinde pfeifen. Wobei die Japaner Jolie
offensichtlich sowieso nicht interessieren, denn außer The Bird bleiben sie
eigentlich alle komplett gesichtslos. Man kann natürlich argumentieren, daß es
Jolie hier vorrangig um Louis' persönliches Schicksal ging, außerdem ist es ja
auch bekannt, daß die Japaner im Zweiten Weltkrieg tatsächlich nicht gerade
zimperlich mit ihren Gefangenen umgingen. Dennoch, wie man es besser macht,
haben "Die Brücke am Kwai" und der leider etwas in Vergessenheit
geratene, vom japanischen Regisseur Nagisa Ōshima inszenierte "Furyo – Merry
Christmas, Mr. Lawrence" (mit dem Hauptdarsteller David Bowie!) bewiesen,
zudem: Für einen Film, dessen übergeordnetes Thema die Vergebung ist, die
speziell nach dem Krieg Louis' oberste Devise war, ist eine solch
undifferenzierte Darstellung mindestens am Rande der Propaganda extrem
enttäuschend. Und auf Dauer übrigens auch sehr ermüdend, zumal die Geschichte absolut
nichts Neues zu bieten hat.
So bleibt unterm Strich leider nicht allzu viel Positives,
was ich über "Unbroken" sagen kann. Ja, er ist schön gefilmt und der
erste Akt macht Laune, aber Jolies Unvermögen, jene enge Verbindung zwischen
Figuren und Publikum zu etablieren, die bei einem Film dieser Art unbedingt nötig
ist, um Wirkung zu erzielen, macht ebensoviel kaputt wie die zu
oberflächliche Charakterisierung der Pro- und Antagonisten, die einem spätestens
ab dem dritten Akt bis auf die Hauptfigur Louis Zamperini denn auch kaum im
Gedächtnis bleiben. Außerdem ist Jolies Inszenierung ziemlich einfallslos geraten;
die meiste Zeit über solide, aber fast nie auch nur ansatzweise
überdurchschnittlich. Lediglich in einer einzigen kurzen Szene – die ich an
dieser Stelle aber nicht spoilern will (nur so viel: gemeint ist Tag 28 im
Rettungsboot) – zeigt sie sich inspiriert und läßt Kameramann Deakins eine
denkwürdige Bildkomposition erschaffen. Und dann wäre da noch die Sache mit den
Rückblenden. Wie bereits angedeutet, bin ich mit deren Plazierung im Film sehr
unzufrieden. Jolie zeigt sie allesamt bis kurz nach Beginn des zweiten Aktes,
wobei sie teilweise ziemlich unmotiviert eingefügt werden und einen sogar aus
dem (bis dahin noch vorhandenen) Erzählfluß reißen. Und zu allem Überfluß
ignorieren sie sogar ein wichtiges, spannendes Element von Louis'
Sportlerkarriere. Denn wenngleich Zamperini bei den Olympischen Spielen keine
Medaille gewann, erregte er mit einer sensationellen Schlußrunde die
Aufmerksamkeit Hitlers, der daraufhin um ein persönliches Treffen bat. Im Film
wird das nicht einmal erwähnt, stattdessen enden die Rückblenden mit Louis'
Zieleinlauf in Berlin. Mir ist rätselhaft, was Jolies Intention hinter dieser
Entscheidung war. Vielleicht war es ihr einfach zu aufwendig, für eine kurze
Szene einen überzeugenden Hitler-Darsteller zu engagieren (Bruno Ganz ist dafür
inzwischen wirklich zu alt …); angesichts der Heldenverehrung, die Jolie für ihren Protagonisten in "Unbroken" ungehemmt betreibt, würde ich aber
eher vermuten, daß ihr das Risiko zu groß erschien, Louis' Integrität durch einen höflichen Plausch mit Adolf Hitler zu kompromittieren
(was natürlich albern wäre, schließlich kann man als 19-jähriger Sportler kaum
ein kurzes Treffen mit dem Olympia-Gastgeber ablehnen, der zu dieser Zeit ja
auch noch alles andere als international geächtet war). So oder so: Es ist ein
wenig bezeichnend für einen Film, der mit mehr Mut und Inspiration richtig gut hätte werden können – es aber
nicht wurde.
Fazit: "Unbroken" ist ein allzu erkennbar
auf das US-Publikum zugeschnittenes Kriegs- und Survival-Drama, das zwar viele schöne
Bilder liefert, dramaturgisch und emotional aber nur phasenweise überzeugen
kann und am Ende gar mit plakativer Schwarzweißmalerei nervt.
Wertung: 5 Punkte.
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