Regie und Drehbuch: Robert B. Weide
Interview-Partner: Woody Allen, Letty Aronson, Dick
Cavett, Leonard Maltin, Richard Schickel, Diane Keaton, Larry
David, John Cusack, Martin Landau, Tony Roberts, Sean Penn, Penélope Cruz, Josh
Brolin, Scarlett Johansson, Mariel Hemingway, Owen Wilson, Martin Scorsese, Robert Greenhut,
Charles H. Joffe, Jack Rollins, Marshall Brickman
Am 1. Dezember 1935 wird im New Yorker Stadtteil Brooklyn Allen
Stewart Konigsberg geboren. Noch während seiner Schulzeit sendet er unter dem
Pseudonym "Woody Allen" Witze an große Tageszeitungen, die tatsächlich
immer häufiger von bekannten Kolumnisten verwendet werden. Die so gewonnenen
Kontakte in der Branche nutzt er nach einem kurzen Abstecher auf die
Universität, um sich zunächst als Gagschreiber und wenig später als Stand-Up-Comedian
einen Namen zu machen. Nach diversen TV-Auftritten gewinnt seine Karriere
richtig an Fahrt, als er den Auftrag erhält, das Drehbuch für die Komödie "Was
gibt's Neues, Pussy?" zu verfassen, in der er zudem eine Nebenrolle
spielt. Da er sein Skript im fertigen Film kaum wiedererkennt, beschließt er, in Zukunft nie wieder die kreative Kontrolle über sein Werk
abzugeben – und da "Woody, der Unglücksrabe", sein erster "eigener" Film als Autor und Regisseur, zu einem Überraschungserfolg bei Kritikern
und Publikum avanciert, muß er diesem Vorsatz in den nächsten Jahrzehnten
niemals untreu werden ...
Kritik:
Seit 1982 bringt Woody Allen zuverlässig wie ein Uhrwerk
jedes Jahr einen neuen Film in die Kinos (1987 sogar zwei), bei dem er stets
für Drehbuch und Regie verantwortlich zeichnet und meist auch noch vor der
Kamera zu sehen ist. Alleine für diese erstaunliche Konstanz muß man den
mittlerweile 76-jährigen bewundern – und erst Recht angesichts der Qualität,
die er immer wieder abliefert. Natürlich gibt es auch bei ihm Höhen und Tiefen, weshalb Allen in den
1990er Jahren von vielen Branchenexperten sogar schon abgeschrieben wurde. Aber
bislang hat er sich immer erfolgreich zurückgemeldet und man kann nur
hoffen, daß ihm das noch möglichst lange gelingen wird. Angesichts seiner
klaren Einstellung zum Tod – "I'm strongly against it!" – besteht
durchaus Hoffnung.
Es gibt folglich mehr als genug Stoff für einen Dokumentarfilm
über Woody Allen. Ach was, eigentlich für ein halbes Dutzend Dokumentarfilme,
aber da Robert B. Weide nur einen mit einer Laufzeit von knapp zwei Stunden
gedreht hat, beschränkt er sich klugerweise auf den Komiker und Filmemacher
Woody Allen. Dessen Jazz-Ambitionen werden nur ganz kurz gestreift, auch sein
mitunter skandalumwittertes Privatleben spielt nur eine Nebenrolle. Im Fokus
von "Woody Allen: A Documentary", der in Deutschland übrigens im
Original mit deutschen Untertiteln gezeigt wird, steht seine Arbeit. Weide geht
dabei im Wesentlichen chronologisch vor, wobei Allens frühe Jahre einen klaren
Schwerpunkt des Films bilden – zunächst mit einem kurzen Blick auf seine Kindheit (erstaunlich, wie man Woody Allens markante Gesichtszüge schon in seinen Babyfotos ganz klar identifizieren kann!), dann geht es bereits um seinen Einstieg in die Unterhaltungsbranche.
Dieses Vorgehen entpuppt sich gleich in mehrerer Hinsicht als sehr sinnvoll: Zum einen werden dem Publikum auf diese Weise weitgehend
unbekannte frühe (und teilweise extrem witzige) Auftritte in TV-Shows
präsentiert, was für echte Allen-Fans ein ganz besonderer Hochgenuß ist. Auf
der anderen Seite bietet sich die frühe Phase seiner Karriere auch deshalb für
eine genaue Durchleuchtung an, weil man bei nur wenigen Filmemachern so
anschaulich anhand ihrer Filme verfolgen kann, welch umfassende Entwicklung sie durchlaufen.
Allen begann mit Slapstick-Komödien wie "Bananas"
oder "Der Schläfer" (dessen Drehbuch, wie wir in Weides Film
erfahren, von Science-Fiction-Legende Isaac Asimov
höchstpersönlich abgesegnet wurde) und wagte sich dann mit "Die letzte Nacht
des Boris Gruschenko" (mein Lieblingsfilm von Woody Allen) an
eine umwerfend komische Literatursatire. Seine ersten beiden OSCARs (für Regie und Drehbuch) gewann er für die intelligente, für
das Genre wegweisende melancholisch-humorvolle Romanze "Der Stadtneurotiker", im Anschluß überraschte er mit dem ernsthaften Familiendrama "Innenleben". Mit "Manhattan"
begeisterte Allen erneut Publikum und Kritiker, nur um als nächstes mit seiner vergleichsweise schwer zugänglichen und von vielen als
Publikumsbeschimpfung gedeuteten Schwarz-Weiß-Tragikomödie "Stardust
Memories" für große Irritationen zu sorgen. Und das alles innerhalb von gerade einmal zehn Jahren.
Anhand von Interviews mit Allen selbst, mit den renommierten Filmjournalisten Leonard Maltin und Richard Schickel sowie mit
Weggefährten dieser Zeit wie den Darstellern Diane Keaton oder Tony Roberts und den Produzenten Charles H. Joffe und Jack Rollins wird
Allens kreativer Fortschritt in dieser frühen Phase schlüssig nachvollzogen,
immer wieder untermalt mit aussagekräftigen Szenen aus seinen Filmen. Diesem
Schema folgt Weide auch in Allens weiterer Karriere, allerdings arbeitet er die Zeit ab etwa 1980 deutlich schneller und damit zwangsläufig auch
lückenhafter ab. Wo zu Beginn noch auf fast jeden einzelnen Film mehr oder
weniger ausführlich eingangen wird, werden von seinen späteren Werken etliche
gar nicht erst erwähnt, andere nur kurz und eher alibihaft abgehandelt. Einen auf
den ersten Blick merkwürdig anmutenden letzten Schwerpunkt bildet ausgerechnet
"Ich sehe den Mann deiner Träume" aus dem Jahr 2010, zweifellos einer
von Allens schwächeren Filmen, der von Weide aber ziemlich ausführlich
behandelt wird. Doch dafür gibt es einen naheliegenden Grund, denn "Ich sehe den Mann deiner Träume" war schlicht und ergreifend jener Film, den
Allen gerade realisierte, während ihn Weide für seinen Dokumentarfilm begleitete. Schlechtes
Timing, denn sowohl der vorangegangene "Whatever Works" (der
nicht einmal erwähnt wird) als auch vor allem der nachfolgende "Midnight in Paris", für den Allen seinen vierten OSCAR gewann, wären dafür inhaltlich
weit geeigneter gewesen. Doch auch so ist es interessant,
Impressionen von den Dreharbeiten zu sehen und Allens recht unkonventionell wirkende Schauspielerführung zu verfolgen.
Fazit: "Woody Allen: A Documentary"
ist ein recht konventioneller, aber vor allem in Bezug auf die Frühphase seiner Karriere informativer und sehr unterhaltsamer
Dokumentarfilm über einen der größten Filmemacher und Komödianten der letzten 50
Jahre. Erklärte Fans werden vermutlich nicht allzu viel Neues erfahren, können
sich aber über die frühen TV-Ausschnitte und einen gelungenen Überblick über Allens Werdegang freuen. Wer bislang einfach nur einige Filme von ihm gesehen und
gemocht hat, bekommt durch das hier Präsentierte sicher Lust, tiefer in sein
reichhaltiges Œuvre einzutauchen.
Wertung: 8 Punkte.
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