Regie: Steve McQueen, Drehbuch: Abi Morgan und Steve
McQueen, Musik: Harry Escott
Darsteller: Michael Fassbender, Carey Mulligan, James Badge
Dale, Nicole Beharie, Lucy Walters, Alex Manette
Nach außen hin gibt sich der beruflich erfolgreiche Brandon
Sullivan (Michael Fassbender) als perfekter Gentleman – doch in Wahrheit denkt
er den ganzen Tag über nur an Sex. Er bestellt Callgirls zu sich, hat
One-Night-Stands und befriedigt seine Sexsucht mit Internetpornos, wann immer
es geht. Ein glücklicher Mensch ist Brandon sicherlich nicht, doch als dann
auch noch seine kleine Schwester, die mental leicht labile Sängerin Sissy (Carey
Mulligan, "Der große Gatsby"), auftaucht und sich in seiner Wohnung einquartiert, verkompliziert
sich sein Leben noch stärker ...
Kritik:
In den letzten Jahren ist die Karriere des Deutsch-Iren Michael Fassbender durchgestartet. Ob in Arthouse-Filmen wie "Fish Tank", "Eine dunkle Begierde" oder "Jane Eyre", Genreware wie "Eden Lake", "Centurion" oder "Jonah Hex" oder in Blockbustern wie "Inglourious Basterds", "X-Men: Erste Entscheidung" oder Ridley Scotts "Alien"-Prequel "Prometheus" – Fassbender scheint omnipräsent und seine Rollen werden immer größer. Der Mann, der ihm maßgeblich zu dieser Karriere verholfen hat, ist der britische Regisseur Steve McQueen, weder verwandt noch verschwägert mit der gleichnamigen Leinwandikone aus den 1960er und 1970er Jahren. 2008, als Fassbender bis auf eine Nebenrolle in "300" noch fast ausschließlich als TV-Darsteller beschäftigt war, gab McQueen ihm die Hauptrolle in seinem Nordirland-Drama "Hunger". Zwar war dieser Film bis auf ein paar Achtungserfolge in Ländern wie Großbritannien und Frankreich kommerziell alles andere als ein Erfolg – doch auf den internationalen Festivals erhielt er massig Auszeichnungen und die gesamte Filmbranche wurde aufmerksam auf diesen fast unbekannten Hauptdarsteller mit der beeindruckenden Ausdruckskraft. Drei Jahre später nun also die zweite Zusammenarbeit: Wieder hagelt es Auszeichnungen und Fassbender erhält für seine Rolle als Sexsüchtiger sogar seine erste Golden Globe-Nominierung. Nach Sichtung von "Shame" kann ich zumindest ersteres nicht ganz nachvollziehen, letzteres dafür vollkommen.
In den letzten Jahren ist die Karriere des Deutsch-Iren Michael Fassbender durchgestartet. Ob in Arthouse-Filmen wie "Fish Tank", "Eine dunkle Begierde" oder "Jane Eyre", Genreware wie "Eden Lake", "Centurion" oder "Jonah Hex" oder in Blockbustern wie "Inglourious Basterds", "X-Men: Erste Entscheidung" oder Ridley Scotts "Alien"-Prequel "Prometheus" – Fassbender scheint omnipräsent und seine Rollen werden immer größer. Der Mann, der ihm maßgeblich zu dieser Karriere verholfen hat, ist der britische Regisseur Steve McQueen, weder verwandt noch verschwägert mit der gleichnamigen Leinwandikone aus den 1960er und 1970er Jahren. 2008, als Fassbender bis auf eine Nebenrolle in "300" noch fast ausschließlich als TV-Darsteller beschäftigt war, gab McQueen ihm die Hauptrolle in seinem Nordirland-Drama "Hunger". Zwar war dieser Film bis auf ein paar Achtungserfolge in Ländern wie Großbritannien und Frankreich kommerziell alles andere als ein Erfolg – doch auf den internationalen Festivals erhielt er massig Auszeichnungen und die gesamte Filmbranche wurde aufmerksam auf diesen fast unbekannten Hauptdarsteller mit der beeindruckenden Ausdruckskraft. Drei Jahre später nun also die zweite Zusammenarbeit: Wieder hagelt es Auszeichnungen und Fassbender erhält für seine Rolle als Sexsüchtiger sogar seine erste Golden Globe-Nominierung. Nach Sichtung von "Shame" kann ich zumindest ersteres nicht ganz nachvollziehen, letzteres dafür vollkommen.
Michael Fassbenders Darstellung des Brandon ist in gewisser Hinsicht mit Gary Oldmans grandioser Verkörperung des "Kalten
Kriegers" George Smiley in "Dame, König, As, Spion"
vergleichbar. Beiden gelingt es, zumindest vorgeblich gefühlskalten und nur wenig
sympathisch wirkenden Figuren mit reduzierter Mimik und Gestik, aber einer ungeheuren
Intensität in jedem kleinsten Muskelzucken und jedem Blick Leben einzuhauchen.
Beide tragen ihren jeweiligen Film, Fassbender sogar stärker als Oldman,
da dieser ein ebenso großes wie beeindruckendes Darstellerensemble zur Seite
hat, während Fassbender in fast jeder Szene von "Shame" im
Mittelpunkt steht. Zwar liefert auch Carey Mulligan kurz nach
"Drive" erneut eine hervorragende Leistung ab und die wenigen
Nebenrollen von Bedeutung sind mit zwar wenig namhaften, aber sehr passend
gewählten Schauspielern besetzt – aber Fassbender dominiert den Film.
Leider konnte mich "Shame" dramaturgisch allerdings
nur ansatzweise überzeugen. Wissen Brandons Sex-Eskapaden in der ersten Hälfte
noch zu faszinieren, werden sie anschließend zunehmend redundant und langweilig –
übrigens ist McQueen das Kunststück gelungen, zwar sehr, sehr viel nackte Haut
zu zeigen, bei der Inszenierung der eigentlichen Sexszenen aber jeglichen
übertriebenen Voyeurismus zu vermeiden. Die Handlung selbst ist sehr dünn geraten; zwar gibt es sehr
wohl eine gewisse Entwicklung von Story und Figuren, allerdings beläßt es
McQueen konsequent bei Andeutungen und geht offensichtlich bewußt niemals in
die Tiefe – sein Blick auf das Geschehen bleibt durchgehend distanziert. Auch
bietet er keine Erklärungen für Brandons Sexsucht oder für Sissys Probleme.
Für geübte Arthouse-Zuschauer mag das kein Problem sein und teilweise finde ich
es auch positiv, daß "Shame" voll auf Andeutungen setzt und somit
die Konzentration seines Publikums einfordert – viele Zuschauer werden damit
aber Probleme haben und auch für meinen Geschmack übertreibt es McQueen einfach
mit dieser Art der Inszenierung. Wenn man Brandon und auch Sissy quasi aus
wissenschaftlicher Neugierde als Studienobjekte für Sexsucht und andere
Probleme betrachtet, dann ist das sicher eine Zeitlang interessant. Auf
Dauer fehlt jedoch der emotionale Bezug zu den Figuren und ihren Handlungen.
Zu Beginn gelingt es McQueen noch, für diese Distanziertheit
mit einer fabelhaften, sich über mehrere Tage hinweg entwickelnden und komplett
dialogfreien Flirt-Sequenz zwischen Brandon und einer auf dem Weg zur Arbeit in
der U-Bahn ihm stets schräg gegenübersitzenden jungen Frau (Lucy Walters) zu entschädigen
– doch bleibt das unglücklicherweise die Ausnahme. Einen interessanten Kontrapunkt zum (meist) so
gefühlskalten Brandon setzt dafür übrigens die erstaunlich leidenschaftliche Musik von
Harry Escott, die vor allem in der zweiten Filmhälfte zu großer Form aufläuft.
Fazit: "Shame" ist ein anspruchsvolles und
grandios gespieltes Proträt eines Sexsüchtigen, dessen extreme inhaltliche
Reduziertheit und der Verzicht auf jedliche Erklärungen polarisieren werden. In
Filmkunsthäusern wird er aber mit Sicherheit ein dankbares Publikum finden.
Wertung: 6 Punkte.
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