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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 3. August 2022

ON THE ROCKS (2020)

Regie und Drehbuch: Sofia Coppola, Musik: Phoenix
Darsteller: Rashida Jones, Bill Murray, Marlon Wayans, Jessica Henwick, Jenny Slate, Liyanna Muscat, Barbara Bain, Juliana Canfield, Alva Chinn
On the Rocks (2020) on IMDb Rotten Tomatoes: 87% (7,3); weltweites Einspielergebnis: $1,0 Mio.
FSK: 12, Dauer: 101 Minuten.
Wegen eines kleinen irritierenden Moments beginnt die Schriftstellerin Laura (Rashida Jones, "The Social Network") zu befürchten, ihr Ehemann und Vater ihrer beider Töchter Dean (Marlon Wayans, "G.I. Joe") könnte eine Affäre haben. Ein paar weitere verdächtige Details sowie die Tatsache, daß der Tech-Unternehmer Dean aktuell ständig geschäftlich unterwegs ist und seine Kollegin Fiona (Jessica Henwick, "Underwater") ausgesprochen attraktiv ist, verstärken Lauras Furcht um ihre Ehe. Und als sie ihrem Vater, dem großspurigen und reichen Kunsthändler und Frauenheld Felix (Bill Murray, "Moonrise Kingdom"), am Telefon von der Sache berichtet, ist seine Reaktion auch nicht gerade hilfreich, denn er ist überzeugt, daß Dean sie betrügt. Wenig später taucht Felix vor Lauras Tür auf und überredet sie dazu, Dean zu beschatten und zudem durch seine zahlreichen Kontakte herauszufinden, was er wirklich auf seinen Geschäftsreisen anstellt. Laura hält davon eigentlich nichts, doch andererseits will sie natürlich wissen, wie es wirklich um ihre Ehe steht – und etwas Zeit mit dem charmanten Macho Felix zu verbringen, der in ihrer Kindheit nicht wirklich oft für sie da war, fühlt sich auch nicht so schlecht an ...

Kritik:
Als Sofia Coppola und Bill Murray erstmals zusammenarbeiteten, entstand daraus 2003 ein Stück purer Kinomagie: "Lost in Translation", einer meiner absoluten Lieblingsfilme, ist eine wunderschöne, melancholisch-poetische Tragikomödie, die Murray als seriösen Schauspieler abseits des Comedy-Faches etablierte, ein wichtiger Schritt auf Scarlett Johanssons Weg zum Hollywood-Superstar war und Sofia Coppola für das Drehbuch einen OSCAR einbrachte (und sie damit endgültig von ihrem Vater, "Der Pate"-Regisseur Francis Ford Coppola, emanzipierte). Seitdem verlief Coppolas Karriere allerdings nicht ganz reibungslos. Zwar behauptet sie sich als eine von noch immer eher wenigen Filmemacherinnen in der von Männern dominierten Branche und schuf mit Werken wie "Marie Antoinette", "Somewhere" oder "Die Verführten" eine ganze Reihe sehr solider Filme – doch ein echter (kommerzieller oder künstlerischer) Hit läßt seit "Lost in Translation" auf sich warten. Umso gespannt war die Filmwelt auf Sofia Coppolas Wiedervereinigung mit Bill Murray für die Vater-Tochter-Geschichte "On the Rocks". Kinomagie ist diesmal leider nicht entstanden, dennoch überzeugt "On the Rocks" nach zähem Beginn insgesamt, was mit Coppolas sensibler Leitung ebenso zu tun hat wie mit Murrays gewohnt charismatisch-knorriger Darstellung, die ihm eine Golden Globe-Nominierung einbrachte (und auch Rashida Jones macht ihre Sache gut).

Wie wichtig Bill Murrays Präsenz für "On the Rocks" ist, merkt man in den ersten 20 Minuten – in denen er, abseits eines kurzen Telefonats, abwesend ist. Das Kennenlernen des Publikums mit Laura und ihrer eigentlich harmonischen kleinen Familie ist durchaus sympathisch, dabei aber denkbar unspektakulär geraten und auch das Etablieren von Verdachtsmomenten gegen Dean fühlt sich recht bemüht an. Glücklicherweise wird mit Murrays Ankunft alles besser, denn seine Rolle des alternden, aber unverbesserlichen Schwerenöters Felix wurde ihm von Coppola offensichtlich genau auf den Leib geschrieben. Man schließt den sorglosen und sehr direkten Charmebolzen schnell ins Herz und ist dabei auch bereit, darüber hinwegzusehen, daß sein Verhalten nicht immer ganz politisch korrekt ist. So kann man als Zuschauer nachvollziehen, warum auch Laura ihrem Vater nie lange böse sein kann und sich immer wieder von ihm einwickeln läßt, sogar ein Bedürfnis nach seiner Nähe hat. Felix' Versuche, Dean einerseits mit der Hilfe seiner zahlreichen Kontakte überall in der Welt nachzuspüren und ihn andererseits direkt zu verfolgen, solange er in der Stadt ist, kann man kaum als lehrbuchhaftes Verhalten in einer solchen Situation einstufen – was eigentlich auch Laura klar ist, die Dean klugerweise lieber direkt konfrontieren würde. Aber dafür sind die (harmlosen) Eskapaden der beiden für das Publikum definitiv unterhaltsam mitanzuschauen. Laura ist dabei durchaus bewußt, daß diese Situation, die ihr ganzes zukünftiges Leben entscheiden könnte, für Felix eher ein aufregendes Spiel ist, in dem er zusammen mit seiner Tochter Spion spielen kann – aber sie kann sich ihm einfach nicht entziehen …

Die Resultate der Spionage-Bemühungen halten sich in ihrer Aussagekraft zunächst in engen Grenzen, was nach Felix' Logik immer haarsträubendere Aktionen nötig macht. Und genau davon lebt "On the Rocks", denn die eigentliche Handlung rund um Lauras Verdacht könnte für sich genommen wohl kaum den ganzen Film tragen. Doch das – zwar amüsante, aber letztlich wohlgemerkt stets unspektakuläre – Stalking des ahnungslosen Dean unterhält über die rund eineinhalb Stunden hinweg ordentlich und die Gespräche zwischen dem so unterschiedlichen Vater-Tochter-Gespann wurden von Coppola gut geschrieben, sorgen hin und wieder sogar für ein paar interessante Einsichten in die Familiendynamik. Star des Films ist und bleibt aber Bill Murray, der mit Rashida Jones ein gutes Gespann abgibt, wenn sein Felix ihre eher langweilige Laura auch immer wieder deutlich überstrahlt. Marlon Wayans gibt derweil überzeugend den grundsympathischen Dean und schafft es trotz geringer Screentime, ihn undurchsichtig genug darzustellen, daß man sich bis zum Ende fragt, ob er nun eine Affäre hat oder nicht. Insgesamt ist der von den sanften elektronischen Klängen der französischen Band Phoenix (mit der Sofia Coppola bereits bei "Somewhere" und "Die Verführten" zusammenarbeitete) untermalte "On the Rocks" eine unaufgeregte, jedoch recht vergnügliche Tragikomödie geworden – mit Fokus auf dem Komödienteil. Bei weitem nicht die Liga von "Lost in Translation", aber für Anhänger des Genres, von Bill Murray oder von Coppolas Stil absolut sehenswert.

Fazit: "On the Rocks" ist eine entspannte Vater-Tochter-Tragikomödie mit dünner Handlung, aber unterhaltsamen Dialogen, die primär von ihrem gut aufgelegten Hauptdarsteller Bill Murray lebt.

Wertung: 7 Punkte.

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