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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 7. Oktober 2020

THE POSTCARD KILLINGS (2020)

Regie: Danis Tanović, Drehbuch: Andrew Stern und Ellen Brown Furman, Musik: Simon Lacey
Darsteller: Jeffrey Dean Morgan, Famke Janssen, Cush Jumbo, Joachim Król, Naomi Battrick, Ruairi O'Connor, Eva Röse, Steven Mackintosh, Denis O'Hare, Dylan Devonald Smith, Sallie Harmsen, Lukas Loughran, Orla O'Rourke
The Postcard Killings (2020) on IMDb Rotten Tomatoes: 25% (4,2); weltweites Einspielergebnis: $0,2 Mio.
FSK: 16, Dauer: 100 Minuten.
Der routinierte New Yorker Detective Jacob Kanon (Jeffrey Dean Morgan, "Watchmen") und seine Ex-Frau Valerie (Famke Janssen, "This Is Your Death") sind erschüttert, als sie erfahren, daß ihre Tochter und deren Mann auf der Flitterwochen-Rundreise durch Europa in London brutal ermordet und verstümmelt wurden. Zur begrenzten Begeisterung der örtlichen Behörden will Kanon in die Ermittlungen involviert werden – und nachdem sich herausstellt, daß es sich beim Täter um einen Serienmörder handelt, der auf perverse Art und Weise mit seinen Opfern in ganz Europa berühmte Kunstwerke nachstellt, darf er sich irgendwann offiziell beteiligen. Gemeinsam mit dem britischen DI Pearce (Steven Mackintosh, "Rocketman"), dem deutschen Kommissar Bublitz (Joachim Król, "Lola rennt") und der schwedischen Ermittlerin Hoglund (Eva Röse, Titeldarstellerin der TV-Krimiserie "Maria Wern, Kripo Gotland") sowie der in Schweden arbeitenden US-Journalistin Dessie (Cush Jumbo, TV-Serie "The Good Fight") will er dem Täter oder den Tätern auf die Spur kommen. Derweil versucht Valerie, zurück in den USA zusätzliche Informationen über mögliche Tatverdächtige aufzutreiben …
 
Kritik:
Als der bosnische Filmemacher Danis Tanović im Jahr 2002 für sein Langfilm-Debüt, die bissige und sehr schwarzhumorige Kriegssatire "No Man's Land" über den Bosnienkrieg in den 1990er Jahren, den Auslands-OSCAR gewann, rechnete er vermutlich damit, spannende Angebote aus Hollywood und Europa zu erhalten. Eher nicht erwartet haben dürfte er, daß er knapp 20 Jahre später einen recht mittelmäßigen Serienkiller-Thriller von der Stange realisieren würde, der trotz namhafter Besetzung und erfolgreicher literarischer Vorlage in den meisten Ländern noch nicht einmal in den Kinos gezeigt wird. Aber Karrieren gehen nunmal nicht immer steil nach oben und in der Filmbranche dürfte diese Binsenweisheit noch stärker zutreffen als in den meisten anderen Berufen. Den Erfolg von "No Man's Land" konnte Danis Tanović jedenfalls nie wirklich wiederholen, wenngleich er mit seinem mit Laien besetzten Drama "Aus dem Leben eines Schrottsammlers" zumindest noch einen großen Kritikererfolg schuf, der u.a. bei der Berlinale ausgezeichnet wurde – vom Publikum aber ob der sperrigen Thematik weitestgehend gemieden wurde. Nach dem französischen Drama "Wie in der Hölle" (2005; nach einem Drehbuch von Krzysztof Kieślowski) und der irisch-spanisch-französischen Produktion "Triage" (2009) drehte er ein Jahrzehnt lang – mit Ausnahme des indischen Dramas "Tigers" (2014) – nur in seiner bosnischen Heimat, womit "The Postcard Killings" nach einem Roman von Bestseller-Autor James Patterson und Liza Marklund gewissermaßen seine Rückkehr zum internationalen Film bedeutet. Das Ergebnis ist ein solider Thriller, der Genrefreunden das bietet, was sie erwarten – jedoch auch nicht mehr. Und das ist in Zeiten unzähliger hochkarätiger TV-Thriller-Beiträge aus Großbritannien und Skandinavien dann doch ein bißchen wenig.
Mit Jeffrey Dean Morgan, der seit vielen Jahren überwiegend erfolgreich zwischen TV-Serien wie "Supernatural", "The Good Wife" (in deren finaler Staffel er bereits einmal an der Seite von Cush Jumbo agierte) oder "The Walking Dead" sowie Kinofilmen wie "Watchmen", "The Losers" und "Rampage" hin und her wechselt, hat Tanović einen guten und charismatischen Hauptdarsteller gefunden, der die klischeehafte, aber immer noch effektive Trope des traumatisierten Ermittlers überzeugend verkörpert und eine gute Identifikationsfigur für das Publikum abgibt. Wobei das Trauma hier natürlich nicht irgendwann in der Vergangenheit liegt, sondern noch ganz frisch ist, womit Kanons emotionale Zerrissenheit entsprechend groß ist. Morgan stellt das glaubwürdig dar, sein Detective Kanon wechselt innerhalb kürzester Zeit zwischen stiller Trauer und offener Verzweiflung, Wut und Frustration sowie grimmiger Entschlossenheit, ohne daß es überzogen wirken würde. Davon abgesehen ist "The Postcard Killings" ein typischer Serienkiller-Thriller, in dem die grausigen Taten einer perversen Logik folgen, die die Ermittler erst verstehen müssen – wobei die Zusammenhänge für krimierfahrene Zuschauer recht schnell zu erkennen sein dürften und die Ermittler deshalb phasenweise etwas begriffsstutzig wirken. Allzu sehr in die Tiefe gehen die Figurenzeichnung wie auch die Darstellung der Ermittlungen aber sowieso nicht, stattdessen legt Tanović nicht zu Unrecht Wert darauf, die vielen Schauplätze dieser etwas anderen Europareise in den Vordergrund zu stellen. Das gelingt ziemlich gut, da vor Ort gedreht wurde und der Hollywood-erfahrene Kameramann Salvatore Totino ("Spider-Man: Homecoming") speziell München, Stockholm und den außerhalb der Großständte stattfindenden Showdown sehenswert in Szene setzt.
Für Interesse sorgt eingangs auch die unterschiedliche Aufnahme von Detective Kanon durch die örtlichen Ermittler, denn lediglich der von Joachim Król empathisch verkörperte routinierte Kommissar Bublitz gibt sich richtig hilfsbereit, während seine jüngeren Kollegen aus Schweden und Großbritannien sehr auf die Regeln pochen und Kanon eigentlich möglichst weit weg von den Ermittlungen halten wollen. Ein interessanter Ansatz, der sich allerdings zu schnell in weitgehendes Wohlgefallen auflöst und somit stellvertretend steht für die Oberflächlichkeit des Films. Das Gleiche gilt für Famke Janssens Erzählstrang in den USA, der zwar entscheidende Hinweise zur Lösung des Falls bringt, aber inszenatorisch allzu alibihaft wirkt. Nicht unerwähnt bleiben soll eine dritte Erzählperspektive: Immer wieder wechseln wir nämlich zu zwei jungen Paaren auf Europareise – das eine stammt aus den USA, das andere aus den Niederlanden –, die offensichtlich irgendwie mit dieser Mordserie in Verbindung stehen. Zunächst hielt ich die Szenen sogar für Rückblenden, die zeigen, wie Kanons Tochter und ihr Mann ihr schreckliches Schicksal ereilt, jedoch wird bald klar, daß dieser Handlungsstrang parallel zu den Ermittlungen der Polizei und der Kanons stattfindet – womit die erwartete "überraschende" Enthüllung der lange viel zu ereignislosen Storyline nicht mehr allzu überraschend ausfällt. Generell ist "The Postcard Killings" zu vorhersehbar, um wirklich zu packen, zudem wirkt der Aufhänger mit den nachgestellten Kunstwerken eher gezwungen. Und was auch nicht ganz unwichtig ist: Es gibt kaum für sich genommen spannende Szenen oder Sequenzen. Nun ist mir ein Thriller, der auf die obligatorischen Verfolgungsjagden und ähnliche Dinge verzichtet, grundsätzlich durchaus sympathisch, doch müßte man dafür halt anderweitig punkten – und das gelingt "The Postcard Killings" nicht gut genug. Ja, die Schauspieler liefern gute Leistungen ab – allen voran Morgan und Król, auch Cush Jumbo gefällt als Journalistin mit Kunst-Schwerpunkt, die unverhofft in die Story hineingezogen wird, weil die Morde immer durch eine Postkarte an eine Medienperson angekündigt werden – und Tanovićs Inszenierung ist grundsolide, trotz der paneuropäischen Handlung fehlt dem Film aber einfach das gewisse Etwas, um aus der Masse von Krimis und Thrillern hervorzustechen.

Fazit: "The Postcard Killings" ist ein sehr konventioneller Serienkiller-Thriller, der Genrefreunden einen soliden, schön gefilmten Genrebeitrag mit guter Besetzung liefert, aber zu oberflächlich, vorhersehbar und spannungsarm bleibt, um über gehobenes Mittelmaß hinauszukommen.

Wertung: 6,5 Punkte.

"The Postcard Killings" erscheint am 8. Oktober 2020 von EuroVideo Medien auf DVD und Blu-ray, Bonusmaterial gibt es keines. Ein Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom Entertainment Kombinat zur Verfügung gestellt.

 
 Screenshots: © EuroVideo Medien

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