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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 24. September 2020

FANTASTIC FOUR (2005)

Regie: Tim Story, Drehbuch: Mark Frost und Michael France, Musik: John Ottman
Darsteller: Ioan Gruffudd, Jessica Alba, Chris Evans, Michael Chiklis, Julian McMahon, Kerry Washington, Hamish Linklater, Laurie Holden, Michael Kopsa, Maria Menounos, Stan Lee Fantastic Four
(2005) on IMDb ​ Rotten Tomatoes: 27% (4,6); weltweites Einspielergebnis: $333,5 Mio.
FSK: 12, Dauer: 106 Minuten.

Eine Gruppe von fünf Wissenschaftlern und Astronauten will im Weltall eine sich der Erde nähernde Wolke aus kosmischer Energie untersuchen, weil Dr. Reed Richards (Ioan Gruffudd, "King Arthur") davon überzeugt ist, daß es diese Art von Strahlung ist, die vor Millionen von Jahren die Evolution auf der Erde angeschoben hat. Die Wolke ist allerdings schneller bei ihnen als berechnet, womit das Quintett weitgehend ungeschützt der Strahlung ausgesetzt wird – und wenig später, zurück auf der Erde, extreme Veränderungen an sich feststellen muß. Reed hat nun Gummigelenke, sein bester Freund Ben Grimm (Michael Chiklis, "Parker") verwandelt sich in eine Art von Steinwesen, seine Ex-Freundin Sue Storm (Jessica Alba, "Machete") wird unsichtbar und deren Bruder Johnny Storm (Chris Evans, "Snowpiercer") beherrscht das Feuer – lediglich Dr. Victor von Doom (Julian McMahon, "Die Vorahnung"), Unternehmenschef und Finanzier der gescheiterten Mission, scheint sich nicht zu verändern, da er am wenigsten der Strahlung ausgesetzt war. Während Reed und Co. damit kämpfen, ihre neuen "Fähigkeiten" zu kontrollieren und sich mit ihnen zu arrangieren – was vor allem für Ben schwierig ist, da er sich als einziger nicht in einen "normalen" Menschen zurückverwandeln kann –, offenbaren sie sich ungewollt der Öffentlichkeit, welche diese "Fantastic Four" schnell als Superhelden feiert. So wird Reed zu Mr. Fantastic, Sue zur Unsichtbaren, Johnny zur Menschlichen Fackel und Ben zu Das Ding. Johnny genießt seinen neuen Heldenstatus, doch die anderen arbeiten daran, die Veränderungen rückgängig zu machen – derweil entdeckt Victor auch an sich neue Kräfte, die jedoch nicht seine heroische Ader wecken, sondern eher größenwahnsinnige Weltmacht-Pläne in ihm reifen lassen … 

Kritik:

Als 2005 der von der deutschen Produzenten-Legende Bernd Eichinger und seiner Constantin Film co-finanzierte Superhelden-Film "Fantastic Four" in die Kinos kam (auf den zwei Jahre später eine Fortsetzung folgte), ließ mich das ehrlich gesagt ziemlich kalt. Die meisten Kritiken fielen mittelmäßig bis schlecht aus, außerdem hatte ich als damaliger Nicht-Comic-Leser keine Verbindung zu diesem heroischen Quartett, das in Deutschland viel unbekannter war und wohl immer noch ist als Spider-Man, Batman, Superman oder der Hulk (schon, weil es eben keine erfolgreichen Filme oder TV-Serien über sie gab). Auch später reizte es mich nicht, die Filme nachzuholen, doch im Jahr 2020 beherrscht eine globale Pandemie die Schlagzeilen und sorgt dafür, daß über viele Monate hinweg (fast) keine neuen Superhelden-Filme in den wenigen geöffneten Lichtspielhäusern zu sehen sind. Warum also nicht das Versäumnis nachholen und sich doch noch auf die "fantastischen Vier" (die nicht aus Stuttgart stammen!) einlassen? Trotz des bestenfalls mittelmäßigen Rufes und meiner entsprechend gezügelten Erwartungshaltung rechnete ich mit harmloser, aber einigermaßen sehenswerter Unterhaltung – und letzten Endes stimmt diese Einschätzung auch gerade so, wenngleich "Fantastic Four" sich als doch noch etwas schwächer erwies als gedacht.

Um "Fantastic Four" fair einzuordnen, muß man sich die damalige Lage der Superhelden-Filme ins Gedächtnis rufen. Nachdem die 1990er Jahre das Genre mit künstlerischen wie häufig auch kommerziellen Flops á la "Batman Forever" (1995), "Batman & Robin" (1997), "The Rocketeer" (1991), "Shadow und der Fluch des Khan" (1994), "Das Phantom" (1996) oder "Spawn" (1997) trotz gelegentlicher Höhepunkte wie "The Crow" (1994) oder "Blade" (1998) ziemlich in Verruf brachte, lebte es zu Beginn des 21. Jahrhunderts in weiterentwickelter Form wieder auf. Bryan Singers "X-Men" (2000), Sam Raimis "Spider-Man" (2002) und Christopher Nolans "Batman Begins" (2005) jeweils mitsamt Fortsetzungen zeigten, daß die Verbindung von spektakulärem Mainstream-Kino und vergleichsweise hoher erzählerischer Qualität sehr wohl möglich war und erschlossen somit ganz neue Publikumsschichten, die den Superhelden-Film ab 2008 mit dem raffiniert ineinander verwobenen Marvel Cinematic Universe sogar zu dem dominierenden Kino-Genre machen sollten. Doch nicht allen Filmemachern gelang es sofort, sich auf die neuen Verhältnisse einzustellen, sodaß es weiter Mißerfolge wie "Daredevil" (2003) oder "Catwoman" (2004) gab – in diese Reihe gehört auch "Fantastic Four". Der Film des afroamerikanischen Regisseurs Tim Story ("Ride Along") und der Drehbuch-Autoren Michael France ("Hulk") und Mark Frost (mit David Lynch Schöpfer der Kultserie "Twin Peaks") hat sich erkennbar nicht an die neuen Standards angepaßt, sondern verweilt in seiner ganzen Machart noch immer in den 1990er Jahren, in denen sich zu viele Comic-Verfilmungen selbst nicht wirklich ernst nahmen.

Nun sind Humor und Selbstironie per se unproblematisch für Superhelden-Filme, schließlich gehört zu den vielen Stärken des Marvel Cinematic Universe, daß fast alle Filme zumindest phasenweise sehr amüsant sind – und selbst das so düster begonnene DC Extended Universe wurde nach einer Kursänderung ab "Wonder Woman" wesentlich humorvoller. Doch der Humor von "Fantastic Four" ist weit kindischer und unorigineller geraten. Hier gibt es keine cleveren Wortduelle und nur wenige schmissige Oneliner oder gut getimte Slapstick-Einlagen, sondern vorwiegend altbackene Witzchen ohne jeden Einfallsreichtum. Zugegeben, ein paar gelungene Gags sind dabei, aber insgesamt ist der Humor-Tonfall von "Fantastic Four" viel zu gestrig und zu unausgereift. Ein weiteres von vielen Problemen ist, daß den Protagonisten beinahe jedwede charakterliche Tiefe abgeht. Es mag nicht sonderlich originell sein, aber es hat seinen Grund, daß so viele Comic-Superhelden irgend ein prägendes Trauma in ihrer Vergangenheit haben, das sie erdet und glaubwürdig macht. Bei den Fantastic Four sind (in diesem Film – ich nehme an, in den Comics wird es anders sein, sonst wären sie nicht seit so langer Zeit so populär) banale Beziehungsprobleme fast schon das Schlimmste, mit dem sie sich auseinandersetzen müssen. In Maßen wäre das ja verkraftbar, aber wenn es wie hier drei der vier Protagonisten betrifft (der leichtlebige Johnny ist die Ausnahme) und diese sich lieber mit ihrem Privatleben herumschlagen als mit ihren neuen Superkräften, dann quittiert man das irgendwann nur noch mit einem genervten Augenrollen.

Teil der Misere ist natürlich auch das Fehlen eines glaubwürdigen Bösewichts. Victor von Doom alias Doctor Doom ist in den Comics – soweit ich weiß – ein ziemlich kultiger und langlebiger Antagonist der Heroen, doch hier hat er lange Zeit kaum mehr zu tun als ein paar arrogante Bemerkungen abzulassen; der von mir als TV-Darsteller sehr geschätzte Julian McMahon ist in dieser flachen Rollen nicht zu beneiden. Erst in der letzten halben Stunde wird Doctor Doom überhaupt zum Bösewicht der Geschichte und kann dann naturgemäß nicht mehr genügend Statur gewinnen, um vom Publikum wirklich ernstgenommen zu werden. Ja, es ist eine Origin-Story, da müssen die Charaktere eben erst einmal vorgestellt werden – aber gar so lahm und uninspiriert muß man das definitiv nicht umsetzen! Immerhin ist Doctor Doom aber Teil eines recht kurzen, aber wirklich schön gemachten Showdowns, in dem die Eigenheit der Fantastic Four, erst durch die sinnvolle Kombination ihrer Einzelkräfte wirklich schlagkräftig zu werden, überzeugend bebildert wird. Die Spezialeffekte sind insgesamt erstaunlich gut gealtert, lediglich Reeds Gummigelenke sehen sehr deutlich nach Computergrafik aus. Schauspielerisch gibt es erwartungsgemäß keine Glanzlichter zu vermelden, jedoch finde ich die Leistungen besser als es bei vielen Kritikern damals anklang – das Skript mit sehr rudimentären Figurenzeichnungen gibt da einfach nicht viel mehr her. Die vier Heroen kommen jedenfalls recht sympathisch rüber und speziell dem späteren "Captain America" Chris Evans merkt man an, wie wohl er sich mit seinem spitzbübischen Charme im Genre fühlt. Alles in allem ist "Fantastic Four" trotzdem ein enttäuschender Superhelden-Film, der vor allem im langweiligen Mittelteil schwächelt, aber mit einem ordentlichen Finale zumindest ein paar Punkte gutmachen kann.

Fazit: "Fantastic Four" ist ein bestenfalls mediokres Superhelden-Abenteuer, das unter einem einfallslosen Drehbuch mit altbackenem Humor, flachen Charakteren und 08/15-Story leidet, aber zumindest recht sympathischen Heroen und einen gelungenen Showdown bietet.

Wertung: Gut 5 Punkte.

 

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