Regie:
Danny Boyle, Drehbuch: Richard Curtis, Musik: Daniel Pemberton
Darsteller:
Himesh Patel, Lily James, Kate McKinnon, Ed Sheeran, Joel Fry, Sanjeev Bhaskar,
Meera Syal, Sophia Di Martino, Harry Michell, Alexander Arnold, Sarah Lancashire, Ellise
Chappell, Justin Edwards, Robert Carlyle, Michael Kiwanuka,
James Corden
FSK: 0, Dauer: 117 Minuten.
Nach Jahren, in denen der gelernte Lehrer Jack Malik (Himesh
Patel, TV-Serie "EastEnders") erfolglos versucht hat, als Musiker
durchzustarten, beschließt er ausgerechnet nach seinem ersten Festivalauftritt (vor einer
Handvoll Zuschauer in einem Nebenzelt), aufzugeben. Genau in dieser Nacht
geschieht jedoch etwas Außergewöhnliches: Während Jack per Fahrrad auf dem Heimweg
ist, gibt es einen rätselhaften, globalen 12-sekündigen Stromausfall – der
dazu führt, daß Jack mit einem Auto zusammenstößt. Er übersteht den Aufprall
einigermaßen glimpflich, aber nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus findet
er schnell heraus, daß sich etwas geändert hat in der Welt: Die Beatles haben
offensichtlich nie existiert und er scheint sich als einziger an ihre Musik
erinnern zu können! Nach anfänglichem Unglauben erkennt Jack darin bald
eine Chance und er beginnt, die Lieder der Beatles (soweit er sich an sie
erinnern kann) als seine eigene Musik auszugeben. Schließlich stellt sich der
Erfolg ein und kein geringerer als Pop-Superstar Ed Sheeran engagiert Jack als
Vorprogramm für seine Welttour. Der Erfolg bringt allerdings mit sich,
daß Jacks enge Jugendfreundin und Managerin in seiner erfolglosen Zeit, die
Lehrerin Ellie (Lily James, "Baby Driver"), ihn nicht länger
begleiten kann und von Ed Sheerans leicht irrer Managerin Debra (Kate McKinnon,
"Ghostbusters") abgelöst wird, was in ihrer bis dahin so guten
Beziehung für Komplikationen sorgt …
Kritik:
Trends kommen und gehen bekanntlich und lassen sich nur
selten zuverlässig prognostizieren. Kein Zweifel besteht, daß der (sehr britisch
geprägte) Musikfilm in den späten 2010er Jahren ein beeindruckendes Comeback
feiert, die Frage ist: Wie lange wird das anhalten? Nach dem Queen-Biopic
"Bohemian Rhapsody" und dem Elton John-Biopic
"Rocketman" ist "Yesterday" jedenfalls bereits der dritte
weltweit erfolgreiche Musikfilm innerhalb eines Jahres. Daß dafür
der Drehbuch-Autor Richard Curtis maßgeblich verantwortlich zeichnet, kann
Branchenkenner kaum überraschen, spielte in dessen Filmen von "Vier
Hochzeiten und ein Todesfall" bis "Radio Rock Revolution" doch
Musik fast immer eine wichtige Rolle. Und auch die Beatles haben ihre Spuren in
Curtis' Werk hinterlassen, allen voran dürfte die denkwürdige Hochzeitsszene zu
"All You Need Is Love" in "Tatsächlich … Liebe" sich sehr vielen
Zuschauern eingeprägt haben. In "Yesterday" legt sich
Curtis richtig ins Zeug (wobei er die Inszenierung "Trainspotting"-Routinier Danny Boyle überließ oder vielleicht auch
überlassen mußte, weil seine eigenen Regiearbeiten kommerziell leider
regelmäßig hinter den Erwartungen zurückblieben) und präsentiert seinem Publikum
eine gleich zweifache Liebesgeschichte. Vordergründig steht die zwischen ihnen
lang unausgesprochene, für alle anderen allerdings sehr offensichtliche Liebe von Jack und Ellie im
Mittelpunkt, zugleich, vielleicht sogar primär ist "Yesterday" aber
natürlich eine hingebungsvolle Liebeserklärung an die Musik von John Lennon,
Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr. Und die ist so sympathisch,
daß man auch kleinere Schwächen wie die im Verlauf etwas arg konstruiert
wirkende "echte" Romanze oder das bei weitem nicht
ausgeschöpfte Potential der spannenden "Was wäre, wenn …"-Prämisse
gerne verzeiht.
Hauptdarsteller Himesh Patel ist außerhalb seiner britischen
Heimat bislang kaum bekannt, gibt aber einen sehr sympathischen Protagonisten
ab – gerade weil dieser Jack Malik niemals komplett dem Ego-Wahn verfällt, sondern sich immer des bittersüßen Beigeschmacks seines Welterfolges
bewußt ist und ihn deshalb nicht voll genießen kann. Dabei kann man ihm sein
Vorgehen eigentlich kaum vorwerfen, schließlich wäre die unsterbliche Musik der
Beatles ohne ihn für immer verloren. Daß Jack von Skrupeln und
Schuldgefühlen geplagt wird und vor allem die ständigen
Lobhudeleien (wenn Ed Sheeran beispielsweise neidlos kommentiert, er sei nur
der Salieri zu Jacks Mozart) ihm sehr unangenehm sind, ist ein Ausdruck seiner
inhärenten Bescheidenheit und seines Charakters – wie könnte man so
jemanden nicht mögen? Amüsant werden auch Jacks Schwierigkeiten dabei
geschildert, sich genau an die Songs und vor allem die korrekten Texte zu
erinnern (ich persönlich würde vielleicht irgendwie noch "Yesterday"
und "Yellow Submarine" zusammenbekommen, doch bei den meisten übrigen
Songs reicht meine Textkenntnis nicht weiter als bis zum Refrain …), wofür er
schließlich sogar die Originalplätze in Liverpool besucht, um die Inspiration
von Lennon und Co. nachvollziehen zu können. Etwas peinlich wird es auch, wenn
er zur Bedeutung einzelner Lieder befragt wird und sich aus dem Stegreif etwas
ausdenken muß. Lauter kleine Schwierigkeiten, die wohl jeder
nachvollziehen kann, wenn er versucht, sich in Jacks Lage zu versetzen. Etwas
bedauerlich ist es sicherlich, daß Autor Curtis die reizvolle Prämisse der
verschwundenen Beatles nicht stärker thematisiert, wobei es durchaus Teil
seines individuellen Schreibstils ist, daß derartige außergewöhnliche Ereignisse
oder Fähigkeiten (wie der zeitreisende Domhnall Gleeson in "Alles eine Frage der Zeit") ganz bewußt nur als Mittel zum Zweck verwendet werden und
keinen tieferen Sinn haben. Trotzdem: Gerade weil Jack im Laufe der Zeit
herausfindet, daß noch andere Dinge durch den Stromausfall aus der Realität
getilgt wurden – manche mit einem offensichtlichem Bezug zu den Beatles (ohne Beatles
kein Oasis), manche scheinbar komplett unabhängig davon (kein Coca Cola) –,
hätte man daraus mehr herausholen können als ein paar zugegeben gute
Gags.
Wichtiger ist Curtis und Boyle (der sich inszenatorisch
auffällig zurückhält und die Geschichte größtenteils für sich selbst stehen
läßt) offensichtlich die Lovestory zwischen Jack und der von Lily James
in der Tat höchst liebenswert verkörperten Ellie. Man kann darüber streiten, ob
das der beste denkbare Schwerpunkt ist, aber die Romanze
funktioniert in erster Linie deshalb, weil Jack und Ellie beide unheimlich
sympathisch und zugleich offensichtlich füreinander bestimmt sind. Weil das so offensichtlich ist, baut Curtis ein paar Stolpersteine ein, die
dummerweise teilweise sehr konstruiert und entsprechend wenig
glaubwürdig wirken und außerdem nichts daran ändern, daß man dennoch genau
weiß, wie es ausgehen wird. Ein bißchen Augenrollen ist mitunter also sehr wohl
angebracht, wenn man mitansieht, wie kompliziert sich das Noch-nicht-Paar die
eigentlich sehr simple Angelegenheit macht, aber wie gesagt: Die beiden sind so
sympathisch und liebenswürdig, daß man ihnen gerne dabei zusieht. Für
Curtis' Verhältnisse ist allerdings die Gagdichte relativ überschaubar. Ja, es
gibt einiges zu lachen und noch mehr zu schmunzeln, aber im Vergleich zu
"Notting Hill", "Tatsächlich … Liebe"
oder "Radio Rock Revolution" steht der Humor nicht ganz so sehr im
Vordergrund, es überwiegen die Emotionen. Apropos: Besonders gut gelungen ist ein
kleiner Nebenhandlungsstrang darüber, daß Jack möglicherweise doch nicht der
einzige ist, der sich an die Beatles erinnert – ich will nichts spoilern, aber
diese Storyline entwickelt sich anders als vermutet und gipfelt in vielleicht
sogar der bewegendsten Szene des Films. Schauspielerisch stehen Himesh Patel
und Lily James selbstredend im Mittelpunkt und machen ihre Sache gut,
wobei Patel auch musikalisch vollauf überzeugt. Für die komödiantischen
Highlights sorgt in erster Linie die "Saturday Night Live"-Komikerin
Kate McKinnon als Jacks neue und ziemlich eigenwillige Managerin, wenngleich
ihr Ed Sheeran (der übrigens zweite Wahl war; Curtis hatte die "als er
selbst"-Rolle für Coldplay-Frontmann Chris Martin vorgesehen, der jedoch
ablehnte) in einer Szene beinahe die Schau stiehlt, in der er mit dem Austausch
eines einzigen Buchstabens ein wahrlich unverzeihliches Verbrechen an der
Musikgeschichte begeht …
Fazit: "Yesterday" ist eine von Herzen
kommende Liebeserklärung an die Musik der Beatles im Gewand einer im Kern relativ generischen und etwas oberflächlichen, aber höchst
sympathisch besetzten romantischen Komödie.
Wertung: 7,5 Punkte.
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