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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 22. Mai 2019

FIGHTING WITH MY FAMILY (2019)

Regie und Drehbuch: Stephen Merchant, Musik: Vik Sharma
Darsteller: Florence Pugh, Jack Lowden, Nick Frost, Lena Headey, Vince Vaughn, Dwayne Johnson, Stephen Merchant, Julia Davis, Hannah Rae, Kim Matula, James Burrows, Aqueela Zoll, Ellie Gonsalves, Thea Trinidad, Paul Wight, Stephen Farrelly, Mike Mizanin, John Cena, Zak Bevis
Fighting with My Family
(2019) on IMDb Rotten Tomatoes: 93% (7,2); weltweites Einspielergebnis: $41,5 Mio.
FSK: 12, Dauer: 109 Minuten.

Norwich, England, 2002: Die 10-jährige Saraya-Jade Bevis und ihr zwei Jahre älterer Bruder Zak sind Kinder einer Wrestling-Familie, gemeinsam mit ihren Eltern Patrick (Nick Frost, "Attack the Block") und Julia (Lena Headey, "300") reisen sie mit deren eigener kleinen Wrestling-Liga durchs Land. Im Gegensatz zu Zak hat Saraya jedoch wenig Interesse an den spektakulären, durchchoreographierten Schaukämpfen – bis sie sich von ihren Eltern überreden läßt, einmal für einen kurzfristigen Ausfall einzuspringen und in einem Kinderkampf gegen ihren Bruder Zak anzutreten. Da ihr das Match und vor allem der Jubel der Zuschauer sehr gefallen, ist sie nun doch angesteckt vom Wrestlingvirus. Acht Jahre später erhalten Saraya (Florence Pugh, "Lady Macbeth") und Zak (Jack Lowden, "Dunkirk") eine Einladung zum Probetraining bei der WWE, der mit Abstand größten Wrestlingliga der Welt. Deren verantwortlicher Trainer Hutch (Vince Vaughn, "Mr. & Mrs. Smith") ist von der unkonventionellen Saraya (die unter dem Ringnamen Paige auftritt) überzeugt genug, um ihr einen Vertrag für die WWE-Entwicklungsliga NXT in den USA anzubieten – nicht aber ihrem Bruder. Somit bekommt Saraya die Chance, ihren Traum weiterzuverfolgen, während für Zak eine Welt zusammenbricht …

Kritik:
Die größte und kommerziell erfolgreichste Wrestling-Liga der Welt, die WWE, sucht unter der Leitung ihres umtriebigen Vorstandsvorsitzenden Vince McMahon immer nach Möglichkeiten, ihr Geschäft auf andere Bereiche auszuweiten – auf diese Weise entstand im Jahr 2002 das Produktionsstudio WWE Films (inzwischen WWE Studios). Nachdem WWE Films zunächst durchaus einige kommerzielle Erfolge feiern konnte – als Koproduzent der jeweils von Dwayne "The Rock" Johnson angeführten "The Scorpion King", "Welcome to the Jungle" und "Walking Tall", als alleiniger Produzent des Horrorfilms "See No Evil" und der Actionfilme "The Marine", "Die Todeskandidaten" und "Zwölf Runden" –, kamen ab 2010 immer mehr Filme (überwiegend Fortsetzungen von "The Marine" und "Zwölf Runden" mit neuen Wrestler-Hauptdarstellern) gar nicht mehr in die Kinos, sondern wurden mit entsprechend wenig öffentlicher Aufmerksamkeit direkt fürs Heimkino veröffentlicht. Insofern ist es eine sehr angenehme Überraschung, daß mit dem auf einer britischen TV-Doku aus dem Jahr 2012 (aus der während des Abschnitts ein paar Szenen gezeigt werden) basierenden humorvollen Wrestler-Biopic "Fighting with My Family" eine WWE-Produktion global in die Kinos kommt, die nicht nur ordentliche Einspielergebnisse einbringt, sondern vor allem mit richtig guten Kritiken glänzt. Und die hat sich "Fighting with My Family" redlich verdient, denn obwohl sich der Film nicht allzu weit von der typischen Sportfilm-Struktur entfernt und phasenweise (nicht sehr überraschend) auffällig unkritisch gegenüber dem Wrestling-Geschäft ausfällt, macht er mit starken schauspielerischen Leistungen, schrulligen und sympathischen Charakteren sowie viel Humor richtig Laune – ob man nun grundsätzlich etwas mit den Wrestling-Schaukämpfen anfangen kann oder nicht, dürfte ob dieser Qualitäten ziemlich unerheblich sein.

Grundsätzlich unterscheidet sich die Storyentwicklung nicht übermäßig von der der meisten Sportfilme: harte Arbeit, Aufstieg, Rückschlag, Triumph. Man kennt es aus "Rocky", "Miracle", "Schlappschuß" oder den unzähligen American Football-Filmen zur Genüge, jedoch ist es nun einmal auch eine Struktur, die sich oft bewährt hat. "Fighting with My Family" macht da keine Ausnahme, peppt das Ganze allerdings durch viel Humor auf. Für den zeichnen vor allem die Erwachsenen verantwortlich, wobei speziell das Aufeinandertreffen der herrlich exzentrischen Patrick und Julia Knight mit Hugh (Stephen Merchant, "Logan") und Daphne (Julia Davis, "Der seidene Faden"), den spießigen Eltern von Zaks Freundin Courtney (Hannah Rae, TV-Serie "Broadchurch"), viel Stoff zum Lachen produzieren. Nick Frost ist dabei schlicht und ergreifend die perfekte Besetzung, denn der nicht zuletzt aus der "Cornetto-Trilogie" ("Shaun of the Dead", "Hot Fuzz", "The World's End") an der Seite von Simon Pegg komödienerprobte Brite dominiert mit Charisma, körperbetontem Schauspiel und punktgenauem Comedy-Timing spielerisch jede Szene, ohne dabei seine Kollegen schlecht aussehen zu lassen. Die kommen zwar nicht ganz so witzig rüber wie Frost, aber Stephen Merchant – als Autor, Produzent und Schauspieler ein langjähriger Weggefährte von Ricky Gervais, hier zudem erstmals als alleiniger Regisseur und Drehbuch-Autor bei einem Kinofilm tätig – und Julia Davis (ebenfalls eine erfahrene Komikerin) schlagen sich ebenso gut wie die sonst stärker aus dramatischen Rollen bekannte "Game of Thrones"-Antagonistin Lena Headey.

Wesentlich ernster geht es im zentralen Handlungsstrang rund um Saraya und Zak und ihren Traum, weltweite Wrestlingstars zu werden, zu. Zwar kommt es auch hier immer wieder zu humorigen Momenten, doch mit zunehmender Dauer wird klar, daß ihre wahre Geschichte den Filmemachern wirklich am Herzen liegt und sie diese entsprechend ernsthaft erzählen wollen. Besonders die knallharte, wenn auch nicht unbegründete Aussieb-Mentalität gegenüber den hoffnungsvollen Wrestling-Talenten – die, anders als Saraya und Zak, ihre Wurzeln häufig in anderen Sportarten wie Ringen, Boxen oder American Football haben, viele Frauen kommen vom Cheerleading oder Tanzen oder waren schlicht als Models tätig – wird nicht geschönt, die schließlich auch dazu führt, daß sich die Wege der bis dahin so eng miteinander verbundenen Geschwister trennen. Klugerweise konzentriert sich der Film anschließend nicht ausschließlich auf Saraya, die in den USA weiter um ihren Durchbruch kämpfen darf, sondern zeigt auch, wie es Zak ergeht, nachdem sein Lebenstraum zerstört wurde. Das sorgt bei ihm nicht nur für eine generelle Sinnkrise, es belastet ebenso sein Verhältnis zu Saraya. Es ist folglich eine gute Portion Familiendrama in "Fighting with My Family" enthalten, und da das so glaubwürdig wie gefühlvoll geschrieben und gespielt ist, profitiert Stephen Merchants Film kräftig davon. In der Tat funktionieren der Comedy- und der Familiendrama-Part meines Erachtens sogar besser als der eigentlich im Fokus stehende Wrestling-Teil, denn Sarayas Anpassungsschwierigkeiten im "NXT Performance Center" in Orlando, wo die relativ zierliche (wobei Schauspielerin Florence Pugh mit 1,62 m elf Zentimeter kleiner ist als die echte Paige, das wirkt im Film also extremer als es in der Realität der Fall war) und wenig glamourös auftretende Schwarzhaarige neben den ganzen hochgewachsenen Blondinen mit Modelmaßen nicht nur auf den ersten Blick wie ein Fremdkörper wirkt, werden relativ oberflächlich und ein bißchen klischeehaft abgehandelt – was natürlich nicht zwangsläufig bedeutet, daß es nicht der Wahrheit entspricht.

Allzu spannend sind diese Sequenzen für den Zuschauer aber nicht, auch wenn die Wrestling-Sequenzen glaubwürdig inszeniert sind und die seit ihrem Durchbruch in dem preisgekrönten Drama "Lady Macbeth" von den Kritikern gefeierte Florence Pugh ihre Rolle authentisch und sympathisch verkörpert und damit ihre Wandlungsfähigkeit bereits in jungen Jahren nachweist. Dabei funktioniert gerade das Zusammenspiel mit dem von Vince Vaughn verkörperten WWE-Trainer Hutch der sich zwar ziemlich unbarmherzig gibt, aber sich doch erkennbar um seine Schützlinge sorgt ausgezeichnet. Dieser äußerst überzeugenden Darstellung zum Trotz fällt auf, daß Sarayas Weg bis zu ihrem Debüt in der größten WWE-Fernsehsendung "RAW" arg schnell vonstatten geht. Möglicherweise wollte sich die WWE doch nicht zu genau hinter die Kulissen schauen lassen und "Geschäftsgeheimnisse" preisgeben, wirklich kritisch setzt sich "Fighting with My Family" mit dem ja durchaus nicht unumstrittenen Schausport generell nicht auseinander. Die Zusammenarbeit mit der WWE beschert dafür Fans einige Cameos bekannter Wrestler wie The Big Show oder Sheamus, zudem spielt Koproduzent Dwayne Johnson als er selbst sogar eine Nebenrolle als freundlicher Ratgeber / Motivator für die Knight-Geschwister, die er gewohnt charismatisch über die Bühne bringt. Bedauerlich nur, daß ausgerechnet Paiges erste TV-Gegnerin AJ Lee sich in der Zwischenzeit eher im Unfrieden von der WWE getrennt hat und deshalb von einer anderen Wrestlerin (Thea Trinidad alias Zelina Vega) gespielt wird, die ihr nicht wirklich ähnlich sieht. Und da der Film mit Paiges Debüt in der Hauptshow endet, werden übrigens auch ein paar Skandälchen, in die sie in den folgenden Jahren verwickelt war, ignoriert, was man ein bißchen feige finden kann oder aus WWE-Perspektive sehr praktisch. Erst nach Abschluß der Dreharbeiten gab es die traurige Nachricht, daß Paige ihre sportliche Karriere Anfang 2018 im Alter von nur 25 Jahren aus Verletzungsgründen beenden mußte. Wie dem auch sei, die benannten Mängel vor allem bezüglich des in der zweiten Filmhälfte recht oberflächlich geschilderten Aufstieges von Paige verhindern zwar eine noch höhere Bewertung, werden jedoch durch die Stärken in Sachen Sympathie, Humor und Charaktere aufgewogen. Im Genre der Sportfilme spielt "Fighting with My Family" daher definitiv in der ersten Liga mit.

Fazit: "Fighting with My Family" ist ein Sportfilm, der mit typisch britischen Filmtugenden wie viel Humor und Einfühlungsvermögen sowie sympathisch-schrulligen Nebencharakteren glänzt und es daher leicht macht, über einige Klischees und Oberflächlichkeiten in der Story gnädig hinwegzusehen.

Wertung: 8 Punkte.


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