Regie und Drehbuch: Drew Pearce, Musik: Cliff Martinez
Darsteller: Jodie Foster, Sterling K. Brown, Dave Bautista, Sofia Boutella, Charlie Day, Brian Tyree Henry, Jeff Goldblum, Zachary Quinto, Jenny Slate, Kenneth Choi, Josh Tillman
FSK: 16, Dauer: 95 Minuten.
Los Angeles, 21. Juni 2028. Ein ganz normaler Mittwochabend – das behauptet zumindest die Schwester (Jodie Foster, "Flightplan"), Leiterin des vom Mafiaboß "Wolf King" (Jeff Goldblum, "Thor 3") finanzierten Untergrund-Krankenhauses "Hotel Artemis", in dem sich Kriminelle jeder Art nach mißglückten Aktionen wieder zusammenflicken lassen können (sofern sie zahlende Mitglieder sind). So ganz normal ist dieser Mittwochabend allerdings nicht wirklich, denn ein gewalttätiger Aufstand ist ausgebrochen, nachdem die Trinkwasserversorgung privatisiert wurde und inzwischen für die ganz normale Bevölkerung das kühle Naß kaum noch erschwinglich ist. Sherman (Sterling K. Brown, TV-Serie "This Is Us") und drei weitere Männer wollen das Chaos für einen Banküberfall nutzen, der jedoch nur ansatzweise gelingt. Denn Shermans Bruder Lev (Brian Tyree Henry, TV-Serie "Atlanta") wird dabei angeschossen, weshalb Sherman ihn mit letzter Kraft zu dem nach der griechischen Göttin der Jagd benannten Hotel Artemis schleppt. Dort herrschen strenge Regeln, über deren Einhaltung Everest (Dave Bautista, "Guardians of the Galaxy"), der loyale Beschützer der Schwester, sorgt – so sind Waffen ebenso verboten wie das Töten anderer Patienten. Diese Nacht wird jedoch eine echte Herausforderung nicht für Everest, denn einer der Patienten soll im Hotel Artemis einen Auftragsmord durchführen …
Kritik:
Das kennt bestimmt jeder: Es kommt ein Film ins Kino, den man unbedingt toll finden will. Weil die Prämisse oder das Setting einen punktgenau anspricht, weil die Besetzung exzellent ist, die Atmosphäre und die Musik stimmen, weil auch hinter der Kamera lauter Könner am Werk sind. Und dann sitzt man im Kinosaal, verfolgt besagten Film und stellt mit zunehmender Ernüchterung fest: Nein, so richtig toll ist er nicht. Vielleicht nicht mal wirklich gut. Und wenn es ganz schlecht läuft, dann ist er sogar riesengroßer Mist. Nun, so schlimm ist es bei "Hotel Artemis" definitiv nicht, das Regiedebüt des "Iron Man 3"-Co-Autors Drew Pearce ist jedoch schlicht und ergreifend enttäuschend mittelmäßig geraten. Bei Meisterwerken ist oft die Rede davon, daß das Gesamtbild durch das perfekte Ineinandergreifen aller Elemente besser ist als die Summe seiner Einzelteile – hier ist das nicht der Fall, schlimmer noch: Das Gesamtbild ist sogar schlechter! Das soll nicht heißen, daß "Hotel Artemis" ein kompletter Reinfall wäre; aber man merkt der Geschichte an, daß sie so viel Potential hätte, das Regisseur und Autor Pearce viel zu selten ausschöpft. Stattdessen fühlt es sich so an, als würden wir 75 Minuten lang eine überlange Einleitung betrachten, ehe es dann zu einem viertelstündigen Finish kommt – eine klassische Spannungskurve läßt sich nur phasenweise ausmachen. Man muß konstatieren, daß "Hotel Artemis" zwar in vielen Bereichen vieles richtig macht, aber an einem in seiner konkreten Ausgestaltung ziemlich einfallslosen Drehbuch scheitert.
Zu den Stärken von "Hotel Artemis" zählt zweifellos die Besetzung. Nicht nur, daß es Pearce gelungen ist, die inzwischen überwiegend als Regisseurin tätige zweifache OSCAR-Gewinnerin und Filmlegende Jodie Foster zum ersten Mal seit fünf Jahren ("Elysium", 2013) wieder vor die Kamera zu bringen, und auch sonst hat er ein Ensemble voller markanter und charismatischer Publikumslieblinge versammelt. Dave Bautista ist als gutherziger Beschützer der grummeligen Schwester, mit der er sich immer wieder kabbelt wie ein altes Ehepaar, die Identifikationsfigur einer Geschichte, in der fast nur Kriminelle vorkommen. Unter denen gewinnen auch der von Sterling K. Brown verkörperte, relativ widerwillige Bankräuber Sherman und die französische Auftragskillerin Nice (Sofia Boutella, "Kingsman") ein Stück weit die Sympathie des Publikums, während Charlie Day ("Pacific Rim") als der großspurige Waffenhändler Acapulco (im Artemis erhalten alle Patienten Städte-Decknamen) und Zachary Quinto ("Star Trek") als Wolf Kings profilierungssüchtiger Sohn Crosby die Fieslingsseite abdecken – und Jeff Goldblum steht als charismatischer Mafiaboß irgendwo dazwischen. Bedauerlich ist, daß Pearce das großartige Ensemble nur unzureichend einsetzt. Bei den meisten Charakteren bleibt die Figurenzeichnung an der Oberfläche, einzig die Schwester entwickelt dank einiger Einblicke in ihre Vergangenheit echtes Profil, sodaß Jodie Foster – die sich hier betont uneitel präsentiert mit Watschelgang und ohne Make-up – ihre schauspielerische Extraklasse zumindest ansatzweise ausspielen kann. Die übrigen Figuren bleiben weitgehend Stereotype, wenn auch durchaus unterhaltsame.
Die größte Überraschung an "Hotel Artemis" ist eigentlich, daß er im falschen Genre verortet wird – für einen futuristischen Actionthriller, der angesichts des ähnlichen Settings (mit einem Krankenhaus für Kriminelle anstelle eines Hotels für Kriminelle) gerne mit der "John Wick"-Reihe verglichen wird, gibt es nämlich viel zu wenig Action. In den ersten 75 Minuten kommt es nur zu ein paar kurzen, vernachlässigbaren Gewaltausbrüchen, es dominieren die Dialoge. Erst im Showdown dürfen Dave Bautista und vor allem die wieder einmal beeindruckende algerische Genrespezialistin Sofia Boutella (die auch in "Star Trek Beyond", "Die Mumie" und "Atomic Blonde" ihre Fähigkeiten präsentierte) zeigen, was sie kampftechnisch draufhaben – eventuelle Hoffnungen darauf, daß die großartige Jodie Foster den Liam Neeson oder Denzel Washington gibt und als Mittfünfzigerin noch zur Actionheldin mutiert, bleiben hingegen leider unerfüllt. Die Dialoglastigkeit von "Hotel Artemis" wäre grundsätzlich kein Problem (einmal abgesehen vom falschen Marketing), wären die Dialoge von entsprechend hoher Qualität. Tatsächlich sind sie zwar keineswegs schlecht, jedoch so stark und offensichtlich auf markige Oneliner ausgelegt, daß es oft arg unnatürlich wirkt. Natürlich ist Realitätsnähe bei einem Film dieses Genres kein außerordentlich wichtiges Element, innerhalb des vorgegebenen Rahmens sollte das Gezeigte aber schon halbwegs authentisch wirken. Hier ist es stattdessen meist so, daß die Figuren sich nicht miteinander unterhalten, sondern einfach abwechselnd ihre mal cleveren, mal fiesen, mal amüsanten Sprüche ablassen. Das ist zwar durchaus unterhaltsam, aber auch ziemlich plakativ. Wesentlich besser sieht es in Sachen Atmosphäre aus, die haben Pearce und sein Team sehr gut hinbekommen. Diese pessimistische Noir-Version der nahen Zukunft irgendwo zwischen "Blade Runner" und seiner Fortsetzung, "Die Klapperschlange" sowie "The Purge" ist sicher nicht originell, aber dafür intensiv umgesetzt, wozu der stimmungsvolle, düstere Elektro-Score von "Drive"- und "The Neon Demon"-Komponist Cliff Martinez seinen Teil beiträgt (und die gelungene Retro-Song-Auswahl mit u.a. "California Dreamin'" von The Mamas & the Papas und "Helpless" von Buffy Sainte-Marie). Nur schade, daß die vorhersehbare und wenig einfallsreiche Handlung wie auch die weitgehend oberflächlichen Figuren bei weitem nicht mithalten können.
Fazit: "Hotel Artemis" ist ein stimmungsvoller futuristischer Noir-Thriller, dessen generisches Drehbuch dem exzellenten Ensemble um Jodie Foster nicht genügend Möglichkeiten gibt, um sein großes Können auszuspielen.
Wertung: 6,5 Punkte.
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