Regie: Denis Villeneuve, Drehbuch: Eric Heisserer, Musik: Jóhann
Jóhannsson
Darsteller: Amy Adams, Jeremy Renner, Forest Whitaker,
Michael Stuhlbarg, Mark O'Brien, Tzi Ma
FSK: 12, Dauer: 117 Minuten.
Als zwölf riesige, muschelförmige außerirdische Objekte –
vermutlich Raumschiffe – überall auf der Welt verteilt landen, hält die
Menschheit den Atem an. Doch zum Ausatmen kommt sie so schnell nicht, denn nach der
Landung tut sich tagelang gar nichts, was die Anspannung in der Bevölkerung nicht
eben senkt. Wie die erfahrene Linguistin und College-Professorin Dr. Louise Banks
(Amy Adams, "American Hustle") bald herausfindet, geschieht
hinter den Kulissen doch etwas, denn die Aliens haben an jedem
Raumschiff – deren Landeplätze selbstverständlich vom jeweils zuständigen Militär hermetisch
abgeriegelt wurden – den Menschen Einlaß gewährt. Das Problem an der Sache ist:
Niemand versteht die nicht-humanoiden Außerirdischen. Hier kommt Louise ins
Spiel, die im Auftrag von Colonel Weber (Forest Whitaker, "Rogue One") Kontakt zu jenen zwei Aliens aufnehmen soll, die sich in der in den
USA gelandeten Muschel zeigen. Gemeinsam mit dem Physiker Ian Donnelly (Jeremy
Renner, "Mission: Impossible – Rogue Nation") macht sich Louise unter ständigem Druck der immer ungeduldiger werdenden Politiker, Militärs und
Bundesagenten wie CIA-Mann Halpern (Michael Stuhlbarg, "Steve Jobs") daran, eine Verständigungsmöglichkeit zu finden – die Zeit drängt auch deshalb, weil einige Staaten sich bereits auf einen Angriff auf die
geheimnisvollen Außerirdischen vorbereiten …
Kritik:
Der bisherige Karrierepfad des kanadischen Filmemachers
Denis Villeneuve ist speziell in den letzten Jahren wahrlich atemberaubend.
Nachdem er bereits ab Anfang 30 in seiner Heimat mit preisgekrönten, inhaltlich
recht unkonventionellen französischsprachigen Produktionen wie "Der 32.
August auf Erden", "Maelström" und "Polytechnique" auf
sich aufmerksam machte, folgte im Jahr 2010 mit dem OSCAR-nominierten Mittlerer
Osten-Drama "Incendies – Die Frau, die singt" (aktuell Platz 153
in den IMDb Top 250 der besten Filme aller Zeiten!) der internationale
Durchbruch. Der führte ihn natürlich nach Hollywood, wo er mit dem grimmigen
Psychothriller "Prisoners" drei Jahre später sein bemerkenswertes,
ebenfalls für einen OSCAR nominiertes Debüt feierte, auch wenn der Film
kommerziell etwas hinter seinen Möglichkeiten zurückblieb. Noch im gleichen Jahr
ließ Villeneuve den nischigen Arthouse-Mysterythriller "Enemy" mit
Jake Gyllenhaal folgen, dann kam mit dem brillanten Drogenkriegs-Actionthriller
"Sicario" (schon drei OSCAR-Nominierungen) der nächste
Karriereschritt. Und es scheint immer weiter nach oben zu gehen für Villeneuve:
Mit dem philosophisch angehauchten SciFi-Drama "Arrival" (satte acht OSCAR-Nominierungen, eine Statue für den Tonschnitt) begeistert
er Kritiker und Zuschauer, dann steht mit der Kultfilm-Fortsetzung
"Blade Runner 2049" der erste potentielle Blockbuster für ihn an. Villeneuves
Filme zeichnen sich durch spannende, unverbrauchte Themen aus, die er mutig und häufig mit
innovativen inszenatorischen Mitteln präsentiert und dazu paßgenau mit erstklassigen Schauspielern besetzt. Das
alles trifft auch auf "Arrival" zu – dennoch muß ich zugegeben,
daß er mich ob der allgegenwärtigen Lobeshymnen auf hohem Niveau doch etwas
enttäuscht hat.
Das hängt vor allem mit einer entscheidenden Storywendung
kurz vor Schluß zusammen, auf die ich inhaltlich zwecks Spoilervermeidung gar nicht
näher eingehen will, die aber zu einem Themenkomplex gehört, mit dem ich bei
Filmen, Serien und Büchern schon immer so meine Probleme hinsichtlich
Glaubwürdigkeit und vor allem Logik hatte. Wenn ich diese letzten 20 bis 30
Minuten ausblende, dann ist "Arrival" allerdings in der Tat ein
außergewöhnlicher Film, der wenig mit dem zu tun hat, was die meisten
normalerweise mit "Science Fiction" verbinden – auf spektakuläre
Actionszenen sollte jedenfalls niemand hoffen, "Arrival" ist viel eher mit
einem Film wie Robert Zemeckis' "Contact" mit Jodie Foster aus dem
Jahr 1997 zu vergleichen, auch Steven Spielbergs früher Klassiker
"Unheimliche Begegnung der dritten Art" von 1977 kommt einem in den Sinn. Hier stehen
Kommunikation und wissenschaftliche Neugier im Vordergrund – das mag für einige
potentielle Kinogänger ziemlich langweilig klingen, ist es dank Villeneuves
erstklassiger Inszenierung und Eric Heisserers ("Lights Out") über
weite Strecken intelligentem Drehbuch (basierend auf einer Kurzgeschichte von
Ted Chiang) aber überhaupt nicht. Man mag es kaum glauben, wie spannend,
faszinierend und unterhaltsam es ist, Louise und Ian dabei zuzuschauen, wie sie
über Wochen hinweg mit kleinen Schritten versuchen, eine gemeinsame
Kommunikationsbasis mit den humorvoll "Abbott und Costello" getauften Außerirdischen zu etablieren – doch es ist
einfach so!
Die Sache mit den Fremden mit ganz eigener Kultur und
Verständigungsproblemen kann man natürlich auch als Metapher für reale irdische
Konflikte betrachten, von der Flüchtlingskrise bis hin zu dem zunehmend
wiederaufflammenden Ost-West-Konflikt. Denis Villeneuve unterstützt diese Betrachtungsweise sogar durch die wiederholte Einbindung von (natürlich fiktionalen)
Schnipseln aus Nachrichtensendungen und Radio-Talkshows, in denen etwa rechtskonservative Moderatoren (die im amerikanischen Rundfunk
ja weit verbreitet sind) offen zur Gewalt, zum Erstschlag gegen die Aliens
– was übrigens ja, das vergißt man gerne, das englische Wort für
"Fremde" ist – aufrufen. Weil es auch eine ganz tolle Idee ist, die
offensichtlich technologisch weit überlegenen Außerirdischen einfach auf
gut Glück anzugreifen … jedoch reitet Villeneuve nicht zu stark auf diesem
Aspekt herum, auch wenn er immerhin als Auslöser für einen nicht unwichtigen, von der Logik her nicht gänzlich überzeugenden, aber zum Glück recht
kurzen Handlungsstrang rund um den für den Schutz der Wissenschaftler
zuständigen Captain Marks (Mark O'Brien, TV-Serie "Halt and Catch
Fire") dient. Stattdessen stehen die für die Erhaltung des Friedens so
bedeutenden Bemühungen von Louise und Ian im Vordergrund, was auch viel interessanter ist (da man es eben nicht schon dutzendfach gesehen hat).
Daran haben naturgemäß auch die Schauspieler ihren Anteil, gerade da ihre Figuren hier nichts tun, was im herkömmlichen Kinosinne
übermäßig spannend oder gar spektakulär wäre. Amy Adams, die mit Anfang 40
vermutlich auf dem Zenit ihrer großartigen Karriere angelangt ist, ist eine tolle
Identifikationsfigur für das Publikum: selbstbewußt, wenn auch durch ein
persönliches Trauma in der Vergangenheit verletzlich und deshalb im Umgang mit
anderen zurückhaltend, klug, forsch, neugierig, einfühlsam. Adams bringt diese Facetten mit spielerischer Leichtigkeit zur Geltung und schafft so eine
außergewöhnliche Protagonistin, die auf ihre ganz spezielle Art und Weise und
trotz maximal unterschiedlicher Vorgehensweise gar nicht so weit entfernt ist von
der ersten ganz großen SciFi-Kinoheldin überhaupt entfernt: Ellen Ripley
aus der "Alien"-Reihe. Jeremy Renner steht Amy Adams jedoch kaum nach, als freundlicher
Physiker Ian gelingt es ihm ironischerweise immer wieder, die ungewöhnlichen
Situationen, in die sie ihre Treffen mit "Abbott und Costello"
bringen, mit einem pointierten Oneliner auf den Punkt zu bringen, während die
eigentliche Sprachexpertin Louise vor Überwältigung nur stumm staunen kann.
Louise und Ian sind ein tolles Duo, dem man sehr gerne zuschaut, unterstützt
von Forest Whitaker, der mit gewohntem Charisma den vernünftigen, um
Deeskalation bemühten Colonel Weber gibt.
Zu den hervorragend computergenerierten Außerirdischen
selbst will ich eigentlich gar nicht viel sagen, sie haben aber ein ebenso
originelles wie glaubwürdiges Design erhalten und wirken bemerkenswert überzeugend. Es
ist erstaunlich, wie nahe man den so maximal fremdartigen "Abbott und
Costello" als Zuschauer kommt, wenn man die winzigen, mit reichlich Hirnschmalz sehr hart erarbeiteten
Fortschritte bei der Kontaktaufnahme zwischen ihnen und den Menschen
mitverfolgt. Diese lingiustischen Szenen, die ungewöhnlicherweise den größten
Raum der Story einnehmen, unterhalten und faszinieren dank Villeneuves Mut zur
Entschleunigung und seiner einfühlsamen, innovativen Inszenierung; auch der
geigenlastige, emotionale und mit Einflüssen der Weltmusik angereicherte Score des Isländers Jóhann Jóhannsson
("Die Entdeckung der Unendlichkeit") tut das Seine, um eine intensive und
passenderweise irgendwie außerweltliche Atmosphäre zu schaffen. Wären da nicht die erwähnte, für mich problematische Storywendung im letzten Akt
und ein paar nicht gänzlich nachvollziehbare Handlungsweisen von Nebenfiguren,
wäre "Arrival" – der wie der Arthouse-Komplementär zu
Christopher Nolans "Interstellar" wirkt – ein für Hollywood geradezu
bahnbrechender Film, so ist er zumindest noch ein mutiger und richtig guter.
Und das ist ja auch nicht schlecht.
Fazit: "Arrival" ist ein intelligentes
Science Fiction-Drama, das anders als viele Genrekollegen den Schwerpunkt
nicht auf die Action setzt, sondern auf die Handlung – und die ist, so trocken
sie mit ihrem Linguistik-Schwerpunkt in der Theorie auch klingen mag, trotz
kleinerer Mängel spannend und unterhaltsam und profitiert zudem von
den hervorragenden Schauspielleistungen von Amy Adams und Jeremy Renner.
Wertung: 8 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger amazon.de-Bestellungen über einen der Links in den Rezensionen oder das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger amazon.de-Bestellungen über einen der Links in den Rezensionen oder das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen