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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 22. Dezember 2016

SING (3D, 2016)

Regie und Drehbuch: Garth Jennings, Musik: Joby Talbot
Sprecher der Originalversion: Matthew McConaughey, Reese Witherspoon, Scarlett Johansson, Seth MacFarlane, Taron Egerton, Tori Kelly, Nick Kroll, John C. Reilly, Garth Jennings, Jennifer Saunders, Jennifer Hudson, Peter Serafinowicz, Jay Pharoah, Nick Offerman, Rhea Perlman, Leslie Jones, Wes Anderson, Edgar Wright
Sing
(2016) on IMDb Rotten Tomatoes: 71% (6,4); weltweites Einspielergebnis: $634,3 Mio.
FSK: 0, Dauer: 108 Minuten

Die 25-fache Schweinemutter Rosita (im Original gesprochen von Reese Witherspoon, "Wasser für die Elefanten"), der junge Gorilla Johnny (Taron Egerton, "Kingsman: The Secret Service"), die Jazz-liebende Maus Mike (Seth MacFarlane, "Ted"), die Stachelschwein-Punkerin Ashley (Scarlett Johansson, "Lucy") und die schüchterne Elefantendame Meena (Sängerin Tori Kelly) haben zwei Dinge gemeinsam: Sie lieben Musik und sind begnadete, aber (noch) unentdeckte Sänger. Doch als der unmittelbar vor dem Ruin stehende Theaterbesitzer und Koalabär Buster Moon (Matthew McConaughey, "Interstellar") als letzten Rettungsversuch einen für alle offenen Casting-Wettbewerb ausruft, wittern sie alle die große Chance – zumal als Preisgeld unfaßbare $100.000 winken. Das war so jedoch nicht geplant, eigentlich konnte Buster nämlich mit Mühe $1.000 zusammenkratzen, dummerweise vertippte sich jedoch seine betagte Sekretärin Miss Crawley (gesprochen von Regisseur Garth Jennings höchstselbst) um zwei Nullen …

Kritik:
Nachdem das Kinojahr 2016 mit "Kubo – Der tapfere Samurai", "Zoomania" und "Vaiana" drei Animationshighlights zu bieten hatte, setzt das "Minions"-Studio Illumination Entertainment mit der tierischen Casting-Show "Sing" einen munteren, leider aber doch ziemlich mittelmäßigen Schlußpunkt. Die von "Per Anhalter durch die Galaxis"-Regisseur Garth Jennings erdachte und inszenierte 3D-Komödie punktet zwar (zumindest in der Originalfassung) mit starken Sprecher- und Gesangsleistungen, hinkt im Humorbereich aber doch deutlich hinter speziell der Disney-Konkurrenz hinterher und ist auch animationstechnisch eher im oberen Mittelfeld einzuordnen. Ich sollte allerdings anmerken, daß mich Castingshows normal nicht die Bohne interessieren und ich deshalb vermutlich nicht jeden Seitenhieb gegen und jede Anspielung oder Parodie auf echte Castingshows mitbekommen respektive verstanden habe.

Davon unabhängig bedauere ich ironischerweise vor allem einen Mangel an Musik bei "Sing" – genauer gesagt: einen Mangel an ausgespielter Musik. Denn vor dem großen Finale werden die meisten Songs nur kurz angespielt, womit sie und ihre Interpreten natürlich nicht so richtig zur Geltung kommen können. Dramaturgisch ist das sicher eine valide Herangehensweise, um den Eindruck der finalen Gesangsdarbietungen zu maximieren, ohne vorher zu viel vom Können der Protagonisten zu offenbaren – damit das gänzlich funktioniert, müßte man zuvor allerdings dem Publikum andere überzeugende Dinge bieten, um es bei der Stange zu halten. Dabei versagt "Sing" unglücklicherweise. Ein bißchen bezeichnend ist schon die relativ lieblose, jedenfalls betont uninspirierte Art und Weise, wie die einzelnen Hauptcharaktere vorgestellt werden. Ohne jegliche Überleitung oder Erklärung (etwa durch einen Erzähler) wird einer der hoffnungsvollen Sänger nach dem anderen mit einer kurzen, immerhin recht effektiv charakterisierenden Szene abgehakt. Klar, das kann man so machen (selbst der DC-Blockbuster "Suicide Squad" ist sehr ähnlich vorgegangen), originell ist aber definitiv anders.

Deutlich unterhaltsamer sind wenig später dafür die Auditions in Szene gesetzt – weshalb es umso bedauerlicher ist, daß sie in kaum mehr als fünf Minuten abgetan werden. Diese fünf Minuten sind jedoch ausgesprochen amüsant, wenn etwa eine Schnecke voller Inbrunst den Christopher Cross-Klassiker "Ride Like the Wind" vorträgt, ein Frosch-Trio eine Performance zu "Jump" abliefert oder das mit deutschem Akzent gesprochene Glamour-Schwein Gunter (Nick Kroll, "Loving") im gewagten Outfit zu Lady Gagas "Bad Romance" tanzt. Schön auch, daß so ziemlich jeder Musikfreund etwas finden wird, was ihn anspricht (selbst ein paar klassische Stücke werden kurz angespielt) andererseits wird es vermutlich aber auch für jeden etwas geben, das er nicht mag. Trotzdem handelt es sich über weite Strecken um eine gelungene Song-Zusammenstellung, deren Bandbreite von Rockabilly über Swing, Blues, New Wave und Alternative Rock bis hin zu radiotauglichem Pop á la Katy Perry und Taylor Swift reicht. Leider rutscht "Sing" nach dem frühen Höhepunkt bei den Auditions klar in die Mittelmäßigkeit ab; der Mittelteil beschert jeder einzelnen Figur absolut vorsehbare, oft auch noch sehr klischeehafte Schwierigkeiten, die es zu überwinden gilt, ehe man endlich den erhofften Erfolg feiern kann. Zwar gibt es durchaus ein paar nette Einfälle (Busters Tätigkeit als Autowäscher, Rositas von "Wallace & Gromit" inspirierte Erfindungen, um ihre Großfamilie im Zaum zu halten, neonfarben leuchtende Tintenfische als Meister der Lightshow, alles mit Gunter), im Großen und Ganzen plätschert die von dem für Animationsfilme so typischen "Du kannst es schaffen, wenn du dich nur richtig anstrengst!"-Topos getragene Handlung jedoch sehr erwartbar vor sich hin. Auch das Training der Kandidaten für ihren großen Auftritt wird arg knapp abgehandelt. Im Vergleich zu einem Hochkaräter wie "Zoomania", der fast pausenlos mit Witz, Esprit und Unvorhersehbarkeit glänzt, oder auch zum themenverwandten "Die Muppets" ist das einfach zu wenig.

Nicht einmal die exzellent ausgesuchten Sprecher können das vollends wettmachen, dennoch zählen sie zu den großen Pluspunkten von "Sing" – wobei ich mich aber ausschließlich auf die Originalversion beziehe. Zwar fährt die deutsche Synchronfassung mit einigen hochkarätigen Sprecherinnen wie Katharina Thalbach, Alexandra Maria Lara oder Iris Berben auf, daneben wurden aber diverse in meinen Augen eher zweifelhafte Besetzungsentscheidungen getroffen, allen voran die TV-Moderatoren Daniel Hartwich als Buster und Klaas Heufer-Umlauf als Mike. Mag sein, daß sie und einige andere Nicht-Sprechprofis ihre Sache gut machen, ihre Pendants Matthew McConaughey und Seth MacFarlane sind aber doch ganz andere Kaliber. Tatsächlich hat mich vor allem MacFarlane überrascht (vor allem, weil ich nicht wußte, daß er sogar schon einen Grammy gewonnen hat), der die überhebliche, eher unfreundliche Maus Mike glänzend spricht und mit erstaunlicher Leichtigkeit und Lässigkeit den Sinatra-Klassiker "My Way" zum Besten gibt. Musikalisch hat es Mike meiner Meinung nach sowieso am besten getroffen mit weiteren unvergeßlichen Swing- und Jazz-Evergreens wie Irving Berlins "Let's Face the Music and Dance". Sangestechnisch wird er allerdings von der ehemaligen Castingshow-Teilnehmerin Tori Kelly getoppt, die als Elefantendame Meena mit einer intimen, jedoch leidenschaftlichen Interpretation von Leonard Cohens "Hallelujah" beeindruckt, die gar ihren großen Schluß-Auftritt mit dem eher generischen Stevie Wonder-Song "Don't You Worry 'Bout a Thing" übertrifft. Auch der bislang nicht wirklich musikalisch aufgefallene Taron Egerton liefert speziell mit Elton Johns "I'm Still Standing" eine sehr überzeugende Vorstellung ab, wohingegen Reese Witherspoon und Scarlett Johansson (die bereits zwei Alben veröffentlicht hat, hier aber leider relativ kurz kommt) zwar ebenfalls gute Arbeit leisten, aber bei aller hörbaren Leidenschaft im Vortrag sich doch mit relativ gewöhnlichen Songs begnügen müssen – wobei Johansson mit dem rockigen "Set It All Free" immerhin eine von zwei Neukompositionen für "Sing" abbekommen hat. In den reinen Sprechpassagen reicht Witherspoon mit ihrer facettenreichen, emotionalen Leistung als Rosita hingegen keiner das Wasser, nicht einmal McConaugheys fraglos starke Interpretation des leidenschaftlichen, hartnäckigen Theater-Koalas Buster kann da ganz mithalten. Letztlich sorgen die Sprecher/Sänger jedenfalls dafür, daß "Sing" trotz seiner inhaltlichen Beliebigkeit zumindest knapp über Mittelmaß bleibt und als ordentliche Familienunterhaltung für musikaffine Zuschauer durchgeht.

Fazit: Garth Jennings' "Sing" ist eine unspektakuläre Animationskomödie über eine tierische Musik-Castingshow, deren (in der englischsprachigen Originalversion) exzellent gewählte und engagiert agierende Sprecher-/Sängerriege die zu vorhersehbare Story und die innovationsarme Inszenierung einigermaßen kompensiert.

Wertung: Knapp 6,5 Punkte.


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