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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Montag, 24. Dezember 2012

Klassiker-Rezension: IST DAS LEBEN NICHT SCHÖN? (1946)

Originaltitel: It's a Wonderful Life
Regie: Frank Capra, Drehbuch: Frances Goodrich, Albert Hackett und Frank Capra, Musik: Dimitri Tiomkin
Darsteller: James Stewart, Donna Reed, Lionel Barrymore, Henry Travers, Thomas Mitchell, Beulah Bondi, Todd Karns, Ward Bond, Frank Faylen, H.B. Warner, Gloria Grahame, Samuel S. Hinds, Frank Albertson, Virginia Patton, Mary Treen
 It's a Wonderful Life
(1946) on IMDb Rotten Tomatoes: 94% (9,0); US-Einspielergebnis: $6,6 Mio.
FSK: 6, Dauer: 125 Minuten.
George Bailey (James Stewart, "Das Fenster zum Hof", "Der Mann, der zuviel wußte"), weithin angesehener Bausparkassendirektor und allseits beliebter Bürger der Kleinstadt Bedford Falls, will sich am Weihnachtsabend vor Verzweiflung das Leben nehmen, da er überzeugt ist, daß alle Menschen, die ihm etwas bedeuten, ohne ihn besser dran wären. Das von ihm geleitete Geldinstitut steht aufgrund eines unglücklichen Fehlers von Georges gutmütigem Onkel Billy (Thomas Mitchell, "Vom Winde verweht") und der Mißgunst seines habgierigen Konkurrenten Mr. Potter (Lionel Barrymore, "David Copperfield") vor dem Ruin, die Einlagen der braven Bürger, die ihm blind vertraut haben, vor einem massiven Wertverlust, und George selbst droht das Gefängnis. Doch im letzten Moment greift Georges Schutzengel Clarence (Henry Travers, "Mrs. Miniver") ein und verhindert den Suizid. Indem er ihm zeigt, wie das Leben seiner Verwandten und Freunde sowie der ganzen Stadt verlaufen wäre, hätte George niemals existiert, will er diesem seine Bedeutung für seine Umwelt aufzeigen und ihm die Lebenslust zurückgeben ...

Kritik:
Die große Spezialität des amerikanischen Meisterregisseurs Frank Capra war es stets, in seinen Filmen einen hohen Unterhaltungswert mit inhaltlichem Anspruch zu verbinden. Dies hat er in Klassikern wie "Es geschah in einer Nacht", "Mr. Deeds geht in die Stadt", "Mr. Smith geht nach Washington", "Lebenskünstler" oder "Arsen und Spitzenhäubchen" mehr als zur Genüge nachgewiesen. Wichtig war es ihm erklärtermaßen auch, viele seiner Werke mit einer "Botschaft" zu verbinden und damit eine Art Vorbildfunktion für die Zuschauer auszuüben. Das ideale Beispiel hierfür ist zweifelsohne der Weihnachtsklassiker "Ist das Leben nicht schön?", mit dem Capra 1946 die vom Krieg und zuvor von der Weltwirtschaftskrise geschundenen Amerikaner verwöhnte – und der in einer Umfrage des American Film Institute aus dem Jahr 2006 unter rund 1500 Filmschaffenden, Kritikern und Filmhistorikern zum "inspirierendsten amerikanischen Film aller Zeiten" gewählt wurde.

Daß Capra eine solche Wirkung auf das Publikum erzielen kann, liegt vor allem daran, daß er keineswegs einfach nur einen typischen Weihnachtsfilm geschaffen hat, sondern die inhaltlich eigentlich sogar im Hintergrund bleibende festliche Thematik mit einem ernsten, authentischen Wirtschaftsfilm verbunden hat. Bereits 1932 hatte Capra mit "Der Tag, an dem die Bank gestürmt wurde" eine unmittelbare Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise ab 1929 abgedreht, deren Handlungsgerüst dem von "Ist das Leben nicht schön?" bereits stark ähnelt, allerdings jegliche übernatürliche Elemente ausspart. Nun, nach dem gerade überstandenen Zweiten Weltkrieg, wollte er sich abermals diesem Thema widmen, dabei aber seine "Botschaft" stärker in den Vordergrund stellen. Zu diesem Zweck setzt er auf eine eigentlich verpönte, in diesem märchenhaften Kontext aber tadellos funktionierende extreme Schwarz-Weiß-Zeichnung: George Bailey ist das Idealbild eines gesellschaftlich verantwortlich handelnden und dennoch erfolgreichen Unternehmers, wohingegen der sinistre Mr. Potter so ziemlich alle Vorurteile gegen egozentrische, geld- und machtgierige Geschäftsmänner in sich vereint. Die Botschaft ist unübersehbar, ohne je aufdringlich zu wirken: George Bailey soll jedem, der sich in der Realität in einer ähnlichen Position befindet, als Vorbild dienen, dann profitieren alle davon (auf diesen Aspekt des Films gehe ich übrigens in meinem Buch "Von 'Citizen Kane' bis 'The Social Network': Die Darstellung der Wirtschaft im US-amerikanischen Spielfilm" ausführlich ein).

Damit solche streng genommen wenig lebensechten Symbolfiguren innerhalb der Handlung funktionieren, ist eine hervorragende und facettenreiche Darstellung unabdingbar. Diese leisten sowohl James Stewart, der mit seinem unwiderstehlichen Charme wieder einmal aufzeigt, warum er zeit seines Lebens einer der beliebtesten Amerikaner überhaupt war, als auch der große, theatergestählte Charaktermime Lionel Barrymore (Großonkel von Drew Barrymore). Stewart gelingt es spielerisch, den Filmhelden George Bailey glaubwürdig darzustellen mit all seiner Lebensfreude, seiner Verliebtheit gegenüber Gattin Mary (Donna Reed, "Verdammt in alle Ewigkeit") und seiner großherzigen Nächstenliebe; aber auch mit seiner abgrundtiefen Abneigung gegen alles, was er als ungerecht empfindet, und mit seinem tiefen Kummer, als sein Lebenswerk in Trümmern zu liegen scheint. Barrymore auf der anderen Seite hat vielleicht sogar noch eine schwierigere Aufgabe, da er einen puren Bösewicht verkörpert, der keine wirklich spektakulären Szenen in der Art eines durchgeknallten Größenwahnsinnigen hat, sondern alleine aufgrund seiner bedrohlichen Präsenz und seiner scharfen Zunge zu einem der meistgehassten Charaktere der Filmgeschichte wurde – und das erstaunlicherweise, ohne diesen so klischeehaft angelegten Mr. Potter zu einer Karikatur verkommen zu lassen. Das ist wahre Schauspielkunst.

Inhaltlich setzt Capra neben den wunderbaren, ebenso humorvollen wie emotionalen Dialogen auf eine durchaus rührselige Handlung, wie man sie aus Hollywoods "Goldener Ära" (die sich in etwa von 1930 bis 1960 erstreckte) kennt, indem er den Lebensweg von George Bailey sorgfältig nachskizziert und dessen Auswirkungen auf Bedford Falls mit den von Schutzengel Clarence präsentierten Alternativ-Versionen ohne Georges Existenz kontrastiert. Dabei geht er nicht allzu subtil vor und manches wirkt arg übertrieben – von der sentimentalen Familienidylle bis hin zu der Lasterhöhle, zu der Bedford Falls in der durch Mr. Potter geprägten Alternativ-Version verkommt –, dennoch wirkt letztlich alles logisch und in sich schlüssig.

Fazit: Mit seiner meisterhaft konstruierten Kombination aus Familienfilm, Liebesgeschichte, Wirtschaftsparabel und Weihnachtsmärchen hat sich "Ist das Leben nicht schön?" längst und vollkommen zurecht als Klassiker der jährlichen Festivitäten etabliert.

Wertung: 9 Punkte.


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