Die vergangene Woche hat zwei neue OSCAR-Kandidaten ins
Licht der Öffentlichkeit gebracht:
- Man kann nicht unbedingt behaupten, daß der OSCAR und James
Bond allerbeste Freunde wären. Mit 22 Filmen in 50 Jahren brachte es die
populäre 007-Reihe auf nur zwei Siege bei neun Nominierungen. Und mit einer einzigen
Ausnahme (Richard Kiel wurde ausgerechnet für den wohl schwächsten Bond-Film
"Moonraker" für seine ikonische Rolle als "Beißer" als Bester
Nebendarsteller nominiert) handelte es sich ausschließlich um für die Berichterstattung in den Medien eher zweitrangige Kategorien wie
Spezialeffekte, Ton oder Filmsong. Der letzte Sieg stammt aus
dem Jahr 1966 ("Thunderball"), die letzte Nominierung datiert von
1982 ("In tödlicher Mission"). Selbst das von der Kritik gefeierte
Reboot "Casino Royale" mit dem neuen Bond Daniel Craig wurde von der
Academy komplett ignoriert. Deshalb hatte ich den in Deutschland bereits diesen
Donnerstag startenden 23. Bond-Film "Skyfall" bisher auch nicht
wirklich auf der Rechnung meiner OSCAR-Favoriten, obwohl vieles dafür sprach, daß
er ein außergewöhnlicher Beitrag zur Reihe werden könnte – schon wegen des
hochkarätigen Regisseurs Sam Mendes ("American Beauty", "Road to
Perdition", "Zeiten des Aufruhrs"). Doch nachdem letzte Woche
standesgemäß in London die Weltpremiere stattfand und geradezu hymnische
Reaktionen von Publikum und professionellen Kritikern nach sich zog (beim Rezensionsaggregator
Rotten Tomatoes werden aktuell 59 positive und nur 4 negative Kritiken bei einer
Durchschnittsbewertung von 8,3 von möglichen 10 Punkten angegeben), kann es nun
wohl nur heißen: Willkommen im OSCAR-Rennen, Mr. Bond!
Zwar bleibe ich
vorsichtig, ob sich die Academy wirklich ebenfalls so sehr für
"Skyfall" wird begeistern können, daß es sogar für eine erstmalige
"Best Picture"-Nominierung in der langen Bond-Geschichte reichen wird –
weshalb ich den Film in meiner "Stand der Dinge"-Übersicht vorerst "nur" im
oberen Bereich der "chancenreichen Außenseiter" einordnen werde. Aber daß es
diesmal etliche Nominierungen geben wird, scheint sich kaum vermeiden zu
lassen. Die besten Aussichten für eine Berücksichtigung auch außerhalb der
technischen Kategorien sehe ich für das Drehbuch von Neal Purvis, Robert
Wade und John Logan sowie für die Darsteller. Dame Judi Dench ("My Week with Marilyn", "Jane Eyre"), deren Rolle als Geheimdienstchefin
"M" diesmal größer als sonst ausgefallen ist, halte ich für
aussichtsreich (allerdings macht sie sich selbst mit "Best Exotic Marigold
Hotel" Konkurrenz). Aber auch Ralph Fiennes ("Zorn der Titanen", "Harry Potter"-Reihe) und vor allem Javier Bardem ("No Country for Old Men")
als Bösewicht könnten es schaffen.
- Ein Film, den etliche Experten bereits seit seiner
Premiere im Mai bei den Filmfestspielen in Cannes auf der Rechnung haben, ist
das französische Drama "Der Geschmack von Rost und Knochen" von Jacques
Audiard ("Ein Prophet"). Ich habe mich bislang geweigert, ihn in
meine Liste der OSCAR-Kandidaten aufzunehmen, weil ich schlicht und ergreifend
sicher war und eigentlich immer noch bin, daß er keine Chance auf eine
Nominierung als Bester Film hat. Aber da Hauptdarstellerin Marion Cotillard ("The Dark Knight Rises", "Midnight in Paris") für
ihre Rolle einer Tiertrainerin, die nach einem schweren Unfall an den Rollstuhl
gefesselt ist, als sichere Kandidatin für eine Nominierung als Beste
Hauptdarstellerin gilt, sollte ich den Film zumindest einmal erwähnen. Und da
er letzte Woche auch noch beim (allerdings nicht zur A-Liga zählenden) London
Film Festival als Bester Film ausgezeichnet wurde, nehme ich ihn vorsichtshalber in
meiner Kandidatenliste im unteren Drittel der "Wildcards" auf.
- Die ersten Preisverleihungen bzw. Nominierungen, die den
Weg für die Awards Season weisen, gibt es erst Anfang Dezember (NBR Awards, New
Yorker Filmkritiker). Als Fingerzeig, der im Idealfall kleinere
Filme in die richtige Spur bringen kann, lassen sich jedoch bereits die Gotham
Independent Film Awards werten. Deren Aussagekraft ist schon durch die strengen
Auswahlkriterien begrenzt, denn wählbar sind lediglich US-amerikanische Filme,
die nicht von einem der großen Studios produziert wurden. Womit die meisten
OSCAR-Favoriten aus dem Rennen sind. Dennoch schafften es in den vergangenen Jahren
Filme wie "Sideways", "The Hurt Locker" oder "Winter's Bone", durch
Siege bei den Gotham Awards auf sich aufmerksam zu machen, was schließlich zu
mehreren OSCAR-Nominierungen und bei "The Hurt Locker" sogar zum Sieg
in der Königsdisziplin "Bester Film" (immerhin gegen James Camerons "Avatar")
führte.
Als "Bester Film" des Jahres 2012 wurden in der vergangenen Woche nominiert:
- "Bernie" von Richard Linklater
- "The
Loneliest Planet" von Julia Loktev
- "The
Master" von Paul Thomas Anderson
-
"Middle of Nowhere" von Ava DuVernay
- "Moonrise Kingdom" von Wes Anderson
(die übrigen Kategorien kann man auf der Homepage der Gotham
Awards nachlesen: Gotham Independent Film Awards)
Von den diesjährigen Nominierten dürften allerdings nur wenige OSCAR-Format
besitzen. Die besten Aussichten hat natürlich "The
Master", dazu kommen Benh Zeitlins "Beasts of the Southern Wild"
(der aber überraschend "nur" für Regie und Hauptdarstellerin
nominiert wurde) und "Moonrise Kingdom" (Film und
Ensemble). Beim übrigen Feld wäre eine größere Ausbeute als möglicherweise die ein oder andere Nominierung in einer Nebenkategorie eine große Überraschung.
Wie üblich habe ich die beschriebenen Entwicklungen in meine OSCAR-Kandidatenübersicht eingepflegt:
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