Originaltitel:
The Bourne Legacy
Regie: Tony
Gilroy, Drehbuch: Dan und Tony Gilroy, Musik: James Newton Howard
Darsteller:
Jeremy Renner, Rachel Weisz, Edward Norton, Oscar Isaac, David Strathairn,
Scott Glenn, Albert Finney, Stacy Keach, Joan Allen, Željko Ivanek, Donna Murphy, Louis Ozawa
Changchien, Michael Chernus, Corey Stoll, Dennis Boutsikaris,
Michael Papajohn, Elizabeth Marvel
Die hartnäckige Weigerung des abtrünnigen CIA-Agenten Jason
Bourne, sich einfach töten zu lassen, zeitigt nicht nur auf Personen, die in persönlichem Kontakt zu ihm stehen, drastische Auswirkungen. Als Konsequenz aus
Bournes Taten befiehlt der für die CIA-Geheimprojekte zuständige Eric Byer (Edward Norton, "Moonrise Kingdom"), alle Hinweise auf die "Operation Outcome" auszulöschen, die eine Art Schwesterprogramm der "Operation Treadstone" ist, der Bourne angehörte. Im Klartext heißt das, daß alle, die damit zu tun haben, getötet werden sollen. Aaron Cross
(Jeremy Renner, "The Avengers") kann als einziger "Outcome"-Teilnehmer fliehen. Gemeinsam
mit der am Projekt beteiligten Wissenschaftlerin Dr. Marta Shearing
(Rachel Weisz, "Agora"), die er im letzten Moment vor einem inszenierten
"Selbstmord" rettet, versucht er, sich seinen Häschern zu entziehen. Gleichzeitig muß er einen Weg finden, seine Abhängigkeit von Medikamenten, mit
denen die Fähigkeiten der "Outcome"-Teilnehmer stark verbessert wurden und
die er nun natürlich nicht mehr erhält, zu überwinden ...
Kritik:
Man konnte erwarten, daß "Das Bourne Vermächtnis"
entscheidend für die Regiekarriere von Tony Gilroy sein würde. Mit seinem Debüt
nach vielen Jahren als reiner Drehbuch-Autor, dem siebenfach OSCAR-nominierten
Oldschool-Thriller "Michael Clayton" mit George Clooney wußte er zu
nachhaltig zu beeindrucken, anschließend enttäuschte er jedoch (abgesehen von einem
brillanten Prolog während des Vorspanns) mit der geschwätzigen
Wirtschaftskomödie "Duplicity" mit Julia Roberts und Clive Owen. War
also "Michael Clayton" eine Eintagsfliege oder "Duplicity"
ein unglücklicher Ausrutscher? Da Gilroy bei allen bisherigen
"Bourne"-Filmen am Drehbuch beteiligt war, standen die Chancen gut,
daß er bei diesem Spin-Off mit neuem Hauptdarsteller, aber bekanntem Szenario
gute Arbeit abliefern würde. Doch der fertige Film hätte uneindeutiger kaum
ausfallen können: Während die erste Hälfte des 130-Minüters nahtlos an die
Stärken von "Michael Clayton" anknüpft, macht Gilroy in der zweiten Filmhälfte ähnlich schwerwiegende Fehler wie bei "Duplicity".
Dabei ist der Ansatz, den ersten "Bourne"-Film
ohne Jason Bourne mehr oder weniger parallel zu den Ereignissen des
Trilogie-Finales "Das Bourne Ultimatum" spielen zu lassen, dessen
Nebendarsteller fast ausnahmslos zu übernehmen und einige hochkarätige neue
Schauspieler hinzuzufügen, sehr vielversprechend. Auch wenn es durch die vielen
Verweise auf die ersten drei Filme nicht so einfach ist, Serienneulinge zu erreichen. Doch zu Beginn macht "Das Bourne Vermächtnis" tatsächlich
fast alles richtig. Gilroy hantiert virtuos mit drei sich ständig abwechselnden
Handlungssträngen: Die CIA-Oberen versuchen ihre Spuren zu verwischen, die
ahnungslose Dr. Shearing wird von der wichtigen Wissenschaftlerin zur
gefährlichen Zeugin und Aaron Cross befindet sich gerade auf einer Art
Prüfungsmission in der unwirtlichen Wildnis Alaskas, die für sich genommen schon schwierig genug ist, durch die Säuberungsaktion seiner Vorgesetzten aber erst so richtig brisant wird. Diese drei Erzählstränge sind ausnahmslos spannend, beinhalten
interessante Nebencharaktere (allen voran Oscar Isaac als weiteren
"Outcome"-Teilnehmer und Željko Ivanek als Kollegen von Dr. Shearing)
und führen geschickt die drei neuen Hauptfiguren ein. Doch das furiose
Zwischenfinale zur Filmmitte, in dem Aaron und Dr. Shearing
aufeinandertreffen, erweist sich als unerwartet scharfer und schmerzhafter
Wendepunkt.
Denn obwohl sich die Geschichte nun auf zwei Handlungsebenen
verengt – auf der einen Seite Aaron und Dr. Shearing, auf der anderen ihre CIA-Häscher – und mit
Manila einen exotischen neuen Haupthandlungsschauplatz einführt, wird sie nicht etwa
temporeicher (was auch nicht unbedingt nötig wäre, denn die erste Hälfte ist in
dieser Hinsicht sehr gelungen), sondern Gilroy nimmt im Gegenteil fast
vollständig das Tempo heraus. Wäre das nur bei einem der beiden Stränge der Fall,
wäre es noch zu verschmerzen, aber unerklärlicherweise werden weder die Flucht in die philippinische
Hauptstadt noch die Versuche von Byer und seinem Team, das ungleiche Duo
aufzuspüren, ansprechend präsentiert. Stattdessen verlieren sich die
Flüchtigen in medizinischem Geschwafel und ihre Häscher drehen sich ziemlich im
Kreis. Die spannenden politischen Dimensionen des ganzen Geschehens werden
leider größtenteils ignoriert, weshalb auch die prominenten "Das Bourne
Ultimatum"-Darsteller (David Strathairn, Scott Glenn, Albert Finney, Joan Allen) in kaum mehr als Cameos verschwendet sind. Ergo
zieht sich die nun simple Story sehr, sehr gemächlich hin, bis es zum
unvermeidlichen Action-Showdown in Form einer Verfolgungsjagd zu Fuß und auf
Motorrädern kommt. Diese Sequenz ist zwar sehr solide umgesetzt, erreicht aber bei
weitem nicht das Niveau des Zwischenfinales und auch nicht das vergleichbarer
Szenen in der ursprünglichen "Bourne"-Trilogie. Und das Ende selbst
läßt das Publikum recht unbefriedigt zurück.
Die drei neuen Hauptdarsteller machen ihre Sache immerhin
sehr überzeugend, Jeremy Renner kann seinem Vorgänger Matt Damon durchaus das Wasser
reichen und ergänzt sich gut mit OSCAR-Gewinnerin Rachel Weisz. Edward
Norton ist als zwar patriotischer, aber skrupelloser Strippenzieher ebenfalls
hervorragend besetzt, wenngleich schauspielerisch eher unterfordert.
Problematisch ist, daß die beiden Protagonisten (abgesehen von einer kurzen
Rückblende) nie auf ihren primären Gegenspieler treffen, sondern nur auf dessen
Schergen. Während Jason Bourne in den vorherigen Filmen immer auf irgendeine
Weise Kontakt zu seinen Verfolgern aufnahm und es so zu direkten
Konfrontationen in knisternder Atmosphäre kam, versuchen Aaron und Dr. Shearing
einfach nur, sich unsichtbar zu machen. In der Folge fehlt schlicht und
ergreifend die persönliche Ebene zwischen den beiden Helden und dem
Antagonisten.
Als Regisseur macht Tony Gilroy übrigens nur selten Gebrauch
von einem der prägendsten Stilelemente der vorherigen Filme, der
berühmt-berüchtigten Wackelkamera. Abgesehen vom Showdown kommt sie kaum zum Einsatz und auch dann bei weitem nicht so extrem wie vor allem in den beiden
von Paul Greengrass inszenierten Filmen. Etliche Zuschauer wird das freuen,
aber andererseits gibt "Das Bourne Vermächtnis" damit auch ein
bißchen dessen auf, was die "Bourne"-Filme zu so großen kommerziellen
und künstlerischen Erfolgen gemacht hat. Was übrigens auch auf den
Komponistenwechsel zutrifft. Die musikalische Untermalung durch Altmeister James
Newton Howard ("Die Tribute von Panem", "Auf der Flucht")
ist zwar beileibe nicht schlecht, hält sich aber ziemlich im Hintergrund und
erreicht damit bei weitem nicht jenen Anteil am Gesamtkunstwerk wie John
Powells grandioser Actionscore, der bei der Original-Trilogie ein kleiner, aber
nicht zu unterschätzender Mosaikstein war.
An den weltweiten Kinokassen konnte "Das Bourne
Vermächtnis" nicht an den Erfolg der Damon-Filme anknüpfen, allerdings war
er noch erfolgreich genug, daß eine Fortsetzung mit Renner gesichert sein dürfte.
Die Filmemacher haben jedenfalls schon rege über mögliche Entwicklungen
spekuliert, selbst ein Aufeinandertreffen von Aaron Cross und Jason Bourne ist
im Gespräch. Allerdings gibt sich Matt Damon diesbezüglich sehr zurückhaltend,
da er eigentlich nur in diese Rolle zurückkehren möchte, wenn wieder Paul Greengrass
die Regie übernimmt.
Fazit: "Das Bourne Vermächtnis" ist eine
interessante Fortführung der "Bourne"-Trilogie, die einen
überzeugenden neuen Hauptdarsteller einführt, nach einer richtig starken ersten Hälfte
aber ziemlich in Bedeutungslosigkeit und Langeweile kollabiert. Dennoch: Der
Grundstein für eine bessere Fortsetzung ist zweifelsohne gelegt.
Wertung: 6,5 Punkte (8,5 für die erste Hälfte, 4,5 für die
zweite).
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