Regie: Benh Zeitlin, Drehbuch: Lucy Alibar, Benh Zeitlin,
Musik: Dan Romer und Benh Zeitlin
Darsteller: Quvenzhané Wallis, Dwight Henry, Lowell Landes,
Gina Montana, Levy Easterly, Pamela Harper, Philip Lawrence, Jovan Hathaway
Auf einer kleinen, aufgrund der globalen Klimaerwärmung
früher oder später unweigerlich von der Überflutung bedrohten Sumpfinsel an der Küste
Louisianas, gennant "Bathtub" (also "Badewanne"), lebt eine verschworene Gemeinschaft von Außenseitern und Eigenbrötlern,
die sich von den kargen Erträgen der Natur selbst versorgt. Die immer häufiger und heftiger
auftretenden Stürme, die den Bathtub jedes Mal verwüsten, überzeugen etliche Bewohner, lieber gleich
und für immer ihre Sachen zu packen und aufs Festland zu ziehen. Andere wollen
sich von ihrer Heimat, sei sie auch noch so unwirtlich, keinesfalls
vertreiben lassen. Zu diesen gehört der kranke Wink (Dwight Henry), der mit
seiner sechsjährigen, mit einer überbordenden Phantasie gesegneten Tochter
Hushpuppy (Quvenzhané Wallis) im Bathtub lebt und das Kind durchaus liebevoll,
aber mit harter Hand auf die Zeit ohne ihn vorbereitet ...
Kritik:
Nach einer gefeierten Uraufführung im Januar 2012 beim
Sundance Filmfestival mauserte sich das Langfilmdebüt des Regisseurs und
Co-Autors Benh Zeitlin in Windeseile zum Geheimtip, wurde auf Festivals in der
ganzen Welt (Cannes, Karlsbad, Seattle, Sydney, München) gefeiert und mit
zahlreichen Preisen bedacht und gilt inzwischen sogar als Mitfavorit für die
kommende OSCAR-Verleihung. Viele Kritiker loben die
authentische Inszenierung, die (ebenfalls von Zeitlin mitverantwortete) schöne Musik, die atmosphärischen Bilder und den poetischen Erzählstil. Zu einem Blockbuster hat all diese öffentliche
Aufmerksamkeit "Beasts of the Southern Wild" allerdings nicht
gemacht, in den USA überschritt das Einspielergebnis nur mit Mühe die
Marke von 10 Millionen US-Dollar. Selbstverständlich ist das für eine mit Laiendarstellern realisierte
Low-Budget-Produktion, die den märchenhaften Elementen zum Trotz im Kern ein
ziemlich rührseliges Sozialdrama ist, ohne Frage ein sehr beachtliches Ergebnis – es zeigt aber
auch auf, daß "Beasts of the Southern Wild" beileibe kein Film für
jeden Geschmack ist, sondern sich an ein relativ eng gefaßtes, arthouseaffines Nischenpublikum
richtet. Ich muß gestehen, daß ich offensichtlich nicht zu diesem zähle.
Angesichts der Lobeshymnen der Fachpresse und der in der
Berichterstattung immer wieder betonten, durch die kindliche Vorstellungskraft
der (als Quasi-Erzählerin fungierenden) kleinen Hushpuppy beförderten
phantastischen Komponente der Geschichte war ich mit hohen Erwartungen
an Zeitlins Werk herangegangen, die leider nicht ansatzweise erfüllt wurden.
Zwar sind die oben genannten, von den Anhängern des Films hervorgehobenen Elemente allesamt
vorhanden. Sie reichen in meinen Augen aber nicht aus, um "Beasts of the
Southern Wild" in seiner Gesamtheit zu einem guten Film zu machen.
Die poetische Erzählweise beispielsweise ist viel zu schwach ausgeprägt, um das
eigentliche Sozialdrama zu etwas Besonderem zu machen. Und die Inszenierung
wirkt zwar in der Tat ausgesprochen authentisch – wacklige Handkamera inklusive
–, damit aber auch eher deprimierend und frustrierend. Ja, das Leben der
Bathtub-Bewohner ist zweifellos sehr schwer, aber es ist gar nicht so leicht, viel
Mitgefühl für Figuren zu empfinden, die fast durch die Bank einen eher
unsympathischen Eindruck machen und sich zudem nicht gerade vorbildlich
verhalten. So nachvollziehbar es auch sein mag, daß jemand sein angestammtes
Zuhause nicht so einfach verlassen will (gerade wenn er ansonsten kaum etwas
besitzt): Wer angesichts einer akuten Sturmwarnung und später sogar eines
staatlichen Evakuierungsbefehls aus reinem, blinden Stolz wissentlich sein
eigenes Leben und vor allem das seiner Kinder gefährdet, anstatt sich zumindest
vorübergehend in die angebotene Sicherheit zu flüchten, mit dem kann ich kaum
Mitleid empfinden. An dem die entsprechenden Personen in ihrem Stolz aber sowieso kein Interesse hätten. Als Geschichte eines Abschieds von Vater und Tochter
funktioniert "Beasts of the Southern Wild" deutlich besser und hat
auch dank guter schauspielerischer Leistungen einige wirklich anrührende Momente
zu bieten, aber über reines Mittelmaß hinaus bringt das Zeitlins Werk nach
meiner Einschätzung nicht.
Zugegeben, die exotischen Landschaftsaufnahmen sind wirklich
beeindruckend und auch der obligatorische Störfaktor der Wackelkamera hält sich Grenzen. Die stimmungsvolle Musik von Zeitlin und Dan Romer ist sogar ein
kleines Kunstwerk und die Spezialeffekte sind angesichts des sehr geringen
Budgets durchweg ordentlich ausgefallen. Allerdings sehr spärlich. Denn diese
vielbeschworene märchenhafte Komponente fällt in "Beasts of the Southern
Wild" dermaßen mickrig aus – im Wesentlichen beschränkt sie sich auf die gelegentliche kurze Einblendung einer Herde urzeitlicher "Auerochsen", die in Hushpuppys
Phantasie wie riesige Wildschweine aussehen, sowie imaginäre Gespräche mit der abwesenden Mutter des Mädchens –, daß ihr Einfluß auf die
Rezeption des Films durch das Publikum kaum der Rede wert ist. Im Gegenteil
wird sogar die Authentizität mitunter so weit getrieben, daß es einige sicherlich
realistische, doch für Tierfreunde nur schwer zu ertragende Szenen gibt. Vielleicht ist auch das einer Gründe dafür, daß mich der angebliche Zauber dieser Independent-Produktion einfach nicht erfassen wollte.
Fazit: "Beasts of the Southern Wild" ist
ein authentisches, poetisch angehauchtes Südstaaten-Sozialdrama, das mit toller
Musik, einigen schönen Landschaftsaufnahmen, guten Leistungen der
Laiendarsteller und einer phasenweise bewegenden Vater-Tochter-Geschichte punktet,
aber durch unsympathische Charaktere, budgetbedingte technische
Defizite und eine arg rührselige Erzählweise verprellt.
Wertung: 5 Punkte.
Nur fünf Punkte halte für zu wenig. Ich halte auch die poetische Bildsprache keineswegs für zu wenig ausgeprägt. Die Kamera klebt manchmal förmlich an den Gesichtern der Schauspieler. Man sieht den Thunfischmatsch, der blummernd vor sich hinköchelt. Man sieht den Dampf, der aus dem Kochtopf steigt. Der Staub, der durch die Luft fliegt. Wieviel Poetik muss es denn noch sein?
AntwortenLöschenHier meine Review: https://filmkompass.wordpress.com/2014/10/24/beasts-of-the-southern-wild-2012/