Originaltitel: War Horse
Regie: Steven Spielberg, Drehbuch: Lee Hall und Richard Curtis, Musik: John Williams
Darsteller: Jeremy Irvine, Emily Watson, Peter Mullan, David Thewlis, Benedict Cumberbatch, David Kross, Liam Cunningham, Niels Arestrup, Tom Hiddleston, David Dencik, Celine Buckens
Ländliches England, kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges: Der junge Albert Narracott (Newcomer Jeremy Irvine) richtet liebevoll das
Vollblut-Pferd Joey ab, das sein trunksüchtiger Vater (Peter Mullan, "Children of Men") anstatt
des dringen benötigten Arbeitspferdes gekauft hat. Obwohl niemand es für möglich
hält, gelingt es Albert, mit Joey einen steinigen Acker umzupflügen, der für
die Existenz seiner Familie von entscheidender Bedeutung ist. Doch dann bricht
der Krieg aus und während Albert noch nicht alt genug ist, um Soldat zu werden,
muß Joey als Offizierspferd an die Front auf dem europäischen Festland. Dort
erlebt das Pferd die Schrecken des "Krieges, der alle Kriege beenden
sollte" aus nächster Nähe und geht dabei durch britische, französische und deutsche
Hände ...
Kritik:
Es gibt zwei Personengruppen, die einen ganz weiten Bogen um Steven Spielbergs neues Werk machen sollten. Erstens Zyniker, denn Spielberg präsentiert seinem Publikum eine Geschichte voller ganz großer Gefühle, die er (fast) frei von Ironie sowie ohne jede Scheu vor Pathos und hemmungsloser Sentimentalität inszeniert. Zweitens jeder, der noch nie eine richtig enge emotionale Bindung an ein Tier erlebt hat und auch nicht in der Lage ist, sich solche eine Beziehung vorzustellen – denn dann sind verständnislose Reaktionen á la "was soll eigentlich das ständige Getue um den doofen Gaul?" wohl unvermeidbar ...
Es gibt zwei Personengruppen, die einen ganz weiten Bogen um Steven Spielbergs neues Werk machen sollten. Erstens Zyniker, denn Spielberg präsentiert seinem Publikum eine Geschichte voller ganz großer Gefühle, die er (fast) frei von Ironie sowie ohne jede Scheu vor Pathos und hemmungsloser Sentimentalität inszeniert. Zweitens jeder, der noch nie eine richtig enge emotionale Bindung an ein Tier erlebt hat und auch nicht in der Lage ist, sich solche eine Beziehung vorzustellen – denn dann sind verständnislose Reaktionen á la "was soll eigentlich das ständige Getue um den doofen Gaul?" wohl unvermeidbar ...
Wer sich nicht zu diesen Gruppen zählt, der hat dafür eine
gute Chance, daß ihn Spielbergs altmodisches Pferde-Epos – basierend auf einem
Roman und dessen erfolgreicher Broadway-Adaption – gut unterhält. Die ersten 50
Minuten, die zeigen, wie die Bindung zwischen Albert und Joey entsteht, sind
wohl der gelungenste Part des Films und könnten glatt von John Ford oder
William Wyler (mit dessen "Freundliche Versuchung" der Film nicht
nur eine vorlaute Gans gemeinsam hat) gedreht worden sein. Mit Beginn des
Krieges verliert "Gefährten" leider etwas an Fahrt, da die
menschlichen Hauptfiguren wechseln und der Mittelteil des Films stark
episodisch geprägt ist. Zwar sind alle diese Episoden erzählerisch gelungen und
gut besetzt, dennoch läßt sich nicht vermeiden, daß das Erzähltempo im
Vergleich zum wunderbar flüssigen ersten Akt holpriger wird. Zudem ist
es der Kardinalfehler von "Gefährten", daß es Spielberg nicht
gelingt, aus Joey eine wirklich gleichberechtigte Hauptfigur zu machen.
Theoretisch sehen wir die Geschehnisse durch seine Augen, die Menschen, auf die
er trifft, sollen nur Randerscheinungen sein. Doch funktioniert dieses gewagte
Konzept nur teilweise – zwar folgen wir tatsächlich meist Joeys Erlebnissen
(ganz konsequent hält Spielberg dessen Perspektive jedoch nicht durch), aber
zumindest bis zum dramatischen Schlußdrittel sind es dennoch die menschlichen Figuren, die
einen wesentlich stärkeren Eindruck hinterlassen.
Im letzten Drittel bessert sich das wieder, zumal die
Handlung nun zu einem dramatischen Höhepunkt mit etlichen denkwürdigen Szenen
findet – wenngleich die Glaubwürdigkeit zunehmend darunter leidet und die unsichtbare Grenze zum Kitsch mitunter herzhaft überschritten wird. Doch die
größte Stärke von "Gefährten" ist sowieso nicht die Handlung (obwohl
mit Richard Curtis einer meiner Lieblings-Schreiberlinge am Drehbuch beteiligt
war), sondern Spielbergs nostalgische Inszenierung, die von einer wunderbaren
Kamerarbeit des OSCAR-nominierten Janusz Kaminski mit gemäldeartigen
Einstellungen und zahllosen Nahaufnahmen gestützt wird. Zudem ist Altmeister
John Williams sein bester Soundtrack seit vielen Jahren gelungen, mit
wuchtigen, Spielbergs Inszenierungsstil angemessen pompösen bis triumphalen
Klängen unterstreicht er die Überlebensgröße dieses Films, der wie ein
klassisches Epos aus Hollywoods "Goldener Ära" wirkt.
Zweifelsohne ist das für so manchen Zuschauer zuviel des Guten,
aber wem es gelingt, sich darauf einzulassen, der wird mit einem eindrucksvollen Film
belohnt. Wäre es Spielberg noch gelungen, Joey zu einem stärkeren
Protagonisten zu machen, sein Werk hätte ein echter Klassiker werden können. So
ist das Resultat "nur" ein schöner Film.
Bezüglich der Kriegsszenen spart "Gefährten" übrigens nicht mit bedrückenden, teilweise brutalen Bildern, beläßt es aber meist doch bei Andeutungen – zum Glück, denn eine ultrarealistische Darstellung wie zu Beginn von "Der Soldat James Ryan" oder in "Schindlers Liste" hätte zu dieser Geschichte auch nicht gepaßt.
Bezüglich der Kriegsszenen spart "Gefährten" übrigens nicht mit bedrückenden, teilweise brutalen Bildern, beläßt es aber meist doch bei Andeutungen – zum Glück, denn eine ultrarealistische Darstellung wie zu Beginn von "Der Soldat James Ryan" oder in "Schindlers Liste" hätte zu dieser Geschichte auch nicht gepaßt.
Fazit: "Gefährten" setzt den Nostalgie-Trend
dieser OSCAR-Saison (nach "Midnight in Paris", "The Artist"
und "Hugo Cabret") nahtlos und in vor allem technisch beeindruckender
Qualität fort und präsentiert stolz eine dramatische, ironiefrei erzählte
Geschichte voller Emotionalität und Dramatik, wie sie Hollywood vor allem in den
1940er und 1950er Jahren auf die Leinwand gebracht hat.
Wertung: 8,5 Punkte.
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