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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 18. Juni 2019

THE DEAD DON'T DIE (2019)

Regie und Drehbuch: Jim Jarmusch, Musik: SQÜRL
Darsteller: Bill Murray, Adam Driver, Tilda Swinton, Chloë Sevigny, Tom Waits, Danny Glover, Caleb Landry Jones, Steve Buscemi, Selena Gomez, Austin Butler, Luka Sabbat, RZA, Rosie Perez, Eszter Balint, Maya Delmont, Taliyah Whitaker, Jahi Di'Allo Winston, Larry Fessenden, Carol Kane, Sara Driver, Sturgill Simpson, Iggy Pop
The Dead Don't Die (2019) on IMDb Rotten Tomatoes: 55% (5,8); weltweites Einspielergebnis: $15,3 Mio.
FSK: 16, Dauer: 105 Minuten.

Als extensives Fracking in den polaren Regionen die Erdachse aus dem Gleichgewicht bringt, können Industrie und Behörden noch so viel dementieren und alles als "Panikmache" abtun: Es ist offensichtlich, daß immer merkwürdigere Dinge geschehen. Der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung ist, daß sich die Toten aus ihren Gräbern erheben und einen großen Hunger auf Menschenfleisch offenbaren. Mit dieser Zombieinvasion muß sich in der ländlichen Kleinstadt Centerville der Polizeichef Cliff Robertson (Bill Murray, "Die Tiefseetaucher") mit seinen Officers Ronnie (Adam Driver, "BlacKkKlansman") und Mindy (Chloë Sevigny, "Zodiac") herumplagen. Nach den ersten zwei Todesfällen kennt man zwar die Urheber noch nicht, aber sowohl Ronnie als auch der an der örtlichen Tankstelle arbeitende Nerd Bobby (Caleb Landry Jones, "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri") sind sich sicher: Das können nur Untote gewesen sein! Glücklicherweise gibt es außerdem noch Zelda Winston (Tilda Swinton, "Doctor Strange"), die exzentrische neue Bestatterin mit dem merkwürdigen Akzent, die ein echtes Samuraischwert besitzt und damit vorzüglich umzugehen weiß …

Kritik:
Jim Jarmusch und eine Zombie-Komödie? "Das paßt ja überhaupt nicht zusmamen!", mögen einige konstatieren. Aber wenn man sich die Filmographie der eigenwilligen US-amerikanischen Independent-Ikone ansieht, dann paßt das eigentlich sehr gut. Immerhin hat Jarmusch bereits einen Western gedreht ("Dead Man"), einen Samurai-Film ("Ghost Dog") und einen kafkaesken Thriller ("The Limits of Control") sowie einen Vampirfilm ("Only Lovers Left Alive"). Warum also nicht auch eine Zombiekomödie? Natürlich kann man einwenden, daß die Zombie-Thematik in den letzten Jahren wahrlich ausgereizt wurde – gewissermaßen zu Tode geritten (ahem …) –, aber das war bei Western oder Vampirfilmen ja nicht wirklich anders und trotzdem konnte Jim Jarmusch beiden Genres mit seinem speziellen, zutiefst lakonischen Stil neue und spannende Facetten abgewinnen. Bedauerlicherweise gelingt ihm das bei den wandelnden Toten nicht so richtig. "The Dead Don't Die", immerhin Eröffnungsfilm des Festivals von Cannes, bietet jenen, die mit der für Jarmusch typischen Langsamkeit und der eher nihilistischen Story klarkommen, ordentliche Unterhaltung mit ein paar netten Ideen, einer ungewöhnlichen Zombievariante und einer gewohnt großartigen Besetzung; doch irgendwie wird man die gesamten gut eineinhalb Stunden über den Eindruck nicht los, daß Jarmusch abseits der Idee "Hey, ich könnte doch mal eine Zombiekomödie machen!" nicht mehr so richtig viel einfiel. Und das ist sehr schade, denn bei allen Qualitäten, die "The Dead Don't Die" trotzdem hat: Von Jim Jarmusch hätte man irgendwie doch mehr ewartet.

Relativ originell sind die Untoten gestaltet, die schnell Centerville bevölkern: Wie die Romero-Zombies zählen sie ganz klassisch zu der langsam schlurfenden Variante, allerdings haben sie es nicht nur auf Menschenfleisch abgesehen (und scheinbar gar nicht auf Gehirne), sondern werden von der Sehnsucht nach dem angetrieben, was sie als Lebende am meisten begehrt haben – etwa Wein, Kaffee, Süßigkeiten, Drogen oder auch ein funktionierendes WLAN-Netz. Diese Zombies haben sich also rudimentäre Erinnerungen an ihr früheres Leben erhalten und können ihr Begehren sogar noch verbal ausdrücken (der US-Kritiker David Ehrlich meint daher, sie wirkten "wie lobotomierte Pokémon", was ich ziemlich witzig finde). Selbstredend ist die seit Romeros "Die Nacht der lebenden Toten" zum Zombie-Genre gehörende Metaphorik sehr offensichtlich und nicht allzu subtil, zumal beispielsweise die Smartphone-Zombies stark an Edgar Wrights "Shaun of the Dead" erinnern. Auch, daß menschliche Gier, hier symbolisiert durch das Polar-Fracking, den eigenen Untergang einleitet, ist ebenso wenig originell wie im Vorbeigehen verteilte Seitenhiebe gegen den Trumpismus (der von Steve Buscemi verkörperte Farmer Miller läuft ständig mit einer roten "Keep America White Again"-Kappe herum) – erneut gilt: Da hätte man von Jim Jarmusch mehr erwarten dürfen, aber auch so ist es immer noch einigermaßen amüsant. Interessant ist zudem, daß in den Adern der Untoten kein Blut mehr fließt, sondern eine Art schwarzer Sand oder vielleicht auch Asche, was ihre Bekämpfung zu einer unerwartet staubigen Angelegenheit macht …

Hilfreich für das Gelingen des Films ist natürlich, daß die teils recht platten, manchmal aber auch ziemlich cleveren Gags von einem Ensemble ausgesuchter Qualität vorgetragen werden. Ein Großteil der Komik von "The Dead Don't Die" speist sich daraus, daß speziell die beiden Ordnungshüter-Protagonisten Cliff und Ronnie auf die katastrophalen Vorkommnisse mit einer so demonstrativen Gelassenheit reagieren, als wäre eine Zombie-Invasion "just another day in Centerville". Murray ist dafür natürlich die Idealbesetzung, hat er doch im Grunde genommen seine gesamte Karriere auf Figuren aufgebaut, die todernst und knochentrocken auf die größten Verrücktheiten um sie herum reagieren – und das spielt bis heute niemand besser als er. Doch mit Adam Driver hat er einen hervorragenden Partner gefunden, mit dem er sich die Dialog-Bälle gekonnt zuspielt (wobei Ronnie einen wirklich guten Grund für seine Gelassenheit hat, wie wir spät erfahren). Das Gegenstück zu diesem Duo bildet Chloë Sevignys Mindy, die eigentlich als einzige Figur im Film so reagiert und handelt wie ein ganz normaler Mensch – dieser Kontrast verstärkt nur die Merkwürdigkeit des Verhaltens fast aller anderen. So richtig interessiert sich Jarmusch allerdings nicht für seine Figuren, über die wir selbst bei den zentralen Charakteren kaum etwas erfahren. Besonders auffällig wird das Desinteresse bei einigen Nebenfiguren, die arg lieblos behandelt werden. Die verschiedenen Storystränge sollen wohl eine Art Kaleidoskop der Folgen der Zombieinvasion für Centerville bilden, doch während beispielsweise Bobby und Hank (Danny Glover, "Ein Gauner & Gentleman"), die sich in Hanks umfangreich bestücktem Waffenladen verbarrikadieren, oder ein im örtlichen Motel übernachtendes Hipster-Trio aus der Großstadt (Popstar Selena Gomez, Austin Butler aus der TV-Serie "Shannara", Luka Sabbat aus der TV-Serie "Grown-ish") zumindest direkte Berührungspunkte zu den anderen Bewohnern und den Polizisten haben, bleibt die Miteinbeziehung eines jugendlichen Strafträter-Trios in der Besserungsanstalt (zumindest ist das meine Interpretation, erklärt wird überhaupt nichts) bis zum Schluß ein Rätsel und wirkt eher wie eine durchschaubare Methode, die Laufzeit etwas zu strecken.

Definitiv gerne noch mehr gesehen hätte ich derweil von Tilda Swinton, die einmal mehr eine wunderbar exzentrische Rolle spielt und mit dem Samurai-Schwert fast schon zur Actionheldin mutiert, zudem den mit Abstand besten Abgang aller Figuren spendiert bekommt. Genrekenner können übrigens die Augen nach etlichen Cameos speziell bei den Zombies Ausschau halten, die werden nämlich u.a. von "Godfather of Punk" Iggy Pop, Horror-Regisseur Larry Fessenden ("Beneath"), OSCAR-Nominee Carol Kane ("Der Stadtneurotiker") und Countrymusiker Sturgill Simpson verkörpert, außerdem sind Rosie Perez ("Do the Right Thing") als TV-Journalistin und Musiker Tom Waits als "Einsiedler-Bob" (der als eine Art Erzähler und Beobachter fungiert) mit von der Partie. Des weiteren gibt es zahllose popkulturelle Anspielungen, vor allem in Bobbys Tankstellenladen kann man viel Nerd-Kram erspähen, aber auch manche Namen kommen einem bekannt vor (der von Buscemi gespielte Farmer heißt Frank Miller wie der "Sin City"-Comicautor, auf einem Grabstein steht der Name des "Schock-Korridor"-Regisseurs Samuel Fuller). Und apropos Sturgill Simpson: Von dem stammt der Titelsong, der sich wie ein Running Gag durch den gesamten Film zieht und auch Anlaß für einen von mehreren witzigen Meta-Gags ist (Cliff hört den Song im Autoradio und fragt sich, warum er ihm so bekannt vorkommt, worauf Ronnie erwidert: "Na, das ist der Titelsong!"). Solche schrägen Momente gibt es zum Glück immer wieder und da auch die Kämpfe gegen die Zombies sehr solide inszeniert sind, ist es mir nie langweilig geworden. Klar ist aber: Wer trotz des Namens Jarmusch mit einer auch nur ansatzweise "normalen" Zombiekomödie rechnet, der wird sehr wahrscheinlich enttäuscht werden, zumal das Ende des Films relativ phantasielos daherkommt. Letztlich ist "The Dead Don't Die" eben in erster Linie immer noch ein Jarmusch-Film – und das ist auch gut so.

Fazit: "The Dead Don't Die" ist eine ziemlich entspannte, lakonische Arthouse-Zombiekomödie voller skurriler Figuren, die ihr inhaltliches Potential wegen einer wenig aufregend entwickelten Handlung nie ausschöpft, aber mit einer hochkarätigen Besetzung und einigen netten Ideen das richtige Publikum ordentlich unterhält.

Wertung: 6,5 Punkte.


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