Regie und Drehbuch: Jim Jarmusch, Musik: SQÜRL
Darsteller: Bill Murray, Adam Driver, Tilda Swinton, Chloë
Sevigny, Tom Waits, Danny Glover, Caleb Landry Jones, Steve Buscemi, Selena
Gomez, Austin Butler, Luka Sabbat, RZA, Rosie Perez, Eszter Balint, Maya
Delmont, Taliyah Whitaker, Jahi Di'Allo Winston, Larry Fessenden, Carol Kane,
Sara Driver, Sturgill Simpson, Iggy Pop
FSK: 16, Dauer: 105 Minuten.
Als extensives Fracking in den polaren Regionen die Erdachse aus
dem Gleichgewicht bringt, können Industrie und Behörden noch so viel
dementieren und alles als "Panikmache" abtun: Es ist
offensichtlich, daß immer merkwürdigere Dinge geschehen. Der vorläufige Höhepunkt
dieser Entwicklung ist, daß sich die Toten aus ihren Gräbern erheben und einen großen
Hunger auf Menschenfleisch offenbaren. Mit dieser Zombieinvasion muß sich in
der ländlichen Kleinstadt Centerville der Polizeichef Cliff Robertson (Bill
Murray, "Die Tiefseetaucher") mit seinen Officers Ronnie (Adam
Driver, "BlacKkKlansman") und Mindy (Chloë Sevigny, "Zodiac") herumplagen. Nach den ersten zwei Todesfällen kennt man
zwar die Urheber noch nicht, aber sowohl Ronnie als auch der an der örtlichen
Tankstelle arbeitende Nerd Bobby (Caleb Landry Jones, "Three Billboards Outside Ebbing, Missouri") sind sich sicher: Das können nur Untote gewesen
sein! Glücklicherweise gibt es außerdem noch Zelda Winston (Tilda Swinton,
"Doctor Strange"), die exzentrische neue Bestatterin mit dem
merkwürdigen Akzent, die ein echtes Samuraischwert besitzt und damit
vorzüglich umzugehen weiß …
Kritik:
Jim Jarmusch und eine Zombie-Komödie? "Das paßt ja
überhaupt nicht zusmamen!", mögen einige konstatieren. Aber wenn man
sich die Filmographie der eigenwilligen US-amerikanischen Independent-Ikone
ansieht, dann paßt das eigentlich sehr gut. Immerhin hat Jarmusch bereits
einen Western gedreht ("Dead Man"), einen Samurai-Film ("Ghost
Dog") und einen kafkaesken Thriller ("The Limits of Control") sowie
einen Vampirfilm ("Only Lovers Left Alive"). Warum also nicht auch
eine Zombiekomödie? Natürlich kann man einwenden, daß die Zombie-Thematik in
den letzten Jahren wahrlich ausgereizt wurde – gewissermaßen zu Tode geritten
(ahem …) –, aber das war bei Western oder Vampirfilmen ja nicht wirklich anders
und trotzdem konnte Jim Jarmusch beiden Genres mit seinem speziellen, zutiefst
lakonischen Stil neue und spannende Facetten abgewinnen. Bedauerlicherweise gelingt
ihm das bei den wandelnden Toten nicht so richtig. "The Dead Don't
Die", immerhin Eröffnungsfilm des Festivals von Cannes, bietet jenen, die mit der für Jarmusch typischen Langsamkeit und der eher
nihilistischen Story klarkommen, ordentliche Unterhaltung mit ein paar netten
Ideen, einer ungewöhnlichen Zombievariante und einer gewohnt großartigen
Besetzung; doch irgendwie wird man die gesamten gut eineinhalb Stunden über den
Eindruck nicht los, daß Jarmusch abseits der Idee "Hey, ich könnte doch
mal eine Zombiekomödie machen!" nicht mehr so richtig viel einfiel. Und
das ist sehr schade, denn bei allen Qualitäten, die "The Dead Don't
Die" trotzdem hat: Von Jim Jarmusch hätte man irgendwie doch mehr ewartet.
Relativ originell sind die Untoten gestaltet, die schnell Centerville bevölkern: Wie die Romero-Zombies zählen sie ganz klassisch
zu der langsam schlurfenden Variante, allerdings haben sie es nicht nur auf
Menschenfleisch abgesehen (und scheinbar gar nicht auf Gehirne), sondern werden
von der Sehnsucht nach dem angetrieben, was sie als Lebende am meisten begehrt
haben – etwa Wein, Kaffee, Süßigkeiten, Drogen oder auch ein
funktionierendes WLAN-Netz. Diese Zombies haben sich also rudimentäre Erinnerungen an ihr früheres Leben erhalten und können ihr Begehren sogar noch
verbal ausdrücken (der US-Kritiker David Ehrlich meint daher, sie wirkten
"wie lobotomierte Pokémon", was ich ziemlich witzig finde). Selbstredend
ist die seit Romeros "Die Nacht der lebenden Toten" zum Zombie-Genre
gehörende Metaphorik sehr offensichtlich und nicht allzu subtil, zumal
beispielsweise die Smartphone-Zombies stark an Edgar Wrights "Shaun of the
Dead" erinnern. Auch, daß menschliche Gier, hier symbolisiert durch
das Polar-Fracking, den eigenen Untergang einleitet, ist ebenso wenig originell
wie im Vorbeigehen verteilte Seitenhiebe gegen den Trumpismus (der von Steve
Buscemi verkörperte Farmer Miller läuft ständig mit einer roten "Keep
America White Again"-Kappe herum) – erneut gilt: Da hätte man von Jim Jarmusch
mehr erwarten dürfen, aber auch so ist es immer noch einigermaßen amüsant.
Interessant ist zudem, daß in den Adern der Untoten kein Blut mehr fließt,
sondern eine Art schwarzer Sand oder vielleicht auch Asche, was ihre Bekämpfung
zu einer unerwartet staubigen Angelegenheit macht …
Hilfreich für das Gelingen des Films ist natürlich, daß die teils recht platten,
manchmal aber auch ziemlich cleveren Gags von einem Ensemble ausgesuchter
Qualität vorgetragen werden. Ein Großteil der Komik von "The Dead Don't
Die" speist sich daraus, daß speziell die beiden
Ordnungshüter-Protagonisten Cliff und Ronnie auf die katastrophalen
Vorkommnisse mit einer so demonstrativen Gelassenheit reagieren, als wäre eine
Zombie-Invasion "just another day in Centerville". Murray ist
dafür natürlich die Idealbesetzung, hat er doch im Grunde genommen seine
gesamte Karriere auf Figuren aufgebaut, die todernst und knochentrocken auf die
größten Verrücktheiten um sie herum reagieren – und das spielt bis heute
niemand besser als er. Doch mit Adam Driver hat er einen hervorragenden Partner
gefunden, mit dem er sich die Dialog-Bälle gekonnt zuspielt (wobei Ronnie einen
wirklich guten Grund für seine Gelassenheit hat, wie wir spät erfahren). Das Gegenstück zu diesem Duo bildet Chloë Sevignys Mindy, die
eigentlich als einzige Figur im Film so reagiert und handelt wie ein ganz
normaler Mensch – dieser Kontrast verstärkt nur die Merkwürdigkeit
des Verhaltens fast aller anderen. So richtig interessiert sich Jarmusch allerdings
nicht für seine Figuren, über die wir selbst bei den zentralen Charakteren kaum
etwas erfahren. Besonders auffällig wird das Desinteresse bei einigen
Nebenfiguren, die arg lieblos behandelt werden. Die verschiedenen Storystränge sollen wohl eine Art Kaleidoskop der Folgen der Zombieinvasion
für Centerville bilden, doch während beispielsweise Bobby und Hank (Danny Glover,
"Ein Gauner & Gentleman"), die sich in Hanks umfangreich bestücktem Waffenladen
verbarrikadieren, oder ein im örtlichen Motel übernachtendes Hipster-Trio aus
der Großstadt (Popstar Selena Gomez, Austin Butler aus der TV-Serie
"Shannara", Luka Sabbat aus der TV-Serie "Grown-ish")
zumindest direkte Berührungspunkte zu den anderen Bewohnern und den
Polizisten haben, bleibt die Miteinbeziehung eines jugendlichen
Strafträter-Trios in der Besserungsanstalt (zumindest ist das meine
Interpretation, erklärt wird überhaupt nichts) bis zum Schluß ein
Rätsel und wirkt eher wie eine durchschaubare Methode, die Laufzeit etwas zu strecken.
Definitiv gerne noch mehr gesehen hätte ich derweil von
Tilda Swinton, die einmal mehr eine wunderbar exzentrische Rolle spielt und mit
dem Samurai-Schwert fast schon zur Actionheldin mutiert, zudem den mit Abstand
besten Abgang aller Figuren spendiert bekommt. Genrekenner können
übrigens die Augen nach etlichen Cameos speziell bei den Zombies Ausschau
halten, die werden nämlich u.a. von "Godfather of Punk" Iggy Pop,
Horror-Regisseur Larry Fessenden ("Beneath"), OSCAR-Nominee Carol
Kane ("Der Stadtneurotiker") und Countrymusiker Sturgill Simpson
verkörpert, außerdem sind Rosie Perez ("Do the Right Thing") als
TV-Journalistin und Musiker Tom Waits als "Einsiedler-Bob" (der als
eine Art Erzähler und Beobachter fungiert) mit von der Partie. Des weiteren gibt es
zahllose popkulturelle Anspielungen, vor allem in Bobbys Tankstellenladen kann
man viel Nerd-Kram erspähen, aber auch manche Namen kommen einem bekannt vor (der von Buscemi gespielte Farmer heißt Frank Miller wie der "Sin City"-Comicautor, auf einem Grabstein steht der Name des "Schock-Korridor"-Regisseurs Samuel Fuller). Und apropos Sturgill Simpson: Von dem stammt
der Titelsong, der sich wie ein Running Gag durch den gesamten Film zieht und
auch Anlaß für einen von mehreren witzigen Meta-Gags ist (Cliff hört den Song
im Autoradio und fragt sich, warum er ihm so bekannt vorkommt, worauf Ronnie
erwidert: "Na, das ist der Titelsong!"). Solche schrägen Momente gibt
es zum Glück immer wieder und da auch die Kämpfe gegen die Zombies sehr solide
inszeniert sind, ist es mir nie langweilig geworden. Klar ist aber:
Wer trotz des Namens Jarmusch mit einer auch nur ansatzweise
"normalen" Zombiekomödie rechnet, der wird sehr wahrscheinlich enttäuscht
werden, zumal das Ende des Films relativ phantasielos daherkommt. Letztlich ist
"The Dead Don't Die" eben in erster Linie immer noch ein
Jarmusch-Film – und das ist auch gut so.
Fazit: "The Dead Don't Die" ist eine
ziemlich entspannte, lakonische Arthouse-Zombiekomödie voller skurriler
Figuren, die ihr inhaltliches Potential wegen einer wenig aufregend entwickelten
Handlung nie ausschöpft, aber mit einer hochkarätigen Besetzung und einigen
netten Ideen das richtige Publikum ordentlich unterhält.
Wertung: 6,5 Punkte.
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