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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 15. Mai 2019

POLAROID (2019)

Regie: Lars Klevberg, Drehbuch: Blair Butler, Musik: Philip Giffin
Darsteller: Kathryn Prescott, Tyler Young, Priscilla Quintana, Keenan Tracey, Samantha Logan, Mitch Pileggi, Grace Zabriskie, Davi Santos, Shauna MacDonald, Katie Stevens, Erika Prevost, Javier Botet
Polaroid
(2019) on IMDb Rotten Tomatoes: 0% (2,4); weltweites Einspielergebnis: $1,8 Mio.
FSK: 16, Dauer: 88 Minuten.

Die hübsche, jedoch zurückhaltende Bird Fitcher (Kathryn Prescott, "Bailey – Ein Hund kehrt zurück") ist an der Highschool eher eine Außenseiterin und aufgrund ihrer Vorliebe für dieses Kleidungsstück als "Schal-Mädchen" bekannt. Ihre große Leidenschaft ist das Photographieren und nach der Schule will sie, wie früher ihr verstorbener Vater, Reporter für die Lokalzeitung werden. Als ihr Schulkamerad Tyler (Davi Santos, TV-Serie "Tell Me a Story") Bird eine seltene Polaroid-Kamera aus den 1970er Jahren schenkt, die er auf dem Flohmarkt erstanden hat, ist sie zunächst begeistert – bis sie feststellen muß, daß jeder, den sie damit photographiert, kurz darauf gewaltsam stirbt. Natürlich glaubt ihr diesen Zusammenhang niemand, doch da Bird auf der abendlichen Halloween-Party ihre beiden besten Freundinnen und ihren Schwarm Connor (Tyler Young, TV-Serie "Eyewitness") gemeinsam abgelichtet hat, drängt die Zeit. Kann Sheriff Pembroke (Mitch Pileggi, TV-Serie "Akte X") möglicherweise helfen?

Kritik:
Der Teenie-Horrorfilm "Polaroid" basiert auf einem gleichnamigen viertelstündigen Kurzfilm aus dem Jahr 2015, den der norwegische Regisseur Lars Klevberg in Hollywood auf Spielfilmlänge aufblasen durfte (und den man bei Vimeo auf norwegisch mit englischen Untertiteln anschauen kann). Eigentlich sollte dieser Langfilm bereits Halloween 2017 in die US-Kinos kommen, fiel dann allerdings wie einige weitere Filme dem Bankrott der Weinstein Company (als Folge des Mißbrauchsskandals rund um Firmenmitgründer Harvey Weinstein) zum Opfer und wurde daher in den meisten Ländern bis ins Jahr 2019 hinein nicht veröffentlicht. Den ersten Kinostart gab es im Januar 2019 in Deutschland, also zu einer Zeit, in der gerne mittelmäßige bis schlechte Horrorfilme auf die Leinwände geschickt werden, weil sie nach dem Blockbuster-Überfluß der Weihnachtszeit überraschend oft und selbst bei überschaubarer Qualität als kontrastierende Programmierung funktionieren. Bei "Polaroid" hielt sich der Erfolg mit gut 140.000 Zuschauern in Grenzen, was sicher auch daran lag, daß viele horroraffine Zuschauer lieber eine Woche auf den Start von M. Night Shyamalans "Glass" gewartet haben. Viel verpaßt haben sie nicht, denn "Polaroid" entpuppt sich zwar keineswegs als jener Totalausfall, den manche Rezensenten in ihm sehen, aber doch als erschreckend einfallsloser Low Budget-Horrorfilm, der sich bei dem Versuch, die besten Elemente aus diversen Genreklassikern zu vereinen, komplett verhebt.
Offensichtlichstes Vorbild von "Polaroid" ist natürlich "Ring" – ob nun das japanische Original oder das ausgezeichnete US-Remake mit Naomi Watts –, in dem Menschen sterben, sobald sie ein mysteriöses Videoband ansehen. Doch trotz der ähnlichen Prämisse hat sich Klevberg stilistisch am stärksten von David Robert Michells unfaßbar atmosphärischem Indie-Horror-Hit "It Follows" aus dem Jahr 2014 leiten lassen, weitere deutliche Inspirationsquellen waren "Final Destination" und Richard Donners Meisterwerk "Das Omen" von 1976. Keine Frage: Man kann sich deutlich schlechtere Vorbilder aussichen. Das Problem ist nur: Wenn man sich bei "Ring" bedient, aber die exzellent aufgebaute Story und den furchteinflößenden Geister-Antagonisten wegläßt; bei "It Follows", aber die unheimlich dichte Stimmung nicht reproduzieren kann; bei "Final Destination", aber dessen Einfallsreichtum und schwarzen Humor missen läßt; und bei "Das Omen", ohne auch nur in irgendeiner Hinsicht an dessen Perfektion heranzureichen … tja, dann gerät das Ergebnis eben ziemlich vergessenswert. Dabei ist, wohlgemerkt, gar nicht alles schlecht. Hauptdarstellerin Kathryn Prescott – die beim Dreh schon Mitte 20 war, aber problemlos als Teenager durchgeht – ist eine sympathische Protagonistin, mit Genreroutinier Mitch Pileggi und der "Twin Peaks"-Alumna Grace Zabriskie sind zwei immer wieder gerne gesehene Nebendarsteller an Bord und die mysteriöse mordende Kreatur (die von dem Spanier Javier Botet verkörpert wird, der aufgrund seiner als Folge einer Krankheit unnatürlich langen Gliedmaße und dehnbaren Gelenke schon in "Insidious: The Last Key", "Conjuring 2", "Mama" oder "Crimson Peak" geisterhafte oder dämonische Entitäten spielte) ist durchaus überzeugend gestaltet. Außerdem gibt es genau je einen guten Einfall (die Cafeteria-Szene) und eine (mehr oder weniger) überraschende Wendung.
Problematisch ist aber, daß das Drehbuch von Blair Butler ("Hell Fest") vor Klischees nur so wimmelt, Prescott wenig Gelegenheit gibt, ihrer Figur Tiefe zu verleihen (die Hintergrundstory um ihren Vater ist ein diesbezüglicher Versuch, der jedoch völlig versandet), ihre Freunde komplett austauschbar wirken läßt und nur wenig Gespür für Timing oder authentische Dialoge offenbart. Zudem gibt es einige billige Jumpscares, in die Klevberg (völlig zu Recht) so wenig Vertrauen hat, daß er sie durch übertriebene Soundeffekte verstärkt, und bis wir die mordende Kreatur richtig zu Gesicht bekommen, dauert es sehr, sehr lang. Zugegeben, Letzteres ist nicht ungewöhnlich und für viele Horrorfans sogar die bevorzugte Vorgehensweise – denn wenn der nichtmenschliche Antagonist zu früh in seiner ganzen "Pracht" enthüllt wird, besteht immer die Gefahr, daß er schnell seine Wirkung verliert. Allerdings muß man, wenn man die Enthüllung schon möglichst lange hinauszögern will, dabei auch geschickt vorgehen. Genau das gelingt dem generell auffällig statisch inszenierten "Polaroid" nicht, denn hier wirken die Versuche, bis zum Showdown sehr wenig zu offenbaren, dermaßen krampfhaft und ungelenk, daß es schon fast unfreiwillig komisch ist. Das wird vermutlich mit dem geringen Budget zusammenhängen und auch mit der verständlichen mangelnden Erfahrung Klevbergs, ist aber selbstredend alles andere als ein Pluspunkt für "Polaroid". Das Finale selbst fällt immerhin recht ordentlich aus, wenngleich die Spezialeffekte nur teilweise überzeugen, sowohl Menschen als auch Kreatur sich immer wieder arg dämlich verhalten (und damit meine ich keineswegs "dämlich, wie sich Teenager mit Hormonüberschuß nunmal manchmal verhalten", sondern einfach nur richtig und unglaubwürdig dämlich) und Originalität bis zum Schluß ein Fremdwort bleibt. Trotz all dieser Kritik will ich gar nicht verhehlen, daß ich die zum Glück nur knapp 90 Minuten, die "Polaroid" dauert, insgesamt sogar recht kurzweilig fand – wer auf der Suche nach einem anspruchslosen Teenie-Horror-Häppchen für zwischendurch ist, der darf ruhig einen Blick riskieren.

Fazit: "Polaroid" ist ein erschreckend einfallsloser Teenie-Horrorfilm, der sich seine Elemente eher schlecht als recht von diversen Genreklassikern zusammenklaut, wegen eines mäßigen Drehbuchs und wohl auch aus Budgetgründen aber nur selten für gelungene Gruselmomente sorgt.

Wertung: Gut 4 Punkte.


"Polaroid" erscheint am 17. Mai 2019 von capelight pictures auf DVD und Blu-ray. Eine Rezensionsmöglichkeit wurde mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt.



Screenshots: © capelight pictures

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