Regie: Roger Donaldson, Drehbuch: Robert Bolt, Musik:
Vangelis
Darsteller: Sir Anthony Hopkins, Mel Gibson, Liam Neeson,
Daniel Day-Lewis, Bernard Hill, Philip Davis, Tevaite Vernette, Philip Martin
Brown, Wi Kuki Kaa, Edward Fox, Sir Laurence Olivier
FSK: 12, Dauer: 131 Minuten.
1789 bricht der britische Dreimaster
"Bounty" unter dem Kommando des erfahrenen Lieutenant William Bligh
(Anthony Hopkins, "Der Löwe im Winter") in Richtung Tahiti auf, wo er Ableger
des Brotfruchtbaums aufnehmen und nach Jamaika weitertransportieren soll. Doch
die Hinfahrt dauert wesentlich länger als geplant, weil die von der Admiralität
angeordnete, aber ungemein schwierige Umrundung des berüchtigten Kap Hoorn an der
Spitze Südamerikas scheitert und die "Bounty" schließlich die deutlich längere Alternativroute nehmen muß. Das sorgt ebenso wenig für gute
Laune an Bord wie Blighs herrisches Verhalten. Umso angenehmer ist es für die
Crew, daß der Aufenthalt in Tahiti als Konsequenz der Verspätung fünf statt der
angepeilten zwei Monate beträgt, da die Brotfruchtbaum-Stecklinge erst
dann gezogen werden können. Die Besatzung genießt das angenehme Leben im
paradiesischen Tahiti, dessen König Tynah (Wi Kuki Kaa) sie sehr freundlich
aufnimmt – ebenso wie die vielen, sehr luftig gekleideten jungen Frauen. So
nimmt bei einigen Seeleuten und sogar beim Ersten Offizier Fletcher Christian
(Mel Gibson, "The Expendables 3") – der sich in die Königstochter Mauatua (Tevaite
Vernette in ihrem einzigen Filmauftritt) verliebt hat – der Wunsch überhand, zu desertieren und für immer in
Tahiti zu bleiben …
Kritik:
Die historische Meuterei auf der "Bounty" wurde
bereits vielfach in literarischer (darunter als Kurzgeschichte von Jules Verne) wie auch in
cineastischer Form aufgearbeitet. Im Filmbereich sind speziell drei aufwendig
produzierte und hochkarätig besetzte Produktionen von Interesse: Frank Lloyds
"Meuterei auf der Bounty" (1935) mit Clarke Gable und Charles
Laughton, Lewis Milestones "Meuterei auf der Bounty" (1962) mit
Marlon Brando und Trevor Howard und "Die Bounty". Obwohl die drei
Werke das gleiche, ziemlich gut dokumentierte historische Ereignis schildern,
setzen sie unterschiedliche Schwerpunkte und unterscheiden sich auch
hinsichtlich der historischen Genauigkeit – es lohnt sich also durchaus, alle drei
Filme anzusehen, zumal man durch die zeitlichen Abstände ganz gut die
(speziell technische) Entwicklung Hollywoods nachvollziehen kann. Meiner
Ansicht nach ist Lloyds Film der mit Abstand beste, obwohl (oder gerade weil)
er sich die meisten Freiheiten nimmt und ein packendes Psychoduell mit ziemlich
eindeutiger Schwarzweißmalerei inszeniert – das funktioniert ausgezeichnet, da das Drehbuch mit clever geschriebenen und temporeichen Dialogduellen glänzt,
die von zwei der besten und charismatischsten Schauspieler ihrer Ära packend ausgespielt werden. Milestones (gefloppte) Version
der Geschichte ist nahezu gegenteilig aufgebaut, sie fokussiert sich stärker auf
die Eingeborenen und das Leben auf Tahiti – das war Hauptdarsteller Brando ein
großes Anliegen, der nach den Dreharbeiten gar ein Insel-Atoll nahe Tahiti
pachtete und mit seiner polynesischen Filmpartnerin zwei Kinder bekam. Roger Donaldsons ("Thirteen Days") "Die Bounty" wiederum ordnet sich irgendwo zwischen den
beiden Extremen ein, jedoch deutlich näher beim Brando- als beim Gable-Film.
Während bereits Milestones Variante sich recht eng an die historischen
Überlieferungen hielt (aber Bligh als einen recht klassischen Antagonisten
verwendete), setzt Donaldson betont auf eine differenzierte Darstellung der
Geschehnisse und der Figuren – so ist hier weder Christian der noble Held noch
Bligh der verachtenswerte Bösewicht. Das ist ein sehr interessanter, in mancher
Hinsicht lobenswerter Ansatz, der allerdings dramaturgisch ein paar Probleme mit
sich bringt und deshalb auch nicht bis zum Schluß durchgehalten wird. In meiner
persönlichen Rangliste liegt die 1935er-"Bounty", wie angesprochen, klar
vorne, "Die Bounty" reiht sich knapp vor dem Brando-Film ein. Diese Einschätzung stand bislang aber unter einem Vorbehalt, denn von "Die
Bounty" erschien in Deutschland lediglich eine um etwa 20 Minuten gekürzte
Version. Erst 2019 wird erstmals der ungeschnittene Film fürs
Heimkino veröffentlicht, was mir den Anlaß für eine neue Sichtung und die
vorliegende Rezension gab.
Enttäuschenderweise wird "Die Bounty" durch die
Verlängerung nicht wirklich besser. Zwar sind auf der einen Seite die
zusätzlichen Szenen mit einigen Nebenfiguren willkommen, weil das Ensemble
abseits von Bligh und (bereits mit ein paar Abstrichen) Christian in der deutschen
Kinofassung arg vernachlässigt wird. Andererseits ist schon da das Erzähltempo überschaubar und durch die zusätzlichen, inhaltlich
unspektakulären 20 Minuten wird es noch etwas stärker ausgebremst. Vor- und
Nachteile halten sich die Waage, letztlich ist es wohl folgendermaßen: Wer
den Film mag, freut sich über die längere Originalfassung; wer ihn nicht mag,
den werden die 20 zusätzlichen Minuten eher nerven. Abgesehen von der prächtigen Optik und der gewohnt sphärischen Musik von Vangelis ("Blade Runner") ist die größte Stärke von "Die Bounty" ganz eindeutig
Sir Anthony Hopkins. Er – der sich später übrigens enttäuscht über den fertigen
Film äußerste – verkörpert Lieutenant Blight so, wie es nach Ansicht von
Experten am ehesten der historischen Realität entsprechen dürfte: Als
strengen, ehrgeizigen Kapitän, der die Mission mit der "Bounty" als
seine große (und angesichts seines Alters vielleicht letzte) Chance sieht,
Karriere in der britischen Königlichen Marine zu machen. Mit seinem recht
kleinlich wirkenden Verhalten taugt er nicht unbedingt zum
Sympathieträger, doch ist er weit von einem Bösewicht entfernt. Regisseur Donaldson, dem zweifach OSCAR-prämierten Drehbuch-Autor Robert Bolt ("Lawrence von Arabien") und Hopkins
gelingt es in der frühen Phase des Films überzeugend, Bligh als ambivalente
Figur mit Stärken und Schwächen zu etablieren.
Leider werden darob die übrigen
Charaktere ziemlich vernachlässigt. Glücklicherweise sind die größeren
Nebenrollen mit auch heute noch bekannten Namen besetzt, denn andernfalls fiele
es – gerade im Vergleich zur in dieser Hinsicht viel konsequenteren
1935er-Version – schwer, sie überhaupt auseinanderzuhalten. Zweifellos ist
speziell Daniel Day-Lewis ("Der seidene Faden") als leicht
sadistisch veranlagter eigentlicher Erster Offizier Fryer unterfordert, aber auch
Liam Neeson ("The Grey") als rüpelhafter Churchill, Bernard Hill ("Titanic") als
Offizier Cole oder Phil Davis (TV-Serie "Poldark") als Matrose Young haben
letztlich nicht allzu viel zu tun und können folglich nur wenig eigenes Profil
entwickeln. Das ist bedauerlich, jedoch, da sie Nebenfiguren sind, verkraftbar. Schwerer wiegt, daß selbst Fletcher Christian von dieser
Vernachlässigung betroffen ist. Nur zu Beginn, als die anfängliche Freundschaft
zwischen ihm und Bligh gezeigt wird, hat er ein paar prägende Szenen, fortan
bleibt er größtenteils für sich respektive auf Tahiti an der Seite der
Prinzessin Mauatua – auf diese Weise ist es schwer nachzuvollziehen, warum
letztlich die Mehrheit der Besatzung ihn bei der Meuterei unterstützt. Mel
Gibson bleibt in der Rolle zudem vergleichsweise blaß – das ist sicherlich auch
dem Drehbuch geschuldet, das ihm wenig Gelegenheit zum Glänzen gibt, aber im
Vergleich zu seinen legendären Vorgängern Clark Gable und Marlon Brando
fehlt es dem damals noch recht unerfahrenen Australier auch einfach ein wenig an
Charisma und Überzeugungskraft. Im letzten Drittel wird das erheblich besser,
mit Anthony Hopkins' Schauspielkunst kann er aber trotzdem nicht mithalten.
Sogar Hopkins kann aber nicht verhindern, daß Blighs Entwicklung in diesem letzten Filmdrittel zunehmend an Glaubwürdigkeit verliert. Selbst wenn man auf nicht direkt angesprochene, aber sicher mögliche Erklärungsansätze wie die angestaute Frustration ob des (zumindest zum Teil selbstverschuldeten) durchwachsenen Verlaufs der Mission und des ungeplant langen Wartens und Nichtstuns zurückgreift, bleibt es ein Rätsel, warum der bis dahin weitgehend disziplinierte und vernünftige Bligh die Situation auf der Rückfahrt dermaßen eskalieren läßt. Wie genau der Schuldanteil Blighs und Christians an der Meuterei verteilt ist, bleibt letztlich der Interpretation des Zuschauers überlassen – wobei die Rahmenhandlung zeigt, wie die Admiralität entschied. Leider wird übrigens auch diese Rahmenhandlung (in der die britische Schauspiellegende Sir Laurence Olivier als Admiral Hood auftritt) arg stiefmütterlich behandelt: Wird sie anfangs noch genutzt, um die Ereignisse und Blighs Handlungsweise zu hinterfragen, gerät sie alsbald aus den Augen, sodaß man letzten Endes ebenso gut darauf hätte verzichten können. Dafür ist die Darstellung der Einheimischen und des überheblichen, ausbeuterischen Umgangs der Briten mit ihnen (speziell Bligh läßt seine – für die damalige Zeit wohl normale – rassistische Haltung immer wieder durchblicken) Regisseur Roger Donaldson ebenso überzeugend gelungen wie die entbehrungsreiche, in den anderen Verfilmungen deutlich kürzer abgehandelte Irrfahrt der von den Meuterern auf einem Floß mit wenig Vorräten ausgesetzten Seeleute um Bligh. Es bleibt also dabei: "Die Bounty" ist ein Film mit vielen Aufs und Abs.
Sogar Hopkins kann aber nicht verhindern, daß Blighs Entwicklung in diesem letzten Filmdrittel zunehmend an Glaubwürdigkeit verliert. Selbst wenn man auf nicht direkt angesprochene, aber sicher mögliche Erklärungsansätze wie die angestaute Frustration ob des (zumindest zum Teil selbstverschuldeten) durchwachsenen Verlaufs der Mission und des ungeplant langen Wartens und Nichtstuns zurückgreift, bleibt es ein Rätsel, warum der bis dahin weitgehend disziplinierte und vernünftige Bligh die Situation auf der Rückfahrt dermaßen eskalieren läßt. Wie genau der Schuldanteil Blighs und Christians an der Meuterei verteilt ist, bleibt letztlich der Interpretation des Zuschauers überlassen – wobei die Rahmenhandlung zeigt, wie die Admiralität entschied. Leider wird übrigens auch diese Rahmenhandlung (in der die britische Schauspiellegende Sir Laurence Olivier als Admiral Hood auftritt) arg stiefmütterlich behandelt: Wird sie anfangs noch genutzt, um die Ereignisse und Blighs Handlungsweise zu hinterfragen, gerät sie alsbald aus den Augen, sodaß man letzten Endes ebenso gut darauf hätte verzichten können. Dafür ist die Darstellung der Einheimischen und des überheblichen, ausbeuterischen Umgangs der Briten mit ihnen (speziell Bligh läßt seine – für die damalige Zeit wohl normale – rassistische Haltung immer wieder durchblicken) Regisseur Roger Donaldson ebenso überzeugend gelungen wie die entbehrungsreiche, in den anderen Verfilmungen deutlich kürzer abgehandelte Irrfahrt der von den Meuterern auf einem Floß mit wenig Vorräten ausgesetzten Seeleute um Bligh. Es bleibt also dabei: "Die Bounty" ist ein Film mit vielen Aufs und Abs.
Fazit: "Die Bounty" ist ein aufwendig
produzierter und ausgestatteter Abenteuerfilm, der sich mit einer angenehm
differenzierten, realitätsnahen Darstellung der historischen Geschehnisse von
früheren Verfilmungen abhebt, es dafür aber an Tempo, Spannung und gut
ausgearbeiteten Figuren mangeln läßt.
Wertung: 6,5 Punkte.
"Die Bounty" erscheint am 17. Mai 2019 von capelight pictures zum ersten Mal in Deutschland ungeschnitten auf DVD sowie als 2-Disc Limited Edition mitsamt Blu-ray im Mediabook mit umfangreichem Bonusmaterial. Eine Rezensionsmöglichkeit wurde mir freundlicherweise von capelight pictures zur Verfügung gestellt.
"Die Bounty" erscheint am 17. Mai 2019 von capelight pictures zum ersten Mal in Deutschland ungeschnitten auf DVD sowie als 2-Disc Limited Edition mitsamt Blu-ray im Mediabook mit umfangreichem Bonusmaterial. Eine Rezensionsmöglichkeit wurde mir freundlicherweise von capelight pictures zur Verfügung gestellt.
Screenshots: © capelight pictures
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