Da ich am letzten Wochenende mit den OSCARs und der Fertigstellung meiner Kinovorschau beschäftigt war, gelang es mir leider nicht, den im stolzen Alter von 94 Jahren verstorbenen US-Filmemacher Stanley Donen angemessen zu würdigen. Doch auch wenn der Tod des Ehren-OSCAR-Preisträgers inzwischen eine Woche her ist, will ich Donen keinesfalls ignorieren, denn schließlich war er einer der letzten großen Vertreter aus der "Goldenen Ära Hollywoods" in den 1930er bis 1950er Jahren.
Nachdem Stanley Donen bereits mit 17 Jahren als Chormitglied sein Debüt auf dem Broadway gab, war sein Weg zum Musical-Spezialisten wohl erwartbar. Nachdem er ab Mitte der 1940er Jahre als Choreograph für die Kino-Musicals von MGM arbeitete, durfte er 1949 mit gerade mal 25 Jahren sein Regiedebüt geben - wenn auch als Co-Regisseur an der Seite des Megastars Gene Kelly. Und die Broadway-Adaption "Heut' gehn wir bummeln" (auch bekannt unter dem Originaltitel "On the Town") wurde ein Hit! Das ist kein Wunder, denn die denkbar nihilistische, aber umso vergnüglichere Geschichte dreier junger Matrosen, die ihren eintägigen Landgang in New York bestmöglich nutzen wollen, versprüht bis heute geradezu ansteckende Lebensfreude. Das liegt zum einen an der perfekten Besetzung der Hauptrollen mit Gene Kelly, Frank Sinatra und dem in Vergessenheit geratenen Jules Munshin, aber auch an der schwungvollen, OSCAR-prämierten Musik (teils von Leonard Bernstein) und der mitreißenden Choreographie der Tanz- und Gesangsszenen. "Heut' gehn wir bummeln" ist ganz bestimmt nicht Donens bester Film, in seiner unkomplizierten Geradlinigkeit aber vielleicht sogar sein unterhaltsamster. Wobei er sich hierbei natürlich selbst rasch Konkurrenz machte, denn er ließ schon 1951 den charmanten "Königliche Hochzeit" mit Fred Astaire folgen (wobei er erstmals alleine Regie führte), ehe er 1952, wieder in Zusammenarbeit mit Gene Kelly, jenen Film ins Kino brachte, der ihn endgültig in die Hollywood-Annalen brachte: "Du sollst mein Glücksstern sein" aka "Singin' in the Rain".
Obwohl das Musical "nur" mit zwei OSCAR-Nominierungen bedacht wurde, wird es heutzutage als einer der ganz großen Klassiker angesehen - nicht nur des Genres, sondern generell (was aktuell Platz 93 bei den IMDb Top 250 der besten Filme aller Zeiten gemäß Nutzerbewertungen untermauert). Mir haben zwar mindestens drei Filme von Stanley Donen noch besser gefallen, aber selbstverständlich ist "Singin' in the Rain" nicht nur aufgrund jener ikonischen Szene, in der Gene Kelly in der Rolle eines Stummfilmstars, nunja, eben im Regen tanzt, während er den gleichnamigen Ohrwurm trällert, ein erstklassiger Film, der mit einer für Musical-Verhältnisse ziemlich tiefgründigen Story glänzt. Mit unter anderem "Eine Braut für sieben Brüder" (den ich persönlich nicht nicht so toll finde), dem unglaublich charmanten "Ein süßer Fratz" (1957) mit einer zauberhaften Audrey Hepburn an der Seite von Fred Astaire (und der Musik von George Gershwin), "Picknick im Pyjama" (1957) mit Doris Day sowie "Damn Yankees" (1958) mit Tab Hunter folgten weitere Musical-Erfolge, die größtenteils auf Bühnenvorlagen basierten und von Donen souverän für die große Leinwand umgesetzt wurden.
Doch als Hollywoods Goldene Ära sich ihrem Ende zuneigte und sich im gleichen Zug auch die bis dahin so zuverlässig populären Musicals nach und nach verabschiedeten, bewies Stanley Donen, daß er sehr wohl mehr konnte als "nur" Singspiele. 1958 setzte er die Superstars Cary Grant und Ingrid Bergman in der romantischen Komödie "Indiskret" in Szene, die zwar alles in allem kein Meisterwerk ist, aber dank der charismatischen Stars und Donens routinierter Regie gut unterhält. In die gleiche Kategorie fallen "Noch einmal mit Gefühl" (1960) mit Yul Brynner als selbstverliebter Stardirigent, "Vor Hausfreunden wird gewarnt" (1960) mit Cary Grant, Robert Mitchum und Deborah Kerr in einer vergnüglichen Ménage à trois und die Spionagekomödie "Arabeske" (1966) mit Gregory Peck und Sophia Loren. Und auch zwei Highlights abseits des Musicals schuf Donen in dieser Phase: In "Charade" (1963), einem offensichtlich von Hitchcock inspirierten Mix aus Thriller, Romanze und Komödie, gerät eine von Audrey Hepburn verkörperte junge Frau nach dem mysteriösen Tod ihres Ehemannes unverhofft ins Zentrum einer vielfach verwickelten Gangster- und Spionagegeschichte und erhält dabei Hilfe von einem charmanten Amerikaner - gespielt vom hitchcock-gestählten Cary Grant (und Komödien-Spezialist Walter Matthau überzeugt zur Abwechslung in einer Bösewichtrolle). Deutlich weniger bekannt, aber ebenso großartig ist "Zwei auf gleichem Weg" aus dem Jahr 1967, in dem Donen letztmals mit der wunderbaren Audrey Hepburn zusammenarbeitete. In der höchst gefühlvollen romantischen Tragikomödie spielen sie und der ebenfalls jüngst verstorbene Albert Finney ein Ehepaar, das seine zwölfjährige Beziehung mitsamt jährlicher Urlaubsreise nach Frankreich Revue passieren läßt. Ein leiser, unspektakulärer, dank einer nicht-chronologischen Erzählweise sehr kunstvoller Film, der in der Wahrhaftigkeit seiner Gefühle aber lange nachhallt. Nicht nur damit war Donen ein Stück weit seiner Zeit voraus, auch die tragikomische Theateradaption "Unter der Treppe" (1969) mit Richard Burton und Rex Harrison als schwulem Paar war damals ziemlich mutig.
Bedauerlicherweise bedeutete die Kino-Revolution des von jungen Wilden wie Martin Scorsese oder Francis Ford Coppola geprägten "New Hollywood" ab etwa 1970 trotzdem, daß Stanley Donens Karriere ziemlich Schlagseite bekam. Er drehte nur noch alle paar Jahre einen Film - etwa eine "Der kleine Prinz"-Adaption mit Gene Wilder (1974), die Tragikomödie "Abenteurer auf der Lucky Lady" (1975) mit Gene Hackman und Liza Minnelli, den Science Fiction-Film "Saturn-City" (1980) mit Kirk Douglas oder die Komödie "Schuld daran ist Rio" mit Sir Michael Caine, die 1984 sein letzter Kinofilm sein sollte -, die aber überwiegend bei Kritikern wie auch Publikum floppten. Danach arbeitete er wieder öfter im Theater, teilweise auch als Produzent im Fernsehen. Seine letzte Regiearbeit war im Jahr 1999 der TV-Film "Hoffnungslos verliebt" mit Laura Linney. Unverständlicherweise wurde Stanley Donen nie auch nur für einen Academy Award nominiert (jedoch immerhin fünf Mal für den von der Regisseursgilde verliehenen DGA Award - allerdings ohne einen Sieg), wofür er zumindest ansatzweise durch die Verleihung des Ehren-OSCARs für sein Lebenswerk im Jahr 1998 entschädigt wurde.
Am 21. Februar 2019 starb Stanley Donen mit 94 Jahren in New York an Herzversagen. R.I.P.
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