Originaltitel: Fury
Regie und Drehbuch: David Ayer, Musik: Steven Price
Darsteller: Brad Pitt, Logan Lerman, Shia LaBeouf, Jon
Bernthal, Michael Peña, Jason Isaacs, Brad William Henke, Kevin Vance, Anamaria
Marinca, Alicia von Rittberg, Jim Parrack, Xavier Samuel, Scott Eastwood
FSK: 16, Dauer: 134 Minuten.
Deutschland im April 1945: Die Niederlage Nazi-Deutschlands
ist nur noch eine Frage der Zeit, dennoch will Hitler nicht aufgeben und
mobilisiert die allerletzten Kräfte – was unter anderem bedeutet, daß die SS
selbst Kinder dazu zwingt, gegen die alliierten "Invasoren" zu kämpfen (wenn sie
sich weigern, bekommt ihnen das nicht wirklich gut). In der Folge müssen sich
die Alliierten mühsam von Kleinstadt zu Kleinstadt vorkämpfen, immer auf der
Hut vor verbliebenen deutschen Truppen und einzelnen Scharfschützen. Der
amerikanische Sherman-Panzer "Fury", dessen Besatzung
von Sergeant Don "Wardaddy" Collier (Brad Pitt,
"Moneyball") angeführt wird, hat soeben eine brutale Schlacht als einziger des
Platoons überstanden, dabei aber einen Schützen verloren. Als Ersatz wird dem
Panzer der junge Norman (Logan Lerman, "Vielleicht lieber morgen")
zugeteilt, der erst seit zwei Monaten bei der Armee als Schreiber tätig ist.
Collier und seine Männer – "Bibel" (Shia LaBeouf, "Transformers"),
"Gordo" (Michael Peña, "Aushilfsgangster") und "Rattenarsch" (Jon Bernthal, "The Wolf of Wall Street") – sind von dieser Entscheidung nicht
gerade begeistert und lassen das den armen Norman auch deutlich spüren. Nachdem die alliierten Truppen eine weitere Kleinstadt eingenommen haben, erhält die
"Fury"-Besatzung von Captain Waggoner (Jason Isaacs, "Sweetwater") den Befehl,
gemeinsam mit drei weiteren Panzern eine für den Vormarsch der Alliierten
strategisch ungemein wichtige Kreuzung zu sichern – Aufklärung über das
betroffene Gebiet gibt es allerdings nicht, weshalb niemand weiß, wie massiv
dort noch deutsche Truppen vorhanden sind …
Kritik:
Gut zehn Jahre nach den Terroranschlägen des 11. September
2001 feiern Filme rund um den Krieg in den USA ein bemerkenswertes Comeback.
Nachdem sich in den ersten Jahren fast alle Werke, die sich mit der Thematik
auseinandersetzten, als kommerzielle Flops erwiesen (John Woos
"Windtalker", Gregory Hoblits "Das Tribunal", Sam Mendes'
"Jarhead", Robert Redfords "Von Löwen und Lämmern", Brian
De Palmas "Redacted", Clint Eastwoods "Flags of our
Fathers" und "Letters from Iwo Jima" – selbst Kathryn Bigelows
OSCAR-Gewinner "The Hurt Locker" lief nur mittelmäßig), hat sich der
Trend etwa ab 2009 umgekehrt. Konnte man da den großen Erfolg von Quentin
Tarantinos "Inglourious Basterds" noch als Ausnahme abtun, die
deutlich mehr mit dem Filmemacher Tarantino als mit dem Kriegsgenre an sich zu tun
hatte, ist inzwischen klar, daß Kriegsfilme zumindest in den Vereinigten Staaten wieder en
vogue sind. Kathryn Bigelows bin Laden-Jagd "Zero Dark Thirty" war
beim US-Publikum ebenso populär wie die actionreiche Navy Seals-Werbung
"Act of Valor" (deren Hauptdarsteller echte Seals waren) oder George
Clooneys nostalgisch inszenierte Zweiter Weltkriegs-Erzählung "The
Monuments Men". Und nun, Ende 2014/Anfang 2015, sorgen gleich drei
Kriegsfilme für volle Kassen in den US-Kinos: David Ayers "Herz aus
Stahl", Angelina Jolies "Unbroken" und ganz besonders Clint Eastwoods
"American Sniper", der alle Erwartungen weit übertroffen und zahlreiche
Box Office-Rekorde gebrochen hat. Woran diese Kriegsfilm-Renaissance liegt, ist
schwer zu beurteilen – liegt das 9/11-Trauma inzwischen ganz einfach weit genug in der
Vergangenheit? Hat die späte Tötung jenes Mannes, der öffentlich die Verantwortung für
die Anschläge übernommen hat, den Zuschauern wieder Lust auf die Thematik
gemacht? Liegt es daran, daß sich die USA unter dem Präsidenten Obama zunehmend
aus den Kriegsschauplätzen zurückziehen, in die sein Vorgänger Bush sie so
aggressiv hineingeführt hatte? Oder liegt es doch an der Qualität der Filme? Nun,
im Fall von "Herz aus Stahl" kann letzteres zumindest nicht der
alleinige Grund sein, denn Ayers Film offenbart zwar vor allem in den ersten
beiden Akten zahlreiche Stärken, vermasselt sich aber mit einem enttäuschend
einfallslosen Finale allzu großes Lob.
"Herz aus Stahl" beginnt wie ein echter
Anti-Kriegsfilm. Der Zuschauer wird in eine grimmige Szenerie hineingeworfen,
direkt nach einer brutalen und verlustreichen Schlacht. Die
"Fury"-Besatzung hat zwar (bis auf einen) überlebt, aber nur gerade
so. Und das sieht man ihnen auch an. Müde, abgekämpft und schmutzig sind sie, desillusioniert
von den Kämpfen, die sie seit Jahren ausfechten müssen. Norman, der Neue (und damit die Bezugsperson für das Publikum),
bekommt das sofort zu spüren – erst recht, als ihm ein tragischer Fehler
unterläuft, der ob seiner nicht vorhandenen militärischen Ausbildung
und seines Alters nur allzu menschlich ist. Doch im Krieg sind Fehler in der Regel
tödlich, deshalb muß auch Norman die Konsequenzen tragen – die sich vor allem
darin ausdrücken, daß ihn Wardaddy heftig in die Mangel nimmt, um ihm jegliche
Skrupel und jeglichen jugendlichen Idealismus nachhaltig auszutreiben. Dabei
schreckt Wardaddy selbst vor Kriegsverbrechen nicht zurück –
Kriegsverbrechen, die offenbar mehr oder weniger an der Tagesordnung
sind, denn der einzige, der geschockt darauf reagiert, ist Norman. Die meisten
anderen Soldaten begleiten Wardaddys Taten mit einem anfeuernden Johlen. Es ist gar keine
Frage: Die Protagonisten von "Herz aus Stahl" mögen Vieles sein (vor allem unsympathisch) … Helden sind sie ganz bestimmt nicht!
Allerdings sind sie natürlich auch nicht die Bösewichte des
Films. Dafür gibt es ja immer noch die Nazis, wobei Regisseur und Drehbuch-Autor Ayer
wieder einmal auf die altbekannte, stark vereinfachende (aber dramaturgisch
durchaus bewährte) "SS-Soldaten sind böse Nazis, alle anderen Deutschen
normale Menschen"-Dichotomie zurückgreift. Immerhin kann man dem Film auf diese
Weise schwerlich eine zu negative Haltung gegenüber den Deutschen vorwerfen.
Denn daß die Zivilisten unter der Nazi-Herrschaft zu leiden haben, ist überdeutlich
erkennbar, am eindrücklichsten daran, daß diejenigen, die sich weigern, am
"Volkssturm" teilzunehmen, kurzerhand als Verräter am nächsten
Laternenmast aufgeknüpft werden (selbst Kinder). Doch davon abgesehen zeigt Ayer
auch weitere Gründe für das wenig heroische Vorgehen der "Fury"-Besatzung
auf. So sind sie ungewöhnlicherweise bereits seit mehreren Jahren zusammen und haben
unter Wardaddys Führung Kämpfe in Nordafrika, Frankreich und Belgien überlebt.
Das schweißt einerseits zusammen, andererseits ist es auch nachvollziehbar,
wie sehr Menschen, die vor dem Krieg nichts mit Töten am Hut hatten, moralisch verrohen, wenn sie immer und immer wieder kämpfen und töten müssen,
während viele Kameraden an ihrer Seite elendiglich verbluten. Das rechtfertigt
ihre Taten keinesfalls, doch es erklärt sie psychologisch ziemlich
glaubwürdig – vor allem im zweiten Akt, der in einer befreiten deutschen
Kleinstadt spielt, in der Wardaddy und Norman auf zwei ängstliche deutsche
Frauen (gespielt von Anamaria Marinca aus "Europa Report" und Alicia von Rittberg aus Christian Petzolds "Barbara") treffen, woraus sich eine beklemmende Episode
ergibt, die zu den erzählerischen Highlights des Films zählt. Schauspielerisch
darf man übrigens nichts übermäßig Spektakuläres erwarten, doch machen sämtliche Darsteller –
allen voran Brad Pitt – ihre Sache sehr solide. Allerdings konzentriert sich
die Handlung etwas zu stark auf das ungleiche Duo Wardaddy und Norman, weshalb
die drei übrigen Crewmitglieder trotz markiger Sprüche recht blaß bleiben.
Doch "Herz aus Stahl" ist vorrangig als
actionreicher Panzer-Kriegsfilm ausgelegt, da darf die Action natürlich
nicht fehlen. In der ersten Filmhälfte funktioniert das gut, die schonungslos bebilderten Kämpfe werden überzeugend in die grimmige, dystopische Anti-Kriegsatmosphäre eingebettet. Dabei überrascht der Film mit einer unkonventionellen Mischung aus historischer Authentizität (die auch den erstmaligen
Einsatz des einzig verbliebenen funktionstüchtigen deutschen Tiger-Panzers in
einem Film beinhaltet) und künstlerischer Freiheit. So sehen etwa die Schüsse in
den Schlachten wie Laserstrahlen aus einem Science Fiction-Film aus; das wird
mit dem Einsatz von Leuchtspurmunition erklärt, der aber in einigen der Szenen
absolut keinen strategischen Sinn ergibt – die wahre Intention ist mehr als
offensichtlich: Ayer setzt diese "Laserstrahlen-Optik" ein, weil sie
spektakulär aussieht und seinem Werk im Vergleich zu anderen Kriegsfilmen ein
gewisses Alleinstellungsmerkmal verleiht. Anhänger historischer Genauigkeit wird
das wütend machen, ich kann Ayer deshalb jedoch nicht böse sein. Denn, ganz
ehrlich: Es sieht schon richtig cool aus. Eindrucksvoll ist übrigens auch die
musikalische Untermalung von Steven Price ausgefallen. Zwar trägt der Brite mitunter (wie bereits in seinem OSCAR-prämierten "Gravity"-Score) etwas arg
dick auf, doch insgesamt ist die Mischung aus melancholischen Klängen in den
ruhigen Szenen und actiongeladenen Arrangements in den Kampfsequenzen – am Ende teils sogar unter gekonnter Integration deutscher Marschlieder –
ausgesprochen wirkungsvoll.
David Ayer war also auf dem besten Wege, einen richtig guten
(Anti-)Kriegsfilm zu erschaffen, dessen drastische Szenen (die Behauptung, daß
früh in der Handlung eine Figur ihr Gesicht verliert, ist hier wörtlich zu
verstehen!) und kompromißlose Darstellung der Kampfhandlungen alles andere als
verherrlichend sind und einem teilweise lange im Gedächtnis bleiben werden. Doch
ihm fehlte noch der dritte Akt. Und unglücklicherweise entschied er sich dazu,
in diesem letzten Drittel dem pathetischen deutschen Titel (der
Originaltitel lautet schlicht "Fury") gerecht zu werden und auf alte
Genreklischees zurückzugreifen. So läßt er die "Fury"-Besatzung mit
ihrem bereits defekten Panzer einen aussichtslosen, aber umso heldenhafteren Kampf
gegen ein ganzes SS-Bataillon antreten. Das ist nicht nur unglaublich
einfallslos und dabei vor Pathos und Patriotismus triefend, fast noch
schlimmer: Es konterkariert die so sorgfältig aufgebaute anti-heroische
Figurenzeichnung der ersten eineinhalb Stunden, ebenso deren generelle
"Krieg ist sinnlos und brutal"-Stimmung. Zugegeben, die finale
Schlacht ist fraglos sehr spannend und spektakulär in Szene gesetzt und hat
damit einen nicht geringen Unterhaltungswert – doch inhaltlich ist diese
unmotivierte 180°-Kehrtwende extrem ärgerlich und schadet der
Gesamt-Rezeption des Films erheblich.
Fazit: "Herz aus Stahl" ist ein dramaturgisch
letztlich unausgegorener actionreicher Panzerfilm, der anfänglich mit einer
beklemmenden Anti-Kriegsatmosphäre und erfrischend unheroischen Figuren punktet
– im letzten Drittel aber in altbekannte, enttäuschend einfallslose Genremuster
verfällt und damit das zuvor Gezeigte ziemlich stark konterkariert.
Wertung: Knapp 7,5 Punkte (weil eben selbst das Finale, so ärgerlich es inhaltlich auch sein mag, immer noch gut unterhält).
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