Regie: Marc
Webb, Drehbuch: Alex Kurtzman, Roberto Orci, Jeff Pinkner, Musik: Hans
Zimmer & The Magnificent Six (Michael Enzinger, Junkie XL, Andrew
Kawczynski, Johnny Marr, Steve Mazzaro und Pharrell Williams)
Darsteller:
Andrew Garfield, Emma Stone, Jamie Foxx, Dane DeHaan, Sally Field, Colm Feore,
Paul Giamatti, Campbell Scott, Embeth Davidtz, Felicity Jones, Marton Csokas,
B.J. Novak, Michael Massee, Chris Cooper, Denis Leary, Martin Sheen, Chris
Zylka, Stan Lee
FSK: 12,
Dauer: 143 Minuten.
Peter Parker (Andrew Garfield, "The Social Network") hat sich inzwischen endgültig an seine geheime Zweit-Identität als
Spider-Man gewöhnt und genießt sein Leben als von den Bösen gefürchteter und
von den Bürgern New Yorks geliebter Schurkenschreck. Doch Teile der Presse –
allen voran das Revolverblatt "The Daily Bugle", dem Peter
regelmäßig Fotos von Spider-Man verkauft – ziehen die Rechtschaffenheit der
"freundlichen Spinne von nebenan" fortwährend in Zweifel, was auch in
der Bevölkerung für zunehmende Skepsis sorgt. Zudem wird Peter von den letzten
Worten Captain Stacys (Denis Leary) verfolgt, der ihm vor seinem Tod das
Versprechen abrang, seine Tochter Gwen (Emma Stone, "The Help") nicht in die Verbrechensbekämpfung hineinzuziehen. Während Peter
und Gwen um ihre Beziehung ringen und Peters alter Freund Harry Osborn (Dane
DeHaan, "Chronicle") nach acht Jahren in einem Internat als Konzernerbe
zurückkehrt, zieht eine neue Gefahr für New York herauf: Der brillante, aber
fast krankhaft schüchterne Elektriker Max Dillon (Jamie Foxx, "Django Unchained"), der darunter leidet, daß ihm niemand Respekt entgegenbringt,
kann infolge eines Unfalls an seiner Arbeitsstelle Oscorp gewissermaßermaßen
über die Elektrizität gebieten und nennt sich fortan Electro. Seine neue Motivation
ist es, endlich und um jeden Preis von all jenen beachtet zu werden, die ihn
zeit seines Lebens ignorierten …
Kritik:
Man muß Hollywood nicht immer verstehen. Manchmal kann man
Hollywood gar nicht richtig verstehen. Oder kann mir irgendjemand den Sinn
erklären, der dahintersteckt, ein global extrem erfolgreiches
Superhelden-Franchise wie Sam Raimis "Spider-Man"-Reihe nach einem
qualitativ (auch "dank" inhaltlicher Einmischung "von
oben") eher unterwältigenden dritten Teil komplett neu zu starten, nur um
dann im Reboot über weite Strecken eine Kopie des ersten Raimi-Films zu bieten
und in der Fortsetzung den gleichen Fehler zu begehen wie in "Spider-Man
3" (eine überfrachtete Story mit zu vielen Antagonisten)? Ich werde daraus
jedenfalls nicht schlau. Nach dem handwerklich immerhin absolut überzeugend geratenen
"The Amazing Spider-Man" hatte ich ja darauf gehofft … nein,
eigentlich sogar ziemlich fest damit gerechnet, daß nach dem Abarbeiten von
Spider-Mans Ursprungsgeschichte die weiteren Teile so richtig aus dem Vollen
schöpfen würden. Doch nach dem zweiten Film unter der Regie von Marc Webb ist
bei mir Ernüchterung eingekehrt: Ja, man kann das Bemühen sehr deutlich erkennen,
eine komplexe Superhelden-Welt nach "Avengers"-Vorbild zu erschaffen,
die nicht nur kurzfristig, sondern auf Dauer interessante und spannende
Film-Geschichten rund um Peter Parker alias Spider-Man bereithält. Und im Grunde
genommen funktioniert das sogar ganz gut, denn die erzählerischen Möglichkeiten
für den für Sommer 2016 angesetzten dritten Teil sind durch die
Ereignisse in "Rise of Electro" noch einmal beträchtlich angewachsen.
Dummerweise haben Marc Webb und das Drehbuch-Trio Kurtzman, Orci und Pinkner
darob vergessen, bereits diesen Film zu dem erhofften Blockbuster-Erlebnis zu
machen.
Die Gefahr, wenn ein Film zahlreiche Handlungsstränge
verfolgt, ist es immer, sich in ihnen zu verzetteln und eine Menge halbherziger
Storylines anstatt weniger, dafür aber überzeugend ausgearbeiteter zu präsentieren.
"Rise of Electro" begeht diesen Fehler und schafft dabei das
Kunststück, sich für die einen Fäden zu viel Zeit zu lassen und für andere dafür
viel zu wenig. So ist es ja grundsätzlich begrüßenswert, daß der Film das
Publikum in der ersten halben Stunde – in der Spidey sich noch weitgehend
unbeschwert und vor allem ungestört von einer echten Handlung mit seinen
Fähigkeiten vergnügen darf – recht ausführlich mit Max Dillon bekannt macht,
ehe dieser zu Electro mutiert. Doch wenn Electros Vorgeschichte in etwa so
subtil wie eine Dampfwalze präsentiert wird und dabei auch noch vor Klischees
trieft, dann verkehrt sich der lobenswerte Ansatz schnell ins Gegenteil und
wird langweilig bis ärgerlich. Das ist deshalb besonders schade, da sich
Electro nach seiner Verwandlung als ein richtig cooler Antagonist entpuppt, der
erfreulicherweise nicht zu einem reinrassigen Bösewicht wird, sondern eine
gewisse Ambivalenz beibehält. Und so ganz nebenbei sind es gerade die
Electro-Szenen, in denen der – stilistisch zum Namen von Spider-Mans Gegner passende, generell aber vergleichsweise unspektakulär geratene –
Soundtrack, den der inzwischen scheinbar zum Superhelden-Experten avancierte
Hans Zimmer ("The Dark Knight", "Man of Steel") gemeinsam
mit einer sechsköpfigen "Supergroup" (darunter neben Popstar und OSCAR-Nominee Pharrell Williams auch Junkie XL, dessen wuchtiger "300 – Rise of an Empire"-Score schnell zu einem meiner Lieblings-Soundtracks wurde) komponiert hat, am
mitreißendsten ist. Das Urteil ist also klar: Mehr Electro und weniger Max
Dillon wäre die weisere Wahl gewesen; oder natürlich alternativ eine
interessantere Max Dillon-Storyline.
Genau umgekehrt sieht es kurioserweise bei einem weiteren
wichtigen Handlungsstrang aus. Kleiner Rückblick: In Sam Raimis Trilogie spielte
Harry Osborn (verkörpert von James Franco) von Anfang an eine wichtige Rolle
und wurde fast zwei Filme lang als Peters bester Freund etabliert, was
seine Wandlung zum (mehr oder weniger) Bösewicht Green Goblin bzw. New Goblin
in "Spider-Man 3" umso wirkungsvoller machte. In "The Amazing
Spider-Man 2" taucht Harry Osborn nach einiger Zeit erstmals auf, ist
gefühlte fünf Minuten lang Peters bester Freund und beginnt dann bereits die
Transformation zum Bösewicht Green Goblin. Was soll das? Wie soll ein solch
gehetztes Vorgehen irgendeinen emotionalen Eindruck hinterlassen? Zumal Harry
auch in Marc Webbs Film eine sehr interessante Figur ist – in der Theorie sogar
interessanter als bei Raimi – und von Shooting Star Dane DeHaan hervorragend
verkörpert wird. Es zieht sich durch den ganzen Film: Das Potential
für erstklassige Storylines, für komplexe, glaubwürdige Beziehungsgeflechte
zwischen spannenden Charakteren ist ständig sichtbar; es wird aber nur in ganz,
ganz wenigen Szenen ausgeschöpft.
Das alles macht aus "The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro"
selbstverständlich keinen schlechten Film. Die Spezialeffekte sind durchweg
überzeugend geraten, die Actionsequenzen aufregend und temporeich in Szene
gesetzt und der 3D-Einsatz kommt besonders bei Spider-Mans atemberaubend rasanter
Fortbewegung durch die Häuserschluchten New Yorks gut zur Geltung. Das
Schauspielensemble ist zudem weitgehend ohne Fehl und Tadel – mit der Ausnahme
von Marton Csokas ("Noah"), der für seine Darstellung des fiesen Wissenschaftlers Dr. Kafka
auf in das ansonsten (für Superhelden-Verhältnisse) recht realitätsnah und erstaunlich humorarm gehaltene Setting bemerkenswert unpassend wirkendes Overacting zurückgreift –, vor allem Andrew Garfield und Emma Stone
harmonieren als Peter und Gwen hervorragend, wenngleich ihr Hin und Her in
Liebesdingen nicht gerade vor erzählerischer Innovationsfreude sprüht; da hätte man vom "(500) Days of Summer"-Regisseur schon mehr erwarten können, aber natürlich ist er vom Drehbuch abhängig. Auch die konsequente
Fortführung der in "The Amazing Spider-Man" sachte begonnenen Hintergrundgeschichte rund um das
Verschwinden von Peters Eltern erfreut und wird im dritten Teil sicher ihre
Fortsetzung finden. Auf der anderen Seite stören dafür einige unlogische und
wenig glaubwürdige Entwicklungen, die zumeist mit Oscorp und Harrys
konzerninternem Rivalen Menken (Colm Feore, "Thor")
zusammenhängen; das wirkt ein bißchen wie "Iron Man" (in dem sich Tony Stark gegen einen von Jeff Bridges verkörperten Widersacher in seiner Firma durchsetzen muß) oder "Batman Begins" (Bruce Wayne gegen einen von Rutger Hauer gespielten Anzugträger) Reloaded, bloß in doof. Und der große Showdown fällt auch nicht so richtig großartig
aus, was wiederum mit der mangelnden emotionalen Nähe des Publikums zu den
entscheidenden Figuren zu tun hat.
Fazit: "The Amazing Spider-Man 2: Rise of
Electro" ist ein relativ humorarmes Superhelden-Abenteuer, das mit
den bei einem Blockbuster-Budget zu erwartenden optischen und auch
schauspielerischen Stärken auftrumpft und viel erzählerisches Potential für
weitere Sequels (und ebenfalls bereits in Vorbereitung befindliche
Spin-Offs) schafft, im Hier und Jetzt aber mit der überfrachteten,
zerfaserten und von einigen fragwürdigen dramaturgischen Entscheidungen
gekennzeichneten Handlung recht deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibt.
Wertung: 6,5 Punkte.
P.S.: Nach dem ersten Teil des Abspanns ist übrigens
eine kurze Szene aus dem kommenden "X-Men: Zukunft ist
Vergangenheit" eingestreut. Da diese Sequenz aber zusammenhanglos und wenig aufregend
ist, dürfte sie viele Zuschauer (die bis dahin nicht bereits das Kino verlassen
haben) eher verwirren als neugierig machen. Es sieht aber nicht danach aus, als
ob es in naher Zukunft irgendeine inhaltliche Verbindung zwischen den
"Spider-Man"- und den "X-Men"-Filmen geben wird.
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