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Donnerstag, 23. November 2023

AIR – DER GROSSE WURF (2023)

Regie: Ben Affleck, Drehbuch: Alex Convery
Darsteller: Matt Damon, Ben Affleck, Viola Davis, Jason Bateman, Chris Tucker, Matthew Maher, Chris Messina, Julius Tennon, Marlon Wayans, Barbara Sukowa, Gustaf Skarsgård, Jay Mohr, Joel Gretsch, Michael O'Neill, Asanté Deshon, Dan Bucatinsky, Damian Young
Air (2023) on IMDb Rotten Tomatoes: 93% (7,7); weltweites Einspielergebnis: $90,1 Mio.
FSK: 6, Dauer: 112 Minuten.
Im Jahr 1984 läuft es für den US-Sportartikelhersteller Nike eher so lala: Hinter den beiden Marktführern Converse und Adidas liegt man weit zurück und gerade die Basketballsparte steht kurz vor der Auflösung, weil die talentiertesten NBA-Stars sich lieber von den größeren, bei der Jugend angesagteren Wettbewerbern als Werbeträger verpflichten lassen. Der unkonventionell denkende Markenchef Sonny Vaccaro (Matt Damon, "Der Marsianer") will die Schließung der Sparte unbedingt verhindern und überredet den mit ihm befreundeten Unternehmenschef Phil Knight (Ben Affleck, "Gone Girl") dazu, eine eigentlich aussichtslose Mission zu genehmigen: mit allen Mitteln den hochtalentierten 21-jährigen College-Spieler Michael Jordan für Nike zu gewinnen, obwohl dessen Agent David Falk (Chris Messina, "Birds of Prey") bereits abgesagt und Sonny klargemacht hat, daß Jordan keinerlei Interesse an Nike hat. Auf einen Tip seines erfahrenen Kollegen Howard White (Chris Tucker, "Silver Linings") hin umgeht Sonny aber den Agenten und besucht direkt Jordans Eltern Deloris (Viola Davis, "Widows") und James (Julius Tennon, "The Woman King"). Deloris zeigt sich zunächst unbeeindruckt von Sonnys Chuzpe, doch bei den weiteren Verhandlungen mit den anderen Unternehmen merkt sie, daß Sonny mit vielem Recht hatte ...

Kritik:
Nach der Apple TV+-Produktion "Tetris" (über die Verhandlungen über die Lizenzrechte für ein Computerspiel in den 1980er Jahren) setzt Hollywood die lose Reihe "Filme, die auf denkbar unspektakulär erscheinenden wahren Begebenheiten basieren" fort mit einem Werk über die Verhandlungen eines Nike-Managers über eine Werbepartnerschaft mit einem hochtalentierten angehenden Basketball-Star. Und erneut zeigt sich: Jawohl, auch aus solch einem vermeintlich langweiligen Thema kann man mit den richtigen Talenten vor und hinter der Kamera richtig viel herausholen. Das gelingt Regisseur Ben Affleck ("Argo") und Drehbuch-Debütant Alex Convery vor allem deshalb, weil sie sich bei dieser ebenfalls von einem Streaming-Dienst (Amazon) finanzierten Produktion ganz auf das Charisma von Hauptdarsteller Matt Damon und auf die natürliche Autorität der OSCAR-prämierten Schauspielgröße Viola Davis konzentrieren. Zudem erzählen sie ihre mit reichlich 1980er Jahre-Kolorit angereicherte Underdog-Story temporeich, humorvoll und in einem lockeren Tonfall, der die in der Theorie trockenen Vertragsverhandlungen beinahe satirisch und mit einem deutlich vernehmbaren Augenzwinkern präsentiert.

Ben Affleck – der nicht allein als Regisseur fungiert, sondern zudem eine Nebenrolle als mit Sonny befreundeter Nike-Unternehmenschef Phil Knight spielt – verschwendet keine Zeit und konfrontiert das Publikum sofort mit der brenzligen Situation des speziell im Basketball-Bereich von seinen Konkurrenten nahezu abgehängten Sportartikelunternehmens. Doch während seine Kollegen versuchen, aus der angespannten Situation und den begrenzten Mitteln irgendwie das Beste herauszuholen, will Sonny das nicht akzeptieren und stattdessen lieber ins Risiko gehen und mit einem ganz großen Wurf das Ruder zugunsten seines Arbeitgebers herumreißen. Das bedeutet für ihn, nicht – wie es das Standardvorgehen wäre – ein paar gute NBA-Spieler aus der zweiten Reihe als Werbepartner zu verpflichten, sondern quasi das gesamte Budget in ein von allen gejagtes Riesentalent zu investieren: Michael Jordan. Der spielt im Film selbst kaum eine Rolle; er ist nur ein paar Mal von hinten oder von der Seite zu sehen und sagt auch ein paar Worte, doch die Handlung konzentriert sich bewußt auf Sonnys Versuche, über Michaels selbstbewußte Mutter an ihn heranzukommen. Wie er das macht, ist für die Zuschauer sehr unterhaltsam zu verfolgen, gerade weil Mama Jordan eben kein leichter Verhandlungspartner ist, sondern Sonny durchschaut und ihm eigentlich keine Hoffnung auf einen Erfolg macht – immerhin hat Michael selbst klar gesagt, daß er kein Interesse an Nike hat, weil der Laden viel zu uncool sei. Das Hin und Her zwischen dem charmanten Sonny und der skeptischen Deloris ist das Herzstück von "Air", denn mit ein paar Tricks und großem Wissen über die Konkurrenz bringt Sonny Michaels Mutter irgendwann doch zum Nachdenken.

Obwohl Matt Damon und Viola Davis klar im Mittelpunkt von "Air" stehen, gefällt das gesamte Ensemble voller (wohl nicht ganz realistisch) liebenswert-schrulliger Charaktere. Ben Affleck nimmt sich angenehm zurück, hat aber ein paar witzige Dialoge mit seinem Kumpel Damon – ebenso wie Chris Tucker und Jason Bateman ("Operation: Kingdom") als Sonnys Kollegen. Dazu haben die deutsche Schauspiel-Veteranin Barbara Sukowa ("Rosa Luxemburg") und Gustaf Skarsgård (TV-Serie "Vikings") einen netten Kurzauftritt als adidas-Chefin Käthe Dassler und ihr Sohn Horst. Ein besonderer Genuß ist jedoch Chris Messina, der für seine Rolle als Jordans überlebensgroßer, leicht cholerischer Agent David Falk sogar als OSCAR-Kandidat gehandelt wird. Zu den Stärken des Films zählt, wie bereits erwähnt, die überzeugende 1980er Jahre-Atmosphäre, zu der ein gut ausgesuchter Soundtrack maßgeblich beiträgt. Dieser nudelt nicht einfach nur einfallslos die größten Hits dieser Dekade ab – auch wenn einige davon wie Springsteens "Born in the U.S.A.", Cyndi Laupers "Time After Time" oder "Money for Nothing" von den Dire Straits Teil davon sind –, sondern bindet auch viele etwas weniger bekannte Songs von Night Ranger, Tangerine Dream, Mike & The Mechanics sowie Run-DMCs "My Adidas" sinnvoll in die Handlung ein. Insgesamt ist "Air" zwar kein Meisterwerk, aber eine richtig runde Sache und unterhaltsames Hollywood-Kino im besten Sinne.

Fazit: "Air – Der große Wurf" ist ein schöner Gute-Laune-Film über eine folgenreiche Anekdote der Sport- und Unternehmengeschichte, der mit einem gut durchdachten Drehbuch und einem glänzenden Schauspielensemble überzeugt.

Wertung: 8 Punkte.

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