Regie: Ben Affleck, Drehbuch: Alex Convery
Darsteller: Matt
Damon, Ben Affleck, Viola Davis, Jason Bateman, Chris Tucker, Matthew Maher, Chris
Messina, Julius Tennon, Marlon Wayans, Barbara Sukowa,
Gustaf Skarsgård, Jay Mohr, Joel
Gretsch, Michael O'Neill, Asanté Deshon, Dan Bucatinsky,
Damian Young
FSK: 6, Dauer: 112
Minuten.
Im Jahr 1984 läuft
es für den US-Sportartikelhersteller Nike eher so lala: Hinter den
beiden Marktführern Converse und Adidas liegt man weit zurück und gerade
die Basketballsparte steht kurz vor der Auflösung, weil die
talentiertesten NBA-Stars sich lieber von den größeren, bei der
Jugend angesagteren Wettbewerbern als Werbeträger verpflichten
lassen. Der unkonventionell denkende Markenchef Sonny Vaccaro (Matt
Damon, "Der Marsianer") will die Schließung der Sparte
unbedingt verhindern und überredet den mit ihm befreundeten Unternehmenschef Phil Knight (Ben Affleck, "Gone Girl")
dazu, eine eigentlich aussichtslose Mission zu genehmigen: mit allen
Mitteln den hochtalentierten 21-jährigen College-Spieler Michael
Jordan für Nike zu gewinnen, obwohl dessen Agent David Falk (Chris
Messina, "Birds of Prey") bereits abgesagt und Sonny
klargemacht hat, daß Jordan keinerlei Interesse an Nike hat. Auf
einen Tip seines erfahrenen Kollegen Howard White (Chris Tucker,
"Silver Linings") hin umgeht Sonny aber den Agenten und besucht
direkt Jordans Eltern Deloris (Viola Davis, "Widows") und
James (Julius Tennon, "The Woman King"). Deloris zeigt sich
zunächst unbeeindruckt von Sonnys Chuzpe, doch bei den weiteren
Verhandlungen mit den anderen Unternehmen merkt sie, daß Sonny mit
vielem Recht hatte ...
Kritik:
Nach der Apple TV+-Produktion "Tetris"
(über die Verhandlungen über die Lizenzrechte für ein
Computerspiel in den 1980er Jahren) setzt Hollywood die lose Reihe
"Filme, die auf denkbar unspektakulär erscheinenden wahren
Begebenheiten basieren" fort mit einem Werk über die
Verhandlungen eines Nike-Managers über eine Werbepartnerschaft mit
einem hochtalentierten angehenden Basketball-Star. Und erneut zeigt
sich: Jawohl, auch aus solch einem vermeintlich langweiligen Thema kann
man mit den richtigen Talenten vor und hinter der Kamera richtig viel herausholen. Das gelingt
Regisseur Ben Affleck ("Argo") und Drehbuch-Debütant Alex
Convery vor allem deshalb, weil sie sich bei dieser ebenfalls von einem Streaming-Dienst (Amazon) finanzierten Produktion ganz auf das Charisma von
Hauptdarsteller Matt Damon und auf die natürliche Autorität der
OSCAR-prämierten Schauspielgröße Viola Davis konzentrieren. Zudem
erzählen sie ihre mit reichlich 1980er Jahre-Kolorit
angereicherte Underdog-Story temporeich, humorvoll und in einem lockeren Tonfall, der die in der Theorie trockenen
Vertragsverhandlungen beinahe satirisch und mit einem deutlich
vernehmbaren Augenzwinkern präsentiert.
Ben Affleck – der
nicht allein als Regisseur fungiert, sondern zudem eine Nebenrolle als
mit Sonny befreundeter Nike-Unternehmenschef Phil Knight spielt –
verschwendet keine Zeit und konfrontiert das Publikum sofort mit
der brenzligen Situation des speziell im Basketball-Bereich von
seinen Konkurrenten nahezu abgehängten Sportartikelunternehmens.
Doch während seine Kollegen versuchen, aus der angespannten
Situation und den begrenzten Mitteln irgendwie das Beste
herauszuholen, will Sonny das nicht akzeptieren und stattdessen
lieber ins Risiko gehen und mit einem ganz großen Wurf das Ruder
zugunsten seines Arbeitgebers herumreißen. Das bedeutet für
ihn, nicht – wie es das Standardvorgehen wäre – ein paar gute
NBA-Spieler aus der zweiten Reihe als Werbepartner zu verpflichten,
sondern quasi das gesamte Budget in ein von allen gejagtes
Riesentalent zu investieren: Michael Jordan. Der spielt im Film selbst kaum eine Rolle; er ist nur ein paar Mal von hinten
oder von der Seite zu sehen und sagt auch ein paar Worte, doch die
Handlung konzentriert sich bewußt auf Sonnys Versuche, über
Michaels selbstbewußte Mutter an ihn heranzukommen. Wie er das
macht, ist für die Zuschauer sehr unterhaltsam zu verfolgen, gerade
weil Mama Jordan eben kein leichter Verhandlungspartner ist, sondern
Sonny durchschaut und ihm eigentlich keine Hoffnung auf einen
Erfolg macht – immerhin hat Michael selbst klar gesagt, daß er
kein Interesse an Nike hat, weil der Laden viel zu uncool sei. Das
Hin und Her zwischen dem charmanten Sonny und der skeptischen Deloris
ist das Herzstück von "Air", denn mit ein paar
Tricks und großem Wissen über die Konkurrenz bringt Sonny Michaels
Mutter irgendwann doch zum Nachdenken.
Obwohl Matt Damon
und Viola Davis klar im Mittelpunkt von "Air" stehen,
gefällt das gesamte Ensemble voller (wohl nicht ganz
realistisch) liebenswert-schrulliger Charaktere. Ben Affleck nimmt
sich angenehm zurück, hat aber ein paar witzige Dialoge mit seinem
Kumpel Damon – ebenso wie Chris Tucker und Jason Bateman ("Operation: Kingdom") als Sonnys Kollegen. Dazu haben die deutsche Schauspiel-Veteranin Barbara
Sukowa ("Rosa Luxemburg") und Gustaf Skarsgård
(TV-Serie "Vikings") einen netten Kurzauftritt als
adidas-Chefin Käthe
Dassler und ihr Sohn
Horst. Ein besonderer
Genuß ist jedoch Chris Messina, der für
seine Rolle als Jordans überlebensgroßer, leicht cholerischer Agent
David Falk sogar als OSCAR-Kandidat gehandelt wird. Zu
den Stärken des Films zählt, wie bereits erwähnt, die überzeugende
1980er Jahre-Atmosphäre, zu der ein gut ausgesuchter Soundtrack
maßgeblich beiträgt. Dieser nudelt nicht einfach nur einfallslos
die größten Hits dieser Dekade ab – auch wenn einige davon wie
Springsteens "Born in the U.S.A.", Cyndi Laupers "Time
After Time" oder "Money for Nothing" von den Dire
Straits Teil davon sind –, sondern bindet auch viele etwas weniger
bekannte Songs von Night
Ranger, Tangerine Dream, Mike & The Mechanics sowie Run-DMCs "My Adidas"
sinnvoll in die Handlung ein. Insgesamt
ist "Air" zwar kein Meisterwerk, aber eine richtig runde
Sache und unterhaltsames Hollywood-Kino im besten Sinne.
Fazit: "Air –
Der große Wurf" ist ein schöner Gute-Laune-Film über
eine folgenreiche Anekdote der Sport- und Unternehmengeschichte, der
mit einem gut durchdachten Drehbuch und einem glänzenden
Schauspielensemble überzeugt.
Wertung:
8 Punkte.
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