Originaltitel:
22-nenme no kokuhaku: Watashi ga satsujinhan desu
Regie: Yû Irie, Drehbuch: Kenya Hirata und Yû Irie, Musik: Masaru Yokoyama
Darsteller: Hideaki Itô, Tatsuya Fujiwara, Tôru Nakamura,
Ryô Iwamatsu, Kôichi Iwaki, Mitsuru Hirata, Anna Ishibashi, Hanazawa Toyotaka
FSK: nicht geprüft, Dauer: 118 Minuten.
Bis zur Mitte der 1990er Jahre gab es in Japan eine 15-jährige
Verjährungsfrist, die selbst für Kapitalverbrechen wie Mord galt. Das war das Glück eines
brutalen Serienkillers, der 1995 in Tokio fünf Menschen erwürgte und dabei
jeweils einen nahen Verwandten zwang, zuzusehen. Die Polizei um den
leitenden Detective Wataru Makimura (Hideaki Itô, "Der letzte Feldzug der Samurai") – der von der Mordserie
persönlich betroffen war – konnte dem Mörder nie auf die Spur kommen, 2010
verjährten seine Taten schließlich. Sieben weitere Jahre darauf
meldet sich der Täter zu Wort: Masato Sonezaki (Tatsuya Fujiwara, "Battle Royale") hat
angesichts seiner juristischen Unangreifbarkeit ein Buch über die Morde
geschrieben, das mit gewaltigem Trara veröffentlicht wird und sofort zum Bestseller avanciert. Angeblich will Sonezaki mit der Enthüllung seiner Identität ein Stück
weit Buße tun und den Angehörigen der Opfer Gewißheit verschaffen – doch
die sind natürlich alles andere als glücklich darüber, daß der Mörder ihrer
Liebsten nun auch noch viel Geld mit seinen Untaten verdient und zu einer Art
Popstar wird. So ist es kein Wunder, daß bald von einem bevorstehenden
Mordanschlag auf ihn gemunkelt wird, den ausgerechnet Detective Makimura
verhindern soll. Und dann ist da noch der renommierte TV-Journalist Toshio
Sendo (Toru Nakamura aus "K-20: Die Legende der schwarzen Maske"), dessen Karriere durch seine Reportage über die Mordserie
einen großen Schub erhielt und der sich deshalb nun dazu berufen fühlt,
Sonezaki in einem Live-Interview zu entzaubern – zumal er Zweifel daran hegt,
daß der tatsächlich der Täter ist …
Kritik:
"Memoirs of a Murderer" ist ein japanisches Remake
des südkoreanischen Films "Confession of Murder –
Tödliches Geständnis" aus dem Jahr 2012 – den ich allerdings nicht gesehen
habe, dementsprechend kann und werde ich keine Vergleiche zwischen Original und
Remake ziehen. Für sich genommen ist "Memoirs of a Murderer"
jedenfalls ein sehr solider Genrebeitrag des in Japan vorwiegend als TV-Serien-Regisseur
und -Autor bekannten Yû Irie, verspielt allerdings im ebenso übertrieben
konstruierten wie generischen letzten Akt viel von dem Kredit, den er sich
zuvor erarbeitet hat. Solange es sich primär um ein spannungsgeladenes Verwirrspiel handelt, bei
dem man als Zuschauer miträtselt, was genau eigentlich vor sich geht, bereitet
"Memoirs of a Murderer" viel Freude, am Ende verrät er jedoch diese Stärken zugunsten eines plakativen und wenig glaubwürdigen, dafür umso actionreicheren Showdown. Das zieht die Einschätzung des Films
deutlich nach unten, überschattet die überzeugenden ersten beiden Filmdrittel
aber keineswegs komplett.
Zunächst lebt "Memoirs of a Murderer" von der
wirklich außergewöhnlichen Prämisse, die einen als Zuschauer erst mal dazu
anregt, über die Realitätsnähe zu sinnieren. Wäre so ein Szenario tatsächlich
möglich oder braucht es einen guten Schuß "suspension of disbelief",
um sich auf die Geschichte einzulassen? Nun, all das, was zur Verjährung von Mord
erzählt wird, entspricht den Fakten – und das ist keineswegs ein rein
japanisches Phänomen, denn in vielen Ländern wurde die Verjährung von
Mordfällen und anderen Kapitalverbrechen erst in den letzten paar Jahrzehnten abgeschafft (in Deutschland
beispielsweise wurde sie in meinem Geburtsjahr 1979 vollständig aufgehoben,
übrigens maßgeblich als Konsequenz der langsamen Aufarbeitung der Kriegsverbrechen
im Dritten Reich). Japan war also recht spät dran mit dieser sehr sinnvollen
Rechtsänderung, was der vorliegenden Geschichte in die Hände spielt. Während
dieser Aspekt somit realitätsgetreu ist, wirken andere Entwicklungen weniger
glaubwürdig. Die Publikation der titelgebenden Memoiren eines Mörders als
Buch etwa wäre meiner Einschätzung nach zwar auch in der westlichen Welt
möglich – denn das kommerzielle Potential läßt sich nicht leugnen –, wahrscheinlich
würden sich angesichts der enorm kontroversen Thematik aber nur moralisch
flexible Nischenverlage heranwagen, keine etablierten Verlagshäuser, die auf
ihren Ruf achten müssen und außerdem nicht riskieren können, ihre eigenen langjährigen
Autoren zu vergraulen. Zugegebenermaßen kann ich allerdings nur schwer
einschätzen, ob das auch auf Japan zutrifft, wo bekanntlich – auch abseits der
üblichen Klischees – vieles *etwas* anders abläuft als in Europa oder Amerika. So
gesehen bin ich bereit, diesen Teil der Geschichten einfach guten Glaubens zu
akzeptieren. Anrechnen muß man den Film, daß er diesen Aspekt nicht gänzlich
außer Acht läßt, wenngleich er relativ alibihaft (größtenteils mittels kurzer
Zusammenschnitte der Reaktionen von Experten im TV und Passanten auf der
Straße) abgehandelt wird und es meines Erachtens nicht vermag, ein authentisches und umfassendes Bild der Reaktionen auf ein solch unerhörtes Vorgehen zu zeichnen sowie der unweigerlichen öffentlichen Diskussionen darüber.
Richtig problematisch wird es allerdings, wenn wir zur
regelrechten Heldenverehrung des – um das noch einmal zu erwähnen – geständigen
Mehrfach-Mörders Sonezaki kommen. Klar, es ist nicht so ungewöhnlich, daß
charismatische Serienmörder á la Charles Manson aus welchen Gründen auch immer
eine leidenschaftliche Fanschar um sich versammeln – und Sonezaki ist weißgott
gutaussehend genug, um ein paar fehlgeleitete Groupies anzulocken. Aber daß er
zu einem derartigen Popstar aufsteigt, der von den Medien hofiert und von unzähligen
Anhängern gefeiert wird (wenn auch gleichzeitig von vielen angefeindet), das
wirkt doch arg übertrieben – selbst für japanische Verhältnisse.
Dramaturgisch macht "Memoirs of a Murderer" hingegen zunächst viele
Dinge richtig: Die Story enthält zahlreiche, häufig dramatische Wendungen, von
denen einige zwar vorhersehbar sind (etwa, daß es Sonezaki nicht einfach nur um
Ruhm und Geld geht, sondern daß ihn eine verborgene Motivation
antreibt), etliche aber erfreulicherweise nicht. Natürlich ist manches ziemlich
konstruiert und die Masse an Wendungen ermüdet auf Dauer ein bißchen,
aber die meisten funktionieren und ergeben Sinn – einige erklären sogar
rückblickend gewisse Geschehnisse, die zunächst fragwürdig wirkten.
Gelungen sind insgesamt auch Figurenzeichnung und
Besetzung. Hideaki Itô gibt überzeugend den grimmigen, hartgesottenen Detective
Makimura, der von einer sehr persönlichen Motivation getrieben wird, während
der 15 Jahre zuvor als Hauptdarsteller des Kultfilms "Battle Royale" bekannt gewordene Tatsuya Fujiwara den schreibfreudigen Mörder Sonezaki mit angemessener Ambivalenz
verkörpert – meist kommt er ungemein charmant rüber, hin und wieder sieht man
jedoch die Abgründe durch seine Maske hindurchblitzen (auch wenn die vielleicht
etwas anders aussehen als man zunächst vermutet). Makimura und Sonezaki
funktionieren als Fixpunkte der Story ausgezeichnet und die Anspannung, die
logischerweise zwischen diesen beiden Figuren permanent herrscht, überträgt
sich auf die Zuschauer. Positiv anzumerken ist zudem, daß die "Zeugen"
der einstigen Bluttaten – darunter ein Yakuza-Boß, eine Buchhandlungs-Angestellte sowie ein
Chirug und Hospitalchef – sinnvoll in die Handlung eingebunden sind, wenn sie
auch letztlich Randfiguren bleiben.
Die Figurenvielfalt im Verbund mit der erzählstarken Story
sorgt allerdings dafür, daß der Film mitunter leicht überfrachtet wirkt – und
wer sich nicht gut mit asiatischem Kino auskennt, dem werden vermutlich
auch einige aus westlicher Perspektive übermäßig emotionale Ausbrüche
gewöhnungsbedürfig verkommen. Daß die Geschichte von "Memoirs of a
Murderer" nicht auf einen klaren Höhepunkt zusteuert, sondern aufgrund der vielen Wendungen eher auf etliche kleinere, ist zudem dramaturgisch nicht
ganz unproblematisch, aber verschmerzbar. Ärgerlich ist dagegen, daß der Film
im letzten Drittel vom bis dahin so raffiniert konstruierten und ebenso
phantasievoll wie rasant vorangetriebenen kleinen Genrejuwel zum
weitestgehend generischen Genrevertreter verkommt. Es macht ein wenig den
Eindruck, als wären den Drehbuch-Autoren die Ideen ausgegangen, um die
Story zu einem angemessenen Ende zu bringen, weshalb sie stattdessen einfach
auf einen klischeehaften Action-Showdown zurückgriffen. Der ist für sich
betrachtet ganz solide inszeniert, muß aber im direkten Vergleich mit dem zuvor
Gebotenen als Enttäuschung bewertet werden, zumal der bis dahin recht
stark ausgeprägte (psychologische) Tiefgang beinahe vollständig auf der Strecke
bleibt. Das ist ausgesprochen bedauerlich und verwehrt "Memoirs of a
Murderer" den Eingang in die Bestenliste seines Genres; ein insgesamt
ansprechender Thriller ist er dennoch.
Fazit: "Memoirs of a Murderer" ist ein
Thriller mit faszinierender Prämisse, der zunächst mit interessanten Figuren und vielen Wendungen überzeugt, im actionreichen Showdown jedoch
allzu tief in die Klischee-Schublade greift.
Wertung: Knapp 7,5 Punkte.
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