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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 7. September 2023

TETRIS (2023)

Regie: Jon S. Baird, Drehbuch: Noah Pink, Musik: Lorne Balfe
Darsteller: Taron Egerton, Nikita Jefremov, Sofia Lebedeva, Igor Grabuzov, Toby Jones, Anthony Boyle, Roger Allam, Oleg Shtefanko, Ben Miles, Ken Yamamura, Ayane Nagabuchi, Matthew Marsh, Kanon Narumi, Ieva Andrejavaite, Togo Igawa, Len Blavatnik
Tetris (2023) on IMDb Rotten Tomatoes: 82% (6,7); Altersempfehlung: 12, Dauer: 118 Minuten.
Der mit seiner Familie in Japan lebende holländisch-amerikanische Spiele-Programmierer Henk Rogers (Taron Egerton, "Rocketman") ist eigentlich bei der Consumer Electronics Show des Jahres 1988 in Las Vegas, um dort seine Brettspiel-Adaption "Go" zu verkaufen – allerdings mit wenig Erfolg. Dafür stößt er bei einem Konkurrenzstand auf ein neues, ursprünglich aus der Sowjetunion stammendes Geschicklichkeitsspiel namens "Tetris", dessen Hit-Potential Henk sofort erkennt. Er erwirbt vom amerikanischen Lizenzhalter Mirrorsoft die Japan-Rechte für das Spiel und das läuft so gut, daß er diese bald ausweiten möchte. Um das zu erreichen, reist er entgegen aller Warnungen illegal nach Moskau, um direkt mit "Tetris"-Erfinder Alexey Pajitnow (Nikita Yefremov, TV-Serie "Londongrad") und dessen Arbeitgeber – dem staatlichen Moskauer Computer- und Wissenschaftszentrum – zu verhandeln. Dummerweise stellt sich dort heraus, daß Mirrorsoft jene Rechte, die sie an Henk verkauft haben, gar nicht besaßen – jedenfalls nicht nach Meinung der Sowjets. Somit ergeben sich langwierige Verhandlungen zwischen den Sowjets, Henk, dem britischen Zwischenhändler Robert Stein (Toby Jones, "Captain America") und dem Mirrorsoft-Chef Robert Maxwell (Roger Allam, "A Royal Night") sowie dessen Sohn Kevin (Anthony Boyle, "Tolkien"). Und das allen unter den mitleidlosen Augen des so korrupten wie skrupellosen KGB-Offiziers Valentin Trifonov (Igor Grabuzov) ...

Kritik:
Hollywood verfilmt ja sehr gerne – mal mehr, mal weniger authentisch – wahre Geschichten. Kriegsfilme, Dramen, Komödien und natürlich Biopics, die Auswahl ist auch hinsichtlich der Genres groß. Auf die Idee, einen Film über die Verhandlungen über die Auslandsrechte eines Computerspiels zu drehen, muß man aber erstmal kommen … Der kanadische Drehbuch-Autor Noah Pink, für den es nach der eher mißglückten Mediensatire "This Is Your Death" das zweite Kinoskript ist, kam auf genau diese Idee – und es war erstaunlicherweise eine ziemlich gute! Natürlich sind bei genauer Betrachtung die einzelnen Elemente der Story durchaus interessant: Die zwischen Kommunismus und Korruption zerfallende Sowjetunion trifft auf amerikanischen Kapitalismus, Kunst auf Kommerz und diverse sehr unterschiedliche Charaktere versuchen, irgendwie zu einem Ergebnis zu kommen. Um das Ganze etwas aufzuhübschen – immerhin geht es letztlich trotzdem nur um die ziemlich trockenen Verhandlungen über die Lizenzrechte eines Computerspiels –, werden ein Spionage-Plot und ein fieser KGB-Bösewicht erfunden, und fertig ist "Tetris". Die Apple TV+-Produktion vom britischen Regisseur Jon S. Baird ("Stan & Ollie") erfindet das Rad nicht neu und es ist ziemlich offensichtlich, welche Passagen reine Fiktion sind; das ändert aber nichts daran, daß "Tetris" ein bemerkenswert unterhaltsamer Film geworden ist.

Daß "Tetris" so gut funktioniert, liegt primär daran, daß man der Produktion in so ziemlich jeder Hinsicht anmerkt, daß sie mit viel Sorgfalt und Hingabe gestaltet wurde. Das 1980er Jahre-Setting ist optisch wie akustisch liebevoll umgesetzt, wobei die durchaus kuriose Soundtrack-Mischung westliche Popsongs von Europe oder den Pet Shop Boys direkt neben russische Militärchöre sowie russischsprachige Coverversionen westlicher Hits wie Bonnie Tylers "Holding Out for a Hero" stellt. Ein sehr nettes Gimmick ist zudem, daß jeder Zeit- oder Ortswechsel in Pixel-Computerspielgrafik eingeleitet wird und der Film in "Levels" mit "Playern" aufgeteilt ist. Besonders eindrucksvoll ist eine Autoverfolgungsjagd zum Moskauer Flughafen geraten, die immer wieder zwischen Realfilm und Pixelgrafik changiert. Im Mittelpunkt der Handlung stehen jedoch in der Tat die Verhandlungen rund um die Auslandsrechte für verschiedene Plattformen des Kultspiels "Tetris". Das klingt sehr trocken, wird aber durch die zahlreichen verschiedenen Parteien kräftig aufgelockert. Wenn die mit internationalen Verträgen ziemlich unerfahrenen Russen parallel mit Henk, Stein und den Mirrorsoft-Leuten verhandeln, dann ist das auch für das Publikum sehr unterhaltsam, zumal die Dialoge recht locker geschrieben sind.

Der zweite große Storystrang von "Tetris" ist die KGB-Beteiligung – daß diese weitestgehend erfunden wurde, kann man sich als Zuschauer zwar denken, dramaturgisch funktioniert es aber ziemlich gut. Der korrupte Trifonov gibt einen sehr soliden Antagonisten ab und ein paar nette Verfolgungsjagden und intensive Verhörszenen sorgen für Spannung, da gibt es abgesehen von einer gewissen Klischeehaftigkeit wenig Grund zur Klage. Das gilt erst Recht für die Besetzung von "Tetris": Taron Egerton liefert als sympathischer Nerd Henk Rogers erneut eine erstklassige Performance ab, unterstützt wird er von einem gut ausgesuchten Ensemble. Vor allem die sich entwickelnde Freundschaft zwischen Henk und dem vom Nikita Yefremov verkörperten, anfangs skeptischen Tetris-Erfinder Alexey wirkt glaubwürdig und hat etliche gute Momente zu bieten. Daneben überzeugen die beiden britischen Routiniers Toby Jones und Roger Allam als Henks Rivalen sowie Sofia Lebedeva (Netflix-Serie "Vikings: Valhalla") als Henks Moskauer Fahrerin Sasha und selbst kleine Rollen sind mit Darstellern wie Ben Miles (TV-Serie "Coupling"), Ken Yamamura ("Wolverine – Weg des Kriegers"), Rick Yune ("Ninja Assassin") oder Togo Igawa ("Last Samurai", als legendärer Nintendo-Chef Hiroshi Yamauchi) namhaft besetzt. Insgesamt ist "Tetris" ein vergnüglicher Film, der eine auf den ersten Blick unspektakuläre Geschichte in eine gelungene Feelgood-Story umwandelt.

Fazit: "Tetris" ist ein gut besetztes historisches Biopic, das seine wenig aufregende Handlung mit gut geschriebenen Charakteren und einem cleveren Drehbuch auf unterhaltsame Weise erzählt.

Wertung: 7,5 Punkte.

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