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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 3. März 2022

CRUELLA (2021)

Regie: Craig Gillespie, Drehbuch: Dana Fox und Tony McNamara, Musik: Nicholas Britell
Darsteller: Emma Stone, Emma Thompson, Joel Fry, Paul Walter Hauser, Mark Strong, John McCrea, Emily Beecham, Kirby Howell-Baptiste, Kayvan Novak, Haruka Abe, Andrew Leung, Jamie Demetriou, Waleed Akhtar, Tim Steed
Cruella (2021) on IMDb Rotten Tomatoes: 75% (6,8); weltweites Einspielergebnis: $233,5 Mio.
FSK: 6, Dauer: 134 Minuten.
Von klein auf ist Estella Miller ein ausgesprochen wildes, eigenwilliges Kind, das sich nichts gefallen läßt. Doch als sie deshalb von der Schule fliegt und dann noch ihre alleinerziehende Mutter stirbt, landet Estella in London auf der Straße, wo sie auf die Straßenjungen Horace und Jasper trifft und in ihnen eine Ersatzfamilie findet. Zehn Jahre später, in den 1970er Jahren, hält sich das Trio noch immer mit Taschendiebstählen und ähnlichen Gaunereien über Wasser, doch Estella (Emma Stone, "Birdman") träumt eigentlich davon, Modedesignerin zu werden. Als Jasper (Joel Fry, "Yesterday") und Horace (Paul Walter Hauser, "I, Tonya") Estella mit ihren Tricksereien eine Anstellung im für die Modeabteilung berühmten Kaufhaus Liberty verschaffen, scheint sie ihrem großen Ziel endlich näherzukommen – und obwohl sich der Job als ziemlich mies erweist, gelingt es Estella durch einen glücklichen Zufall, der berühmten Modedesignerin Baroneß von Hellman (Emma Thompson, "Men in Black: International") aufzufallen, welche sie kurzerhand engagiert. Obwohl die Baroneß eine äußerst anspruchsvolle Arbeitgeberin ist, blüht Estella regelrecht auf und wird zu einer Art Vertrauten der Baroneß – dann findet sie jedoch heraus, daß diese in den Tod ihrer Mutter verwickelt war und sinnt auf Rache. Dafür schafft sie als ihr Alter Ego die geheimnisvolle, maskierte Cruella, die mit ihren eigenen Modekreationen und gewagten Aktionen die Vormachtstellung der Baroneß attackiert und deren Modeimperium ins Wanken bringt ...

Kritik:
Während Disney viele Zeichentrick-Klassiker schlicht als ziemlich werktreue Realfilm-Remakes neu auflegt ("Aladdin", "The Jungle Book", "Die Schöne und das Biest"), würzt das Studio das Vorgehen mitunter mit einem Perspektivwechsel ("Maleficent") oder nimmt das Original nur als Basis für eine ziemlich freie Interpretation ("Dumbo"). Eine neue Facette bei diesen Realfilm-Adaptionen bietet Craig Gillespies ("Fright Night") "Cruella", das den Perspektivwechsel hin zur Antagonistin mit den beiden "Maleficent"-Filmen teilt, zugleich aber auch ein Prequel zu "101 Dalmatiner" ist (im Animationsbereich selbst gab es hingegen bereits einige Disney-Prequels, allerdings nur im Direct-to-Video- respektive TV-Bereich). Daß auch eine vermeintliche Schurkin als ambivalente Heldin eines eigenen Abenteuers funktioniert, hat Angelina Jolie bereits in den "Maleficent"-Filmen bewiesen – "Cruella" zeigt nun, daß das Konzept nicht allein mit OSCAR-Gewinnerin Jolie funktioniert, sondern auch mit anderen charismatischen Stars. Zwar sind die Einspielergebnisse nach normalen Maßstäben mittelmäßig ausgefallen, aber das ist großteils der Corona-Pandemie und der aus diesem Grund parallel zum Kinostart erfolgenden Premiere beim Streamingdienst Disney+ zu verdanken. Angesichts dieser Umstände lief "Cruella" richtig gut und konnte mit seiner interessanten Story und einem klarem Hang zur (vor allem visuellen) Extravaganz Kritiker und "normale" Zuschauer gleichermaßen überzeugen. Kein Wunder also, daß eine Fortsetzung vom gleichen Team bereits angekündigt ist – wenn die ähnlich lebhaft und unterhaltsam ausfällt wie "Cruella", dann kann man sich darüber nur freuen! Nebenbei bemerkt: Es ist gar nicht so einfach, den Film klar einem Genre zuzuordnen. Am ehesten ist "Cruella" eine Komödie, schließlich gibt es definitiv viel zu Lachen; aber so richtig trifft es das angesichts des Racheplots trotzdem nicht ...

"Cruella" hat genau zwei OSCAR-Nominierungen erhalten: für die Kostüme sowie für Makeup und Hairstyling. Das hat seinen Grund, denn die teils spektakulären Fashion-Kreationen – allen voran ein sich verwandelndes "Feuerkleid" von Cruella – der zweifachen OSCAR-Gewinnerin Jenny Beavan ("Mad Max: Fury Road") wie auch das gesamte extravagante Auftreten Cruellas und der Baroneß zählen zu den optischen Highlights von Gillespies Film und animieren immer wieder zu beeindrucktem Staunen. Der schwungvolle 1960er/1970er Jahre-Soundtrack mit The Doors, Queen, Nina Simone, Supertramp, Blondie oder den Bee Gees sorgt zudem für jede Menge gute Laune. Nichtsdestotrotz gelingt es "Cruella" aber nur phasenweise, den legendären Londoner "Swinging Sixties"-Flair zu erzeugen. Das viel gerühmte und in Filmklassikern wie "Blow Up", "Der gewisse Kniff", "Alfie" oder dem Beatles-Vehikel "A Hard Day's Night" kunstvoll festgehaltene London jener Jahre ist zwar der Schauplatz der Geschichte von Estella und der Baroneß, er spielt aber zu selten wirklich eine Rolle und verkommt die meiste Zeit zum relativ austauschbaren Beiwerk. Das ist bedauerlich, denn wenn man Cruella de Vils Vorgeschichte schon in den Swinging Sixties verortet, hätte man diese auch zu einem integralen Bestandteil machen sollen. Ein anderes Problem von "Cruella" überrascht kaum, denn erwartungsgemäß erweist es sich als schwierig, die fraglos eigenwillige und manchmal etwas zu verbissen auf ihre Karriere (und später auf ihre Rache) fixierte Estella im Lauf der mehr als zwei Stunden annähernd glaubwürdig in Richtung der furchterregenden "101 Dalmatiner"-Bösewichtin Cruella de Vil zu entwickeln – zumal angesichts einer dermaßen sympathischen Schauspielerin, wie es Emma Stone nun einmal ist.
 
Die Problematik war Gillespie und dem Drehbuch-Duo Dana Fox ("How to Be Single") und Tony McNamara (der bereits bei "The Favourite" für Emma Stone schrieb) offensichtlich bewußt und wurde wohl für mehr oder weniger unlösbar befunden, weshalb sich der Film viel Zeit läßt, bis Estella überhaupt erste Schritte zu Cruella macht. Und als sie dann ihr Alter Ego erfunden hat, wird diese Version von Cruella zwar zwielichtiger und besessener, doch angesichts des von ihr erlittenen Unrechts wendet man sich als Zuschauer trotzdem nicht ab. Letztlich müssen ihre beiden einzigen Freunde Jasper und Horace dafür herhalten, Estellas negative Entwicklung zu transportieren, denn daß sie das ihr loyal zur Seite stehende Duo immer schlechter behandelt, spricht wirklich nicht für sie (auch wenn das Ganze weit weniger dramatisch daherkommt als Jasper und Horace es uns verkaufen wollen …). Das ist aber letztlich nur ein kleines Manko, denn die meiste Zeit über macht "Cruella" richtig viel Spaß – vor allem immer dann, wenn die zwei vor Spielfreude geradezu sprühenden Emmas den Bildschirm teilen. Emma Thompson hat sichtlich Spaß an ihrer exaltierten Rolle der stets mit drei (als langjähriger Dalmatiner-Besitzer behaupte ich:) unglaubwürdig blutrünstigen Dalmatinern auftretende Baroneß und als sich die Mentorin-Schülerin-Beziehung zu einem rasanten (modischen) Zweikampf entwickelt, erweist sich Emma Stone als eine ebenbürtige, beeindruckend wandlungsfähige Leinwandpartnerin mit wieder einmal nahezu perfektem Comedy-Timing. Das übrige Ensemble macht seine Sache gut, bleibt neben den grandiosen Emmas aber wenig überraschend recht blaß. Während Joel Fry als charmanter Trickdieb Jasper und Paul Walter Hauser als sein etwas begriffsstutziger, aber liebenswerter Kumpel Horace noch einige gute Szenen haben, fällt vor allem die Rolle von Mark Strong ("Kingsman") als Vertrauter der Baroneß enttäuschend unspektakulär aus. Dies gilt auch für das Finale, das vergleichsweise phantasielos und konstruiert sowie vor allem wenig glaubwürdig vonstatten geht. Trotzdem: Insgesamt ist "Cruella" ein guter, spaßiger Film, der vor allem mit seinen wunderbaren Hauptdarstellerinnen und der extravaganten Optik begeistert.

Fazit: "Cruella" ist ein über weite Strecken sehr unterhaltsames "101 Dalmatiner"-Prequel, das die Transformation der charmanten Estella zur Dalmatiner-hassenden Oberschurkin zwar eher holprig vermittelt, jedoch mit grandioser Optik, einem starken Soundtrack und vor allem zwei tollen Hauptdarstellerinnen für viel gute Laune beim Publikum sorgt.

Wertung: Knapp 8 Punkte.
 
 
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