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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 16. September 2020

TOGO (2019)

Regie: Ericson Core, Drehbuch: Tom Flynn, Musik: Mark Isham
Darsteller: Willem Dafoe, Julianne Nicholson, Christopher Heyerdahl, Richard Dormer, Michael Greyeyes, Nikolai Nikolaeff, Thorbjørn Harr, Zahn McClarnon, Michael McElhatton, Madeline Wickins, Brandon Oakes, Adrien Dorval, Michael Gaston, Shaun Benson, Jamie McShane
Togo (2019) on IMDb Rotten Tomatoes: 92% (7,5); Altersfreigabe: 0, Dauer: 114 Minuten.
Als der junge Norweger Leonhard Seppala (Willem Dafoe, "Der Leuchtturm") im Jahr 1900 nach Alaska auswanderte, wurde er vom dortigen Goldrausch angelockt und hoffte wie viele andere Goldsucher, reich zu werden. Doch diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen, und so mußte sich Leonhard eine andere Methode suchen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen – er wurde mit seiner belgischen Gattin Constance (Julianne Nicholson, "Black Mass") Hundeschlittenzüchter und -trainer. Als im Winter 1925 in der Stadt Nome die Diphterie ausbricht und vor allem Kinder betroffen sind, muß die benötigte Medizin aus dem mehrere Tage entfernten Nenana gebracht werden – angesichts eines aufziehenden Jahrhundertsturms ist ein Flug aber unmöglich. Somit bleiben Schlittenhund-Gespanne die einzige Möglichkeit, die Medizin rechtzeitig nach Nome zu bringen, auch wenn der Weg im Sturm ungemein gefährlich ist. Die schwierigste und längste Etappe der geplanten Staffel soll nach dem Willen von Bürgermeister Maynard (Christopher Heyerdahl, TV-Serie "Hell on Wheels") Leonhard übernehmen, dessen bereits 12 Jahre alter Leithund Togo der wahrscheinlich beste Schlittenhund in ganz Alaska ist …

Kritik:
Es wäre vermutlich übertrieben, den Schlittenhunde-Film als ein eigenes Genre zu bezeichnen, aber zumindest als Subgenre des Tier- oder auch des Abenteuerfilms hat er sich in Hollywood mit einer Handvoll von Vertretern durchaus etabliert. Als bislang bekanntester, erfolgreichster und bester Schlittenhunde-Film gilt allgemein Frank Marshalls dramatisches Survival-Abenteuer "Antarctica – Gefangen im Eis" aus dem Jahr 2006, doch auch Charles Haids "Iron Will – Der Wille zum Sieg" (1994) mit Kevin Spacey und Simon Wells' Animationsfilm "Balto" von 1995 (in dem es um die gleiche Geschichte wie in "Togo" geht, aber der Leithund des letzten Gespanns in der Staffel im Mittelpunkt steht) haben ihre Anhänger. Kurz nach dem Start des Streaming-Dienstes Disney+ erhielt "Antarctica" einen sehr ernsthaften Herausforderer, denn als eine der ersten Disney+-Eigenproduktionen wurde Ende 2019 "Togo" von Regisseur Ericson Core (wurde als Kameramann von u.a. "The Fast and the Furious" bekannt und inszenierte das Football-Drama "Unbesiegbar" und das "Point Break"-Remake) vorgestellt – und kam bei Kritikern und Publikum glänzend an. Zumindest gilt das für das nordamerikanische Publikum, denn weil Disney+ zu diesem Zeitpunkt nur in wenigen weiteren Ländern (legal) verfügbar war, flog "Togo" doch ein wenig unter dem Radar der filminteressierten Öffentlichkeit. Das ist sehr bedauerlich, denn wenngleich "Togo" dem Subgenre wenig Neues hinzufügt, ist Regisseur Core und seinem Team ein höchst unterhaltsamer, spannender und zu Herzen gehender Film mit nur wenigen Schwächen geglückt, der ein möglichst großes Publikum verdient hätte – angesichts der von Core in einer Doppelfunktion als Kameramann eingefangenen beeindruckenden Bilder übrigens idealerweise im Kino, aber da hatte Disney leider etwas dagegen.

Ein schwer zu überwindendes Problem des Schlittenhunde-Films ist es, daß sich die Anzahl der Widrigkeiten, mit denen die Protagonisten – die menschlichen wie auch die tierischen – konfrontiert werden können, in relativ engen Grenzen hält. Wetter, Unfälle mit Verletzungs- oder Todesfolge, Erschöpfung/Hunger – sehr viel mehr geht nicht. "Antarctica" hat mit seinem zwar lose auf einer wahren Geschichte basierenden, aber in den Details weitestgehend fiktionalen Extremszenario, in dem die Hunde ganz ohne menschliche Hilfe monatelang in einer denkbar lebensfeindlichen Umgebung überleben müssen, wohl das Maximum an Variation herausgeholt, inklusive eines Seelöwen-Angriffs. Da "Togo" sich weit stärker an die historischen Ereignisse hält (die dank der menschlichen Anwesenheit natürlich auch viel besser dokumentiert sind) und diese nicht ganz so dramatisch waren wie die erfundenen Teile der "Antarctica"-Story, hat er gar keine andere Chance, als die Schlittenhunde-Staffel erheblich weniger abwechslungsreich zu schildern. Seppala und sein Gespann rasen bei schlechter Sicht und stürmischem Wind durch die winterliche Landschaft und müssen ständig befürchten, einen folgenschweren Unfall zu bauen, aber ansonsten sorgt lediglich die todesmutige Überquerung einer von (wegen der Meeresströmung) brüchigem Eis bedeckten Meerenge für spektakuläre Szenen. Diese relative Monotonie macht Regisseur Core durch eine sehr effktive Inszenierung wett, die das Publikum mit vor höchster Spannung angehaltenem Atem mit Mensch und Hunden mitzittern läßt.

Dieser Teil von "Togo" ist also handwerklich einwandfrei gemacht und sehr spannend, jedoch nur überschaubar originell, weshalb Core ihn klugerweise nicht unnötig in die Länge zieht. Das bedeutet aber auch, daß noch Stoff fehlt, um aus der Geschichte einen knapp zweistündigen Film zu machen. Die Lösung, die sich Drehbuch-Autor Tom Flynn ("Begabt – Die Gleichung eines Lebens") dafür ausgedacht hat, sind ausführliche Rückblenden, die Togos Werdegang zeigen. Zugegeben, auch dieses Stilmittel ist alles andere als bahnbrechend, aber bekanntlich kommt es in erster Linie auf die Umsetzung an – und die ist bei "Togo" so glänzend gelungen, daß die humorvollen Rückblenden sogar noch unterhaltsamer ausfallen als die dramatische Gegenwarts-Handlung. In erster Linie ist das dem tierischen Hauptdarsteller geschuldet, denn nachdem der schwächliche Welpe nur dank Constances Fürsprache die ersten Tage überlebt, entwickelt er sich schnell zu einem wahren Teufelsbraten, der Seppala noch den letzten Nerv raubt. Wie sich zwischen dem bärbeißigen Mann, der die Hunde bewußt als reine Arbeitstiere betrachtet, damit sie ihm nicht zu sehr ans Herz wachsen, und dem abenteuerlustigen, von scheinbar unersättlicher Energie und ungeahntem Erfindungsreichtum beim Entkommen aus geschlossenen Räumen getriebenen Junghund nach und nach ein tiefes Band entwickelt, ist sicher nicht nur für einen erklärten Hunde-Freund wie mich höchst vergnüglich anzuschauen.

Eine wichtige Rolle spielt allerdings auch Seppalas Gattin Constance, die sich praktisch sofort in Togo verliebt und zum Unwillen ihres Mannes ihre schützende Hand über das Energiebündel hält. Julianne Nicholson ist eine glänzende Besetzung für diese keineswegs zweitrangige Rolle, welche sie ungemein sympathisch und mit großer Gelassenheit und Freundlichkeit verkörpert, wobei sie mit Togo (in verschiedenen Altersstufen) ebenso glänzend harmoniert wie mit Willem Dafoe, der Seppalas langsame und eigentlich unwillige Annäherung an Togo so überzeugend spielt, wie man es von einem Schauspieler seiner Klasse nicht anders erwartet. Visuell gibt es an "Togo" wenig auszusetzen: Auch wenn man angesichts des Sturmes häufig nicht allzu viel sieht, macht der gelernte Kameramann Ericson Core das unwirtliche, lebensbedrohende Wetter für das Publikum zu Hause im Warmen gekonnt spürbar. Die Musik von Mark Isham (der auch schon für den Score zu "Antarctica" verantwortlich zeichnete) fügt sich derweil harmonisch ein, ohne großartig aufzufallen. Nicht ganz sicher bin ich mir allerdings, ob es wirklich nötig war, die finalen Minuten des Films mit Max Richters bereits mehrfach in Filmen wie "Arrival", "Schräger als Fiktion" oder "Shutter Island" verwendetem "On the Nature of Daylight" zu unterlegen – so grandios und emotional dieses Musikstückt ist, hat "Togo" eine derartige Gefühlsmanipulation eigentlich überhaupt nicht nötig. Andererseits gestehe ich aber gerne zu, daß das Ende von "Togo" auf diese Weise einwandfrei funktioniert, ein wirklicher Minuspunkt ist das also nicht. Letztlich ist "Togo" – wie so viele Hundefilme – mehr ein Liebesfilm über die unverbrüchliche Liebe zwischen Hund und Mensch als das historische Survival-Drama, das er vordergründig ist. Vor allem aber ist "Togo" ein sehr guter und charmanter Film für die ganze Familie.

Fazit: "Togo" ist eine höchst unterhaltsame Mischung aus Survival-Drama und Hundefilm, die mit Spannung, Charme, Dramatik und Humor für viel gute Laune sorgt.

Wertung: 8,5 Punkte.

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