Regie und Drehbuch: Greta Gerwig, Musik: Alexandre Desplat
Darsteller:
Saoirse Ronan, Florence Pugh, Timothée Chalamet, Emma Watson, Eliza Scanlen,
Laura Dern, Chris Cooper, Meryl Streep, James Norton, Louis Garrel, Jayne Houdyshell, Bob Odenkirk,
Tracy Letts, Dash Barber, Hadley Robinson, Sasha Frolova
FSK: 0, Dauer: 135 Minuten.
Während des amerikanischen Bürgerkrieges wachsen die vier March-Schwestern in den 1860er
Jahren mit ihrer Mutter (Laura Dern,
"Marriage Story") behütet im ländlichen Massachusetts in den Nordstaaten auf,
während ihr Vater (Bob Odenkirk, "Long Shot") im Krieg kämpft. Obwohl
die Schwestern in ihrer Persönlichkeit verschieden sind, eint sie neben
der unverbrüchlichen Liebe füreinander ihr künstlerisches Talent: Die
verantwortungsbewußte Meg (Emma Watson, "Vielleicht lieber morgen")
ist eine Schauspielerin, die burschikose Jo (Saoirse Ronan, "Maria Stuart, Königin von Schottland") –
die viel lieber ein Junge wäre – Schriftstellerin, die brave Beth (Eliza Scanlen,
TV-Serie "Sharp Objects") spielt Klavier und das verwöhnte Nesthäkchen
Amy (Florence Pugh, "Fighting with My Family") malt. Doch das 19.
Jahrhundert ist keine Zeit, in der sich Frauen ohne weiteres selbst
verwirklichen können und so erwartet die Gesellschaft
von ihnen in erster Linie, brave Ehefrauen zu werden, wenn sie erwachsen sind. Während Meg sich damit
abfindet und den etwas langweiligen, aber liebevollen Lehrer John Brooks (James Norton,
"Mr. Turner") heiratet, verfolgt Jo weiterhin ihren Traum, als
Schriftstellerin ihren Lebensunterhalt zu verdienen und geht dafür schmerzhafte
künstlerische Kompromisse ein. Von Heirat will sie derweil nichts wissen –
zur Verbitterung des wohlhabenden Nachbarsjungen Laurie (Timothée Chalamet,
"Interstellar"), der mit den March-Schwestern aufgewachsen und schon
lange Zeit in Jo verliebt ist. Dann erkrankt auch noch Beth schwer …
Kritik:
Der Ende der 1860er Jahre erschienene Roman "Little
Women" von Louisa May Alcott ist in den USA auch 150 Jahre später noch
sehr populär und gilt als Klassiker der amerikanischen Literatur (zu dem sie
zwei Fortsetzungen veröffentlichte). Kein Wunder, daß er schon mehrfach
fürs Kino adaptiert wurde, wobei mit George Cukors "Vier Schwestern"
aus dem Jahr 1933 (mit Katharine Hepburn), Mervyn LeRoys "Kleine tapfere
Jo" von 1949 (mit den jungen Janet Leigh und Elizabeth Taylor) und Gillian
Armstrongs "Betty und ihre Schwestern" (1994, mit Winona Ryder und
Gabriel Byrne) gleich drei davon sogar OSCAR-Ehren erfuhren. Die autobiographisch
geprägte Geschichte der March-Schwestern scheint ebenso unkaputtbar wie
zeitlos zu sein, trotzdem hat Greta Gerwig ("Lady Bird") sie in ihrer zweiten Regiearbeit behutsam modernisiert – was möglicherweise nicht
jedem gefallen mag, aber dramaturgisch Sinn ergibt und speziell beim Ende sogar näher an den
tatsächlichen Absichten von Autorin Alcott sein dürfte als ihr Roman (in dem
sie teilweise Wünschen ihres Verlegers oder ihrer Leser nachgab - Letzteres war möglich, da "Little Women" in zwei Teilen erschien, die erst nachträglich zusammengefaßt wurden). Von den
bisherigen Verfilmung kenne ich lediglich "Kleine tapfere Jo", der mir in
seiner selbstbewußten, für jene Hollywood-Ära typischen Sentimentalität
ausgesprochen gut gefallen hat. Bei Gerwigs für sechs OSCARs nominierter Version (letztlich gab es nur den Goldjungen für die besten Kostüme) handelt es sich gleichfalls um eine gelungene Adaption,
bei der die Besetzung sogar noch besser ist – trotzdem reicht er für mich mit seiner etwas nüchterneren Machart nicht ganz an "Kleine tapfere
Joe" heran.
Der offensichtlichste Unterschied von Gerwigs "Little
Women" zum Buch wie auch (soweit ich weiß) zu den vorherigen Verfilmungen
ist der Abschied von der chronologischen Erzählweise. Gerwig springt
zwischen den Jahren 1861 und 1868 hin und her, was für etwas Dynamik sorgt,
meines Erachtens aber nur in einem konkreten Aspekt der Geschichte (der mit
Beth' Krankheit zu tun hat) einen wirklich Vorteil bringt. Da nur der
erste Zeitsprung per Texteinblendung klar benannt wird, muß man als
Zuschauer etwas aufpassen, um nicht durcheinanderzukommen, auch
wenn Gerwig den Wechsel der Zeitebenen durch visuelle Hinweise wie Jos Frisur
deutlich genug hervorhebt, daß man mit kurzem Nachdenken stets weiß, in welchem
Jahr man sich gerade befindet. Letztlich halte ich die nicht-chronologische
Szenenanordnung zwar nicht für nötig, sie stört aber auch nicht und daß sie dem
Publikum etwas mehr Konzentration abfordert, ist ja nicht per se schlecht. Im
Zentrum von "Little Women" stehen selbstredend die fünf March-Frauen (auch wenn die von Laura Dern einfühlsam gespielte Mutter etwas zurückstehen muß),
ihre Beziehungen untereinander und die Frage, wie sich ihre Lebenswege entwickeln, als sie erwachsen werden. Wie im Buch erfährt Jo, die Zweitgeborene, die
meiste Aufmerksamkeit – kein Wunder, ist sie doch das Alter Ego der
Romanautorin Louisa May Alcott. Ist sie schon im Buch eine selbstbewußte, gegen
die Konventionen ihrer Zeit ankämpfende Frau, haben Gerwig und Darstellerin
Saoirse Ronan sie sogar noch etwas moderner angelegt. Diesem Zweck dient vor
allem die Rahmenhandlung, die Jos Kommunikation mit dem Verleger Mr. Dashwood
(Tracy Letts, "Le Mans 66") nachzeichnet, der Jos Texte zwar für gut hält, ihr jedoch klare
inhaltliche Vorgaben macht ("Frauen müssen am Ende der Geschichte
verheiratet sein – oder tot!"); doch auch sonst ist Jo eine Frau, die sich
durchzusetzen weiß.
Saoirse Ronans Verkörperung von Jo March ist wenig
überraschend sehr überzeugend geraten – die immer noch erst 25 Jahre alte Irin
ist eine der besten Schauspielerinnen ihrer Generation und wurde für diese
Rolle nicht ohne Grund bereits zum vierten Mal für einen Academy Award
nominiert (nach "Abbitte", "Brooklyn" und "Lady
Bird"). Sie interpretiert Jo als ebenso bestimmt und manchmal sogar stur
wie sie feinfühlig ist, zudem ist sie sehr aufbrausend und kann nicht
wirklich gut mit Kritik umgehen. Jo ist keine idealisierte Filmheldin, sie hat
und sie macht ihre Fehler und trifft falsche Entscheidungen. Kurzum: Jo March ist
eine sympathische und wie aus dem Leben gegriffene Person. Die vielleicht
wichtigste inhaltliche Änderung von Gerwigs "Little Women" zu den
bisher bekannten Versionen der Geschichte betrifft derweil die jüngste March-Schwester
Amy. Hat diese normalerweise ihren Ruf als unsympathischstes der Mädchen weg, als verzogene Göre, die
sich besonders mit Jo regelmäßig fetzt und einige wirklich bösartige Dinge
macht, wird sie hier ein Stück weit rehabilitiert. Jawohl, sie ist immer noch
verwöhnt und mitunter krankhaft nachtragend, doch sie wirkt weit weniger
klischeehaft als Fiesling der Story konzipiert, sondern darf
sogar die deutlichste und dabei absolut glaubwürdige Entwicklung der vier
Schwestern durchlaufen und avanciert schließlich sogar zum Scenestealer. Das
ist nicht nur das Verdienst von Greta Gerwigs sorgfältig durchdachter
Drehbuch-Adaption, sondern auch jenes der Schauspielerin Florence Pugh, die Amy in
ihren guten und den schlechten Momenten so einnehmend und leidenschaftlich
verkörpert, daß man es nur bewundern kann. Zum Lohn wurde sie wie Saoirse Ronan
für einen OSCAR nominiert, wobei es für sie – die, obwohl sie nur zwei Jahre
jünger ist als Ronan, immer noch eine Newcomerin ist, die eigentlich erst 2019
mit "Fighting with My Family", "Midsommar" und eben
"Little Women" ihren Durchbruch feierte – die erste Nominierung ist.
Ebenfalls noch ziemlich neu im Geschäft ist die Australierin
Eliza Scanlen, die als gutmütige und besonders liebenswerte Beth einige gefühlvolle Szenen
mit Lauries von Chris Cooper ("Die Muppets") verkörpertem Großvater
hat, ansonsten aber wegen ihrer Krankheit in erster Linie sehenswert leiden muß – was
sie glänzend hinbekommt. Neben diesem Trio sieht die arme Emma Watson als Meg etwas blaß
aus, man muß ihr aber zugestehen, daß Meg die klar am langweiligsten geschriebene
der vier Schwestern ist. Eine starke Leistung liefert dafür Timothée Chalamet in der
einzigen männlichen Hauptrolle ab, die durchaus vergleichbar mit Amy ist: Mal
wirkt er liebenswert, mitfühlend und freundlich, mal (besonders nach Alkoholkonsum)
gehässig und eifersüchtig. Wobei das bei ihm recht deutlich in die beiden
Zeitebenen unterteilt ist, denn seine schlechten Seiten scheinen erst 1868 richtig durch (wofür es durchaus nachvollziehbare Gründe gibt). Nicht unerwähnt
soll auch Meryl Streep ("Mary Poppins' Rückkehr") bleiben, die ihre eher kleine Rolle als reiche Tante
gewohnt souverän und spielfreudig absolviert, ohne ihren jungen Kolleginnen die
Schau zu stehlen. Vor allem die erste Hälfte von "Little Women" macht wirklich viel Spaß. Gerwigs Inszenierung ist leichtfüßig und präzise, die leicht
modernisierten Dialoge speziell in den Auseinandersetzungen der Schwestern
wirken absolut authentisch und die verspielte, ebenfalls OSCAR-nominierte Musik von
Alexandre Desplat ("Isle of Dogs") paßt perfekt zum Geschehen auf der Leinwand. Die zweite
Hälfte konnte mich nicht mehr ganz so sehr überzeugen, denn hier wirkt alles
etwas schwerfälliger und mancher Handlungsstrang ist stärker in die Länge
gezogen als notwendig. Daß auch der Humor zunehmend flöten geht, ist natürlich
in erster Linie der inhaltlichen Entwicklung geschuldet, dennoch bleibt
festzuhalten, daß der Unterhaltsamkeitsgrad der ersten Stunde unerreicht
bleibt. Alles in allem ist "Little Women" trotzdem auch in der neuesten
(aber mit Sicherheit nicht letzten) Version immer noch eine schöne,
intelligente, glaubwürdige und zu Herzen gehende Geschichte.
Fazit: "Little Women" ist eine gelungene,
über weite Strecken leichtfüßige Neuinterpretation des US-Literaturklassikers,
der behutsam modernisiert wurde und von einem starken Ensemble getragen wird.
Wertung: 7,5 Punkte.
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