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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 13. März 2019

MARIA STUART, KÖNIGIN VON SCHOTTLAND (2018)

Originaltitel: Mary Queen of Scots
Regie: Josie Rourke, Drehbuch: Beau Willimon, Musik: Max Richter
Darsteller: Saoirse Ronan, Margot Robbie, Martin Compston, James McArdle, David Tennant, Jack Lowden, Joe Alwyn, Ismael Cruz Cordova, Adrian Lester, Guy Pearce, Brendan Coyle, Gemma Chan, Simon Russell Beale, Ian Hart, Izuka Hoyle, Eileen O'Higgins, Maria Dragus
 Maria Stuart, Königin von Schottland (2018) on IMDb Rotten Tomatoes: 62% (6,2); weltweites Einspielergebnis: $46,7 Mio.
FSK: 12, Dauer: 125 Minuten.

Maria Stuart (Saoirse Ronan, "Brooklyn"), Königin von Schottland mit Ansprüchen auf den von der kinderlosen Elizabeth I. (Margot Robbie, "I, Tonya") besetzten englischen Thron, kehrt nach Jahren aus Frankreich in ihre Heimat zurück. Dort war ihr Halbbruder James (James McArdle, "Star Wars Episode VII") in ihrer Abwesenheit Regent, die Macht gibt er eher ungern an Maria ab. Auch sonst gibt es etliche Kritiker ihrer Machtübernahme, allen voran den protestantischen Fanatiker und Frauenhasser Robert Knox (David Tennant), welcher den protestantischen Teil der Bevölkerung gegen die katholische schottische Königin aufhetzt. So muß sich die gerade einmal 18-jährige Maria ständig mit Intrigen und Ränkespielen herumschlagen, sowohl was die Rivalität mit Elizabeth angeht als auch mit ihren innerschottischen Widersachern. Ein ganz entscheidender Punkt ist Marias Wahl eine Gemahls – soll sie im Sinne des Friedens einen englischen Adligen wie den von Elizabeth vorgeschlagenen Robert Dudley (Joe Alwyn, "The Favourite") oder den schottischstämmigen Henry Darnley (Jack Lowden, "Dunkirk") ehelichen oder lieber einen schottischen Edelmann, was ihre Machtposition in ihrer Heimat festigen, aber den Konflikt mit England anheizen würde?

Kritik:
Die tragische Geschichte der schottischen Königin Maria Stuart, deren Leben bis zum Schluß von der Fern-Fehde mit der englischen Königin Elizabeth bestimmt wurde, ist seit langem eines der liebsten historischen Themen von Künstlern jeglicher Couleur. Im deutschsprachigen Raum durften oder mußten das die meisten vermutlich bereits in der Schule feststellen, wo Friedrich Schillers Tragödie "Maria Stuart" vielerorts zum Pflichtprogramm gehört – weniger bekannt ist vermutlich, daß es sogar Opern über sie gibt (u.a. von Gaetano Donizetti), außerdem diverse Theaterstücke (u.a. von Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek), klassische sowie moderne Lieder, TV-Serien wie zuletzt "Reign" und selbstredend Dutzende Filme überall auf der Welt. Tatsächlich gilt der 15-sekündige "The Execution of Mary Stuart", 1895 von keinem geringeren als Thomas Alvar Edison gedreht, sogar als erster Historien"film" überhaupt; weitaus bekannter sind natürlich John Fords "Maria von Schottland" (1936) mit Katharine Hepburn, der deutsche "Das Herz der Königin" (1940) mit Zarah Leander und der für fünf OSCARs nominierte "Maria Stuart, Königin von Schottland" (1971) mit Vanessa Redgrave. Da stellt sich die Frage: Braucht die Welt noch eine Version der altbekannten Geschichte? Die britische Theatermacherin Josie Rourke beantwortete diese Frage für sich mit einem klaren "Ja!" und hat dafür in der Theorie sogar ein paar gute Argumente auf ihrer Seite. So ist es vermutlich keine schlechte Idee, diese epische Geschichte zweier mächtiger Frauen in einer von Männern dominierten Welt einmal von einer Frau erzählen zu lassen (wenn auch auf Grundlage eines Drehbuches des eindeutig männlichen "House of Cards"-Schöpfers Beau Willimon), zumal wenn sie diese Geschichte erklärtermaßen feministisch anlegt und betont modern und mit diverser Besetzung erzählt. In der Praxis funktioniert dieser interessante Ansatz allerdings nur sehr bedingt, da "Maria Stuart, Königin von Schottland" fragwürdige Storyschwerpunkte setzt und trotz einiger Anzüglichkeiten merkwürdig altbacken wirkt, zudem seinen beiden großartigen Hauptdarstellerinnen erst in den letzten 10 oder 15 Minuten die Möglichkeit einräumt, wirklich in ihren Rollen aufzugehen und schauspielerisch zu glänzen.

Ungünstig ist für "Maria Stuart, Königin von Schottland" in diesem Zusammenhang auch, daß er nahezu zeitgleich zu Yorgos Lanthimos' zehnfach OSCAR-nominiertem "The Favourite" in die Kinos kam (mit dem sich "Maria Stuart" den Darsteller Joe Alwyn teilt) – ebenfalls ein von Frauenfiguren getragener britischer Historienfilm, der sich jedoch einer weit weniger bekannten Geschichte mit der selten in Film und TV thematisierten Königin Anne (eine Stuart übrigens) widmet und dies mit messerscharfem satirischen Witz und beeindruckender inszenatorischer Kunstfertigkeit tut. Da kann Josie Rourkes handwerklich mehr als solider (was immerhin mit drei OSCAR-Nominierungen belohnt wurde), aber erheblich konventioneller erzählter Film nicht ansatzweise mithalten und wirkt gleich noch gestriger als es schon ohne diesen unvorteilhaften direkten Vergleich der Fall wäre. Hinzu kommt, daß "Maria Stuart" einen relativ langen und ungemein ereignisreichen Abschnitt im Leben der Titelfigur abbildet, dafür aber logischerweise nur zwei Stunden Zeit hat, wohingegen er etwa in der 2018 beendeten US-Serie "Reign" die ganze finale Staffel in Anspruch nahm. Wer sich mit Maria Stuarts Geschichte einigermaßen auskennt, dem wird also nicht entgehen, daß speziell die politischen Ränkespiele sehr gehetzt wirken (für die arg seifenopernhaft inszenierten Liebeleien nimmt man sich bedauerlicherweise mehr Zeit); und wer weitgehend unvorbelastet an den Film herangeht, der wird mit ziemlicher Sicherheit große Probleme haben, die gut ein Dutzend wichtigen Figuren und ihre Konstellation untereinander auseinanderzuhalten. Es wirkt, als würden die wichtigen Geschehnisse in dieser Phase von Marias Leben – die mit 18 Jahren noch immer ein Stück weit ein Kind ist, jedoch schnell erwachsen werden muß, um am Leben und an der Macht zu bleiben – pflichtschuldig und inspirationslos abgehakt, ohne daß die komplexen Hintergründe wirklich erklärt oder dem Publikum gar Interpretationen angeboten würden. Somit verfehlt Rourkes Film den notwendigen emotionalen Eindruck, da einem die allermeisten Figuren fremd bleiben.

Das ist schon deshalb schade, weil die Besetzung von "Maria Stuart, Königin von Schottland" über jeden Zweifel erhaben ist (auch wenn man leidenschaftlich über die Sinnhaftigkeit dessen diskutieren kann, daß Rourke die Ethnien einiger historischer Persönlichkeiten änderte, um ein diverseres Ensemble zu ermöglichen). Doch speziell die Männer wie der als Fanatiker Knox kaum zu erkennende Ex-"Doctor Who" David Tennant sind großteils Staffage, was auch daran liegt, daß keiner von ihnen den ganzen Film über präsent ist. Mal spielt Heiratskandidat Dudley für ein paar Minuten eine Rolle, dann ist es der berechnende Darnley, zwischendurch darf Knox ein bißchen hetz-predigen und Marias wankelmütiger Halbbruder James taucht ebenfalls immer wieder mal auf. Aber gut, im Mittelpunkt steht nunmal Maria und die wird von OSCAR-Nominee Saoirse Ronan erwartungsgemäß gut gespielt. Vor allem gelingt es ihr sehr überzeugend, die Ambivalenz der Figur auf die Leinwand zu transportieren, denn Maria kann einerseits ungemein einfühlsam und freundlich sein, andererseits aber auch fast unerträglich arrogant und herrisch – durchaus passend zu der Lebensphase zwischen Jugend und Erwachsensein, die bekanntlich schon für "normale" Teenager kompliziert ist und umso mehr für jemanden wie Maria, die nie eine echte Kindheit haben durfte und immer mit dem unmenschlichen Druck leben mußte, der auf ihr als schottischer Königin und potentieller englischer Herrscherin lastete. Trotzdem hat es seinen Grund, daß Ronan für "Maria Stuart" weit weniger Preise und Nominierungen erhielt als man im Vorfeld vermutet hätte – das ist aber nicht ihre Schuld, sondern die eines Drehbuches, das es dem Publikum alles in allem nicht ermöglicht, Maria nahezukommen; ihr Wesen und ihre Gefühlswelt werden meist nur an der Oberfläche angekratzt. Stattdessen verlegt sich der Film auf Seifenoper-Elemente (ähnlich wie in der TV-Serie "Reign", die jedoch generell keinen großen Anspruch auf historische Korrektheit anmeldete), die nicht richtig zum sonst nüchtern-ernsthaften Erzählstil passen wollen und trotz erstaunlich vieler (zahm gefilmter) Sexszenen mangels Einfallsreichtum und überzeugender Figurenzeichnung eher langweilen.

Mehr Eindruck als Ronans fraglos gute Leistung hinterläßt etwas überraschend die Australierin Margot Robbie als Königin Elizabeth. Das liegt ironischerweise auch darin begründet, daß sie viel weniger zu sehen ist als Maria, denn so wird bei Elizabeth das überflüssige Drumherum weggelassen und ihre verhältnismäßig wenigen Szenen wirken allesamt bedeutsam. Manchmal ist weniger eben tatsächlich mehr … Robbie spielt ihre Rolle sehr authentisch und auch wenn man weiß, wie die Geschichte ausgeht, gelingt es ihrer Elizabeth besser als Ronans Maria, das Mitgefühl des Publikums zu wecken. So kann es auch kaum überraschen, daß Ronan ihre beste Performance am Ende des Films zeigt, als es zu einer (fiktiven) Konfrontation zwischen den beiden rivalisierenden Herrscherinnen kommt. In dieser längeren Sequenz zeigt Drehbuch-Autor Willimon endlich, was er drauf hat und ermöglicht Maria und Elizabeth einen ungemein intensiven, stark gefilmten und exzellent gespielten Schlagabtausch mit stark geschriebenen, einsichtsreichen Dialogen. Schade, daß es dafür eine dermaßen lange Anlaufzeit brauchte. Die immerhin wird dem Zuschauer erleichtert durch die Optik mit einer prachtvollen Ausstattung und sehenswerten Kostümen, auch die Musik von Max Richter ("Feinde") fügt sich passend ein, ohne allerdings in irgendeiner Art und Weise hervorzustechen. Das gilt inhaltlich letztlich für den gesamten Film, der die Talente der Beteiligten nur phasenweise nutzt und ansonsten bedauerlicherweise im Mittelmaß versinkt.

Fazit: "Maria Stuart, Königin von Schottland" ist ein optisch prachtvoller, jedoch inhaltlich allzu beliebiger und zugleich überladener Kostümfilm mit Seifenopern-Elementen, der trotz der guten Besetzung das Publikum nur selten zu fesseln weiß.

Wertung: Knapp 6,5 Punkte (und auch das nur wegen der letzten 15 Minuten).


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