Originaltitel: Ford v Ferrari
Regie: James Mangold, Drehbuch: Jez und John-Henry
Butterworth, Jason Keller, Musik: Buck Sanders und Marco Beltrami
Darsteller: Christian Bale, Matt Damon, Caitriona Balfe,
Tracy Letts, Jon Bernthal, Josh Lucas, Noah Jupe, Ray McKinnon, Remo Girone, JJ
Field, Jack McMullen, Corrado Invernizzi, Ben Collins,
Benjamin Rigby, Francesco Bauco, Rudolf Martin, Wallace Langham, Brad Beyer,
Jonathan LaPaglia, Stefania Spampinato, Brea Bee
FSK: 12, Dauer: 153 Minuten.
Mitte der 1960er Jahre kriselt die US-amerikanische
Automarke Ford, weshalb der Firmenchef Henry Ford II. (Tracy Letts,
"Die Verlegerin") nach einem neuen Erfolgsrezept sucht. Auf den
Vorschlag seines Marketingchefs Lee Iacocca (Jon Bernthal,
"Baby Driver"), sich stärker im Renngeschäft zu engagieren und vor allem
Seriensieger Ferrari beim legendären 24-Stunden-Rennen von Le Mans
herauszufordern, reagiert er zunächst mit Skepsis – doch in Folge einer
beispiellosen Provokation durch Ferrari-Eigner Enzo Ferrari (Remo Girone,
"Heaven") will Ford süße Rache und gibt deshalb Iacocca weitgehend
freie Hand. Dieser überredet zunächst den früheren Le Mans-Sieger Carroll Shelby
(Matt Damon, "Der Marsianer") zur Zusammenarbeit, der aus
gesundheitlichen Gründen keine Rennen mehr fahren kann und stattdessen eine
kleine Autofirma gründete, deren Wägen auch an Autorennen teilnehmen. Zur
Unterstützung bei der Entwicklung eines komplett neuen Rennwagens in kürzester
Zeit heuert Shelby seinen Freund Ken Miles (Christian Bale, "American Hustle") an, einen im Herbst seiner Karriere stehenden britischen
Rennfahrer mit hitzigem Temperament, aber unvergleichlichem Gespür für die
Autos, die er fährt. Shelby und sein Team kommen trotz Rückschlägen recht gut
voran, doch dann will der bei Ford für die Rennsport-Sparte zuständige Leo
Beebe (Josh Lucas, "Poseidon") aufgrund persönlicher Animositäten
Miles als Fahrer bei den Rennen ausbooten …
Kritik:
Filme über Autorennen sind ein Sportfilm-Subgenre, das von
Hollywood seit jeher sehr spärlich bedient wird. Die Anzahl der wirklich guten
wie auch kommerziell erfolgreichen Rennfahrerfilme ist sogar noch erheblich
niedriger – einen kurzen Abriß darüber kann man zu Beginn meiner Rezension zu
Ron Howards "Rush" aus dem Jahr 2013 nachlesen (der zwar richtig gut ist,
aber an den Kinokassen leider nur überschaubar erfolgreich war und auch von den
OSCARs ignoriert wurde). Mit dem für vier Academy Awards nominierten "Le
Mans 66 – Gegen jede Chance" von "Logan"-Regisseur James Mangold
gibt es nun einen weiteren Rennfilm-Vertreter, der in einer ähnlichen Zeit wie
"Rush" spielt und sich ebenfalls auf ein schlagzeilenträchtiges
Rennsport-Duell fokussiert – nur, daß es hier nicht um die Formel 1 geht,
sondern um das legendäre 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Und das Duell wird
nicht von zwei Rennfahrern ausgetragen, sondern von den ehrgeizigen Chefs
zweier Automarken. Dabei stehen die jedoch gar nicht im Zentrum von "Le
Mans 66", der sich vielmehr in erster Linie um die wechselhafte, aber
intensive Freundschaft zwischen dem alleinstehenden Ex-Rennfahrer Carroll
Shelby und dem notorisch aufbrausenden verheirateten Rennfahrer Ken Miles
kümmert, die gemeinsam die herkulische Aufgabe auf sich nehmen, innerhalb
kürzester Zeit und von Null beginnend einen zuverlässigen
Weltklasse-Rennwagen zu entwickeln. Diese aussichtslos erscheinende Mission sorgt
für viel Spannung (sofern man nicht weiß, wie es in der Realität ausging) und
Unterhaltung, doch zu einem besonderen Film macht "Le Mans 66" die
Beziehung zwischen den von zwei exzellenten Schauspielern auf dem Höhepunkt
ihrer Schaffenskraft verkörperten Shelby und Miles.
Trotzdem diese Freundschaft das Herz von "Le Mans
66" bildet, möchte ich zunächst auf die Rahmenhandlung um das Duell Ford
versus Ferrari (so auch der englischsprachige Originaltitel) eingehen. Die
gestaltet sich nämlich interessanter, als man zunächst glauben möchte. Anfangs
wirkt es so, als handele es sich bei "Le Mans 66" um eine eher
einfallslose hurra-patriotische Aufteilung in die arroganten Italiener rund um Ferrari-Patriarch Enzo Ferrari und die heroischen, strebsamen
US-Außenseiter aus dem Team von Henry Ford II. – zwar gibt es stets ein paar
Elemente, die diesem Eindruck zuwiderlaufen (primär die aus gekränkter
Eitelkeit gespeiste Fehde zwischen Miles und Leo Beebe), doch muten die lange so nebensächlich an, daß man sie als reines Alibi abzutun
geneigt ist. In der fast schon subversiv anmutenden letzten halben Stunde ist
das allerdings nicht mehr möglich, da zeigt sich, daß es abseits einzelner
Personen unmöglich ist, eine generelle Gut-und-Böse-Zweiteilung
vorzunehmen, denn dazu wird die Ford-Führungsriege zu ambivalent dargestellt. Das erfreut
patriotismusaverse Zuschauer wie mich, wirft allerdings eine sehr interessante
Frage auf: Was genau wollen uns die Drehbuch-Autoren Jez und John-Henry
Butterworth ("Edge of Tomorrow") und Jason Keller ("Spieglein Spieglein") sagen, welche Botschaft vermitteln? Geht es ihnen um den
ewigen Konflikt zwischen rein auf den Kommerz bedachten Wirtschaftsleuten und den Fachleuten in der Materie, die von den Geldgebern teuer bezahlt werden, nur damit
dann doch nicht (komplett) auf sie gehört wird, wenn es darauf ankommt? Das ergäbe
absolut Sinn und würde dem Film bei einer leichten Ausweitung auf die Politik gar eine zeitlose Allgemeingültigkeit verleihen, denn beispielsweise
in Sachen Klimawandel, aber auch bei Themen wie der Rentenpolitik läuft es meist
nicht viel anders. Oder handelt es sich konkreter um eine Kritik an der
US-Autobranche, die bekanntlich nach langer Dominanz etwa ab Ende des 20.
Jahrhunderts in eine tiefe Krise geriet, sicher nicht zuletzt wegen zu
kurzsichtiger und profitorientierter Entscheidungsträger? Oder haben die
Autoren das Drehbuch einfach deshalb so entwickelt, weil es dramaturgisch am sinnvollsten erschien? Eine klare Antwort darauf kann ich
nicht geben, daß man über einen Motorsportfilm so ausgiebig diskutieren
und Interpretation überdenken kann, gefällt mir aber definitiv sehr gut!
Doch wie gesagt: Eigentlich geht es ja in erster Linie um
das dynamische Duo Ken Miles und Carroll Shelby. Deren Beziehung ist von Höhen
und Tiefen geprägt, was kaum verwundert, wenn man sieht, welch unterschiedliche
Charaktere sie sind. Nicht zu übersehen ist jedoch, daß sie eine tiefe
grundsätzliche Sympathie füreinander empfinden, die sie selbst nach der
heftigsten Streiterei früher oder später doch wieder zueinander finden läßt –
zumal beide Meister ihres Fachs sind. Mit Matt Damon und Christian Bale hat
Regisseur Mangold natürlich zwei denkbar geeignete Darsteller gefunden, die mit
ihrem häufig bewiesenen Können und ihrem enormen Charisma selbst viel
schlechtere Filme im Alleingang sehenswert machen können. Aus einem so guten
Material, wie es ihnen "Le Mans 66" liefert, holen sie logischerweise
noch viel mehr heraus. Sowohl ihre von Rückschlägen geprägte Zusammenarbeit am neuen Ford-Rennwagen, der den haushohen Favoriten Ferrari besiegen soll,
bereitet dem Publikum viel Spaß als auch ihre erfeulich humorvoll geschilderte
private Beziehung. Bale hat es insgesamt jedoch etwas besser getroffen, denn
während Damon als Shelby fast nur zusammen mit Miles oder seinen Ford-Vorgesetzten
zu sehen ist (im Rennen selbst dann jedoch mit ein paar eigentlich unfairen
Schummeleien auffällt, die man ihm ob seines schlitzohrigen Charmes aber kaum übelnehmen kann), bringt "Le Mans 66" uns bei Miles auch
sein Familienleben nahe. Der "Outlander"-Star Caitriona Balfe ist als
Miles' bewundernswert verständnisvolle Gattin Mollie zugegebenermaßen in einer
ziemlich klassischen und limitierten Ehefrauen-Nebenrolle gefangen, verkörpert
diese aber ungemein sympathisch und glaubwürdig – und in einer herrlichen Szene
(mit Ken im Auto) darf sie richtig glänzen. Eine noch wichtigere Stellung
im Film nimmt Kens Sohn Peter (Noah Jupe, "Honey Boy") ein, der als rennsportbegeisterter
Außenseiter Stellvertreter des Publikums ist und es geschickt inhaltlich rechtfertigt, daß Ken rennsportspezifische Dinge in einfachen
Worten erläutert, die auch ein Laie, der nur wenig über Autos weiß,
nachvollziehen kann. Die gesamte Handlung von "Le Mans 66" ist
einfach erstklassig konstruiert, weshalb der Film trotz seiner Dauer von
zweieinhalb Stunden keinerlei Längen aufweist. Nicht ganz unwichtig sind bei
einem Rennfilm selbstredend die Rennszenen und die gehören zum Besten, was das
Genre hervorgebracht hat. Mit schnellen (ebenso wie der Tonschnitt OSCAR-gekrönten) Schnitten und einer dynamischen
Kamerarbeit von Phedon Papamichael ("The Huntsman & The Ice Queen") – die mit kurzen Abstechern in Miles' Ich-Perspektive die Immersion
sehr effektiv verstärkt – entwickelt "Le Mans 66" ein unglaubliches
Tempogefühl, sodaß man gut mit dem armen Henry Ford mitfühlen kann, als der von
Shelby zu einer Testfahrt mitgenommen wird (nicht zuletzt dank Tracy Letts'
Darstellungskunst als Ford eine wunderbare Szene). Für Rennsport-Fans ist
"Le Mans 66" also absolut eine Empfehlung wert, doch auch Zuschauer
wie ich, die sonst eher wenig mit Autorennen anfangen können,
werden von Mangolds Film vortrefflich unterhalten.
Fazit: "Le Mans 66 – Gegen jede Chance" ist
ein mitreißender, trotz ausufernder Länge sehr temporeicher Rennfilm, dessen
wahre Stärke jedoch in der einfühlsam geschilderten und von Christian Bale und
Matt Damon erstklassig gespielten Freundschaft der Hauptfiguren liegt.
Wertung: 8,5 Punkte.
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