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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 24. November 2022

DAVID COPPERFIELD – EINMAL REICHTUM UND ZURÜCK (2019)

Originaltitel: The Personal History of David Copperfield
Regie und Drehbuch: Armando Iannucci, Musik: Christopher Willis
Darsteller: Dev Patel, Tilda Swinton, Hugh Laurie, Ben Whishaw, Rosalind Eleazar, Morfydd Clark, Peter Capaldi, Bronagh Gallagher, Aneurin Barnard, Nikki Amuka-Bird, Benedict Wong, Daisy May Cooper, Paul Whitehouse, Aimée Kelly, Anthony Welsh, Matthew Cottle, Darren Boyd, Lynn Hunter, Gwendoline Christie, Ruby Bentall, Anna Maxwell Martin, Victor McGuire
David Copperfield - Einmal Reichtum und zurück (2019) on IMDb Rotten Tomatoes: 92% (7,6); weltweites Einspielergebnis: $14,4 Mio.
FSK: 6, Dauer: 119 Minuten.
Viktorianisches England, 19. Jahrhundert: Als die verwitwete Clara (Morfydd Clark, Amazon-Serie "Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht") wieder heiratet, ist das für ihren Sohn David Copperfield (als Erwachsener: Dev Patel, "The Green Knight") keine gute Nachricht. Sein neuer Stiefvater Edward Murdstone (Darren Boyd, TV-Miniserie "Little Dorrit") und dessen Schwester Jane (Gwendoline Christie, "Star Wars Episode VIII") behandeln David denkbar schlecht und schicken ihn letztlich nach London, wo er für einen Hungerlohn in Murdstones Flaschenfabrik arbeiten muß. Immerhin findet er beim exzentrischen, chronisch verschuldeten Mr. Micawber (Peter Capaldi, "The Suicide Squad") und seiner Frau (Bronagh Gallagher, "Grabbers") einen halbwegs sicheren Unterschlupf. Etwa zehn Jahre später ist David erwachsen; als seine Mutter stirbt, verläßt er die Flaschenfabrik endlich und trifft auf seine ebenso reiche wie wohlmeinende Tante Betsey Trotwood (Tilda Swinton, "Suspiria"). Die ermöglicht ihm eine Ausbildung an einer recht exklusiven Schule für Jungen, wo sich David mit dem charismatischen, jedoch ziemlich arroganten James Steerforth (Aneurin Barnard, "Dunkirk") anfreundet und sich in die hübsche Anwaltstochter Dora Spenlow (erneut: Morfydd Clark) verliebt ...

Kritik:
Wie zahlreiche andere Werke von Charles Dickens wurde auch sein berühmter, 1850 als Buch veröffentlichter Bildungsroman "David Copperfield" vielfach für Kino und Fernsehen adaptiert. Die hochkarätigste Verfilmung ist vermutlich die für drei OSCARs nominierte und auch heute noch sehenswerte Version aus dem Jahr 1935 mit Freddie Bartholomew, Lionel Barrymore, Basil Rathbone und W.C. Fields von "Die Nacht vor der Hochzeit"-Regisseur George Cukor. Im TV-Bereich machte vor allem ein von Simon Curtis inszenierter BBC-Zweiteiler mit dem späteren "Harry Potter" Daniel Radcliffe sowie Dame Maggie Smith, Bob Hoskins und Sir Ian McKellen auf sich aufmerksam (1999). 20 Jahre später wagte sich der britische Serien- und Filmemacher Armando Iannucci ("The Death of Stalin", TV-Serie "The Thick of It") unter dem deutschen Titel "David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück" an eine Neuverfilmung fürs Kino, die sich in der Besetzung betont divers gibt und die komödiantischen Aspekte der Geschichte deutlich hervorhebt. Das Resultat von Iannuccis Mühen ist ein Film, der wahrscheinlich gerade Dickens-Kenner zunächst mit seiner Albernheit und manchen Slapstick-Einlagen irritiert, im Lauf der zwei Stunden jedoch deutlich an Format gewinnt und auch dank der hochkarätigen Besetzung immer mehr Spaß macht. Die Kritiker waren recht begeistert, das Kinopublikum zeigte diesem etwas anderen "David Copperfield" außerhalb Großbritanniens aber leider die kalte Schulter, weshalb unter dem Strich ein kommerzieller Flop steht.

Die Handlung von "David Copperfield" ist episodisch strukturiert, was es zur Herausforderung macht, daraus einen kohärenten Film ohne größere Durchhänger zu machen. Auch Iannucci gelingt das nicht einhundertprozentig, doch er verknüpft die einzelnen Anekdoten insgesamt überzeugend miteinander und sorgt für ein weitgehend gelungenes Erzähltempo. Anfangs ist es, wie erwähnt, gar nicht einfach, sich an den teils sehr albernen Humor und die übertrieben exzentrischen Charaktere zu gewöhnen. Gerade Peter Capaldis Mr. Micawber wirkt eher wie eine Parodie, auch an den weltfremden Erfinder Mr. Dick (Hugh Laurie, TV-Serie "Dr. House") oder den trinkfreudigen Mr. Wickfield (Benedict Wong, "Doctor Strange") muß man sich erst einmal gewöhnen. Dies gilt erst Recht im Kontrast zu weit ambivalenteren und zwielichtigeren Figuren wie Davids Freund James Steerforth oder dem wieseligen Anwaltsgehilfen Uriah Heep (Ben Whishaw, "Skyfall"). Doch auf wundersame Art und Weise fügt sich nach und nach fast alles harmonisch zusammen und auch der permanente Wechsel zwischen Komik und Tragik funktioniert recht gut.

Alles in allem ist Iannucci mit seinem "David Copperfield" ein charmanter Film gelungen, der Charles Dickens' Vorlage gleichermaßen Respekt zollt wie er sie mal mehr und mal weniger behutsam modernisiert. Der diverse Cast mag historisch nicht ganz korrekt sein und vereinzelt nicht einmal genetisch (der sehr weiße Waliser Aneurin Barnard etwa spielt den Sohn der gebürtigen Nigerianerin Nikki Amuka-Bird aus "Jupiter Ascending"), doch die Schauspieler sind so passend ausgewählt, daß einem das kaum auffällt, sofern man nicht eigens darauf achtet. Vor allem Dev Patel ist in der Titelrolle ein echter Glücksgriff, denn der indischstämmige Brite trägt den Film mit Charisma, Leidenschaft und einem feinen Gespür für die richtige Balance zwischen ernsten und komischen Momenten. Generell ist die Besetzung sehr spielfreudig und speziell Peter Capaldi und Hugh Laurie sieht man den Spaß an ihren exzentrischen Rollen an. Optisch überzeugt "David Copperfield" mit aufwendig gestalteten, farbenfrohen Kostümen und Kulissen ebenfalls, hinzu gesellt sich die verspielte Musik von Christopher Willis (AppleTV+-Serie "Schmigadoon!"). Absolute Dickens-Puristen sind vermutlich nicht die primäre Zielgruppe von Armando Iannuccis "David Copperfield", aber wer aufgeschlossen an den Film herangeht, darf sich an zwei Stunden guter, vor Energie und Ideenreichtum nur so sprühender Unterhaltung erfreuen.

Fazit: Armando Iannuccis "David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück" ist eine behutsam modernisierte, turbulente und betont optimistische Neuverfilmung des Dickens-Klassikers.

Wertung: 7,5 Punkte.


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