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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 18. Juni 2020

WONDER WHEEL (2017)

Regie und Drehbuch: Woody Allen
Darsteller: Kate Winslet, Justin Timberlake, Juno Temple, Jim Belushi, Jack Gore, Tony Sirico, Steve Schirripia, David Krumholtz, Max Casella, Geneva Carr, Debi Mazar
 Wonder Wheel (2017) on IMDb Rotten Tomatoes: 32% (5,0); weltweites Einspielergebnis: $15,9 Mio.
FSK: 12, Dauer: 102 Minuten.
New York, Ende der 1950er Jahre: Der angehende Dramatiker Mickey (Justin Timberlake, "The Social Network") verdient sich im Sommer als Rettungsschwimmer am Strand der Halbinsel Coney Island etwas Geld dazu, die für ihren großen Vergnügungspark bekannt ist. Dort arbeitet die Enddreißigerin Ginny (Kate Winslet, "Steve Jobs") als Kellnerin – nicht das, was sich die einstige hoffnungsvolle Bühnenschauspielerin erträumt hatte, doch nach einem folgenreichen Fehltritt ging ihr Leben komplett den Bach runter. Gerettet hat sie und ihren Sohn Richie (Jack Gore, TV-Serie "Billions") der stark dem Alkohol zugeneigte Karussell-Betreiber Humpty (Jim Belushi, "Mein Partner mit der kalten Schnauze"), den sie daraufhin aus Dankbarkeit geheiratet hat. Inzwischen schlägt die Dankbarkeit allerdings zunehmend in Frustration über ihr eintöniges Leben um, zumal auch der gerne zündelnde Richie immer wieder für Ärger sorgt. Doch dann treffen sich Ginny und der jüngere Mickey, beide sind sofort voneinander fasziniert und gehen eine Affäre ein. Derweil taucht unverhofft Humptys erwachsene Tochter aus erster Ehe, Carolina (Juno Temple, "Killer Joe"), auf, mit der Humpty seit fünf Jahren nicht mehr gesprochen hat, da sie mit 20 den Gangster Frank heiratete. Nun ist Carolina auf der Flucht vor Frank …

Kritik:
Die meisten der fast 50 Filme von Woody Allen spielen in der Gegenwart, doch alle paar Jahre wählt der Filmemacher eine andere Ära, in der seine Geschichten stattfinden. Die Spannbreite reicht dabei vom frühen 19. Jahrhundert ("Die letzte Nacht des Boris Gruschenko", 1975) über das angehende 20. Jahrhundert ("Eine Sommernachts-Sexkomödie", 1982), die 1920er ("Zelig", 1983; "Schatten und Nebel", 1991; "Bullets Over Broadway", 1994; "Magic in the Moonlight", 2014; Teile von "Midnight in Paris", 2011), die 1930er ("The Purple Rose of Cairo", 1985; "Radio Days", 1987; "Sweet and Lowdown", 1999; "Café Society", 2016) und die 1940er Jahre ("Im Bann des Jade Skorpions", 2001) bis hin zur Zukunft ("Der Schläfer", 1973). Was bisher fehlte, waren die 1950er Jahre und damit die jüngste Dekade, in der Woody Allen noch nicht selbst Filme drehte. Diese Lücke füllt er mit dem Liebesdrama "Wonder Wheel", kann damit aber nur bedingt überzeugen, da die Geschichte zwar vielversprechend beginnt und eine erneut großartig aufspielende Kate Winslet in der Hauptrolle zu aufbietet, ihm aber nach dem ersten Drittel doch merklich die Ideen ausgehen.

Zu Beginn kann davon noch nicht die Rede sein, so gefällt beispielsweise bereits der Einfall, den einigermaßen großspurigen Möchtegern-Schriftsteller Mickey als Erzähler einzuführen, der gleich unmißverständlich klarstellt, daß er in bewußt übertreiben und überlebensgroße Figuren präsentieren werde. Das ist kein leeres Versprechen, speziell bei den Charakteren läßt Woody Allen hier einmal so richtig die Sau raus, was zahlreiche hochemotional vorgetragene Dialoge ermöglicht. In erster Linie sind es Jim Belushi und Kate Winslet, die als eher dysfunktionales Ehepaar Rannell die Gelegenheit leidenschaftlich nutzen, aus sich herauszugehen, wobei die Weltklasse-Schauspielerin Winslet es gar schafft, ihre Figur trotzdem glaubwürdig anzulegen, während bei Belushi das Overacting deutlich hervorsticht. Das ändert aber nichts daran, daß "Wonder Wheel" 30 bis 40 Minuten lang wirklich Spaß macht, was auch netten Ideen wie dem Gastauftritt der beiden Ex-"Die Sopranos"-Mafiosi-Darsteller Tony Sirico und Steve Schirripa als – was sonst – Mafiosi auf der Suche nach Carolina zu verdanken ist. Doch wie es eben so ist: Wenn man die Emotionen permanent bis zum Anschlag hochdreht, büßt das fast zwangsläufig irgendwann seine Wirkung ein. So auch bei "Wonder Wheel": Früher oder später geht einem das ständige Gestreite, Gekeife und Geschrei zunehmend auf die Nerven, bis man schließlich nur noch davon gelangweilt ist.

Im ersten Akt kann Woody Allen das mit cleveren, schlagfertigen Dialogen und der poetisch-verspielt geschilderten aufflammenden Affäre zwischen Ginny und Mickey verschleiern, die trotz einer auffällig limitierten Anzahl von Schauplätzen mit einigen schönen Szenen aufwartet. Auch die volle Konzentration auf die vier Hauptfiguren – oder vielleicht eher drei, denn abseits seiner Funktion als Erzähler bleibt Mickey doch relativ blaß – hat ihre Vorzüge, da wir sie auf diese Weise trotz der überschaubaren Laufzeit von eineinhalb Stunden ziemlich gut kennenlernen. Zugegeben, arg sympathisch ist keiner aus diesem Quartett, am ehesten noch die von Juno Temple freundlich-naiv verkörperte Carolina, aber man kann sich gut in diese problemgeplagten Personen hineinversetzen. Dummerweise gehen Allen ab dem zweiten Akt aber zunehmend die Ideen aus, wie er den Weg zum Ziel interessant gestalten soll, was sich darin auswirkt, daß sich die Story gerade im Mittelteil arg im Kreis dreht und zunehmend repetitiv wird. Im letzten Drittel wird das wieder etwas besser, was weniger dem weiterhin wenig fesselnden Drehbuch geschuldet ist als dem nun eindeutigen Fokus auf die Figur Ginny. Denn der ermöglicht Kate Winslet in der Rolle der desillusionierten, selbstmitleidigen und nach noch einem Rückschlag verbitterten Frau eine weitere schauspielerische Glanzleistung, welche in eine überzeugende Schlußpointe mündet, die für einen Allen-Filme ungewöhnlich und überraschend ist. Während "Wonder Wheel" also inhaltlich nur phasenweise gefällt, ist Allen und seinem Team dafür die Umsetzung der 1950er Jahre trotz der erwähnten Beschränkung auf eine Handvoll Schauplätze gut gelungen. Kostüme und Ausstattung wirken sehr authentisch und erzeugen im Verbund mit der im Kontrast zur Storyentwicklung beinahe spöttisch idyllischen Kameraarbeit voller satter Farben des dreimaligen OSCAR-Gewinners Vittorio Storaro ("Dick Tracy") eine glaubwürdige 1950er Jahre-Atmosphäre – dazu ist es Allen wieder einmal gelungen, zahlreiche hörenswerte zeitgenössische Songs aufzutreiben (z.B. von The Mills Brothers, Tony Bennett, Paul Eakins), die das kammerspielartige Geschehen mit einem Hauch von Ironie untermalen. Diese Stärken machen die inhaltlichen Schwächen nicht wett, sorgen aber dafür, daß es durchaus Argumente dafür gibt, sich auch dieses arg mediokre Allen-Werk anzusehen.

Fazit: Das 1950er Jahre-Drama "Wonder Wheel" ist ein sehr mittelmäßiger Woody Allen-Film, der gut beginnt, ehe ihm allzu schnell die Luft ausgeht – was primär die wieder einmal stark aufspielende Hauptdarstellerin Kate Winslet einigermaßen verschleiern kann.

Wertung: Knapp 6 Punkte.


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