Originaltitel:
Miss Peregrine's Home for Peculiar Children
Regie: Tim Burton, Drehbuch: Jane Goldman, Musik: Michael
Higham und Matthew Margeson
Darsteller:
Asa Butterfield, Eva Green, Samuel L. Jackson, Ella Purnell, Finlay MacMillan,
Lauren McCrostie, Terence Stamp, Chris O'Dowd, Dame Judi Dench, Allison Janney,
Rupert Everett, Hayden Keeler-Stone, Georgia Pemberton, Milo Parker, Raffiella
Chapman, Cameron King, Pixie Davis, Kim Dickens, O-Lan Jones, Aiden Flowers,
Nicholas Oteri
FSK: 12, Dauer: 127 Minuten.
Der 16-jährige Amerikaner Jacob (Asa Butterfield, "Hugo Cabret") ist ein Außenseiter. Auch die Beziehung zu
seinen vielbeschäftigten Eltern ist nicht sonderlich innig, einzig Großvater Abe
(Terence Stamp, "Song for Marion") kümmert sich seit jeher liebevoll um ihn und erzählte ihm von
klein auf fantastische Geschichten von seinen Abenteuern im
Kampf gegen gräßliche Monster in Europa. Nun ist Abe tot, offiziell an einem
Herzinfarkt verstorben, doch Jacob, der ihn fand, sah eine riesige, baumartige
Kreatur vom Tatort verschwinden. Wenig überraschend glaubt ihm das niemand,
weshalb er bei der Psychiaterin Dr. Golan (Allison Janney, "The Help") landet, die Jacobs Eltern empfiehlt, mit ihm auf die kleine
walisische Insel zu reisen, auf der sein Großvater in einem Waisenhaus aufwuchs
– dort könne er bestimmt mit dem Erlebten abschließen. Also fahren Jacob und
sein Vater (Chris O'Dowd, "Am Sonntag bist du tot") nach Wales, wo
der Junge schon bald herausfindet, daß Abes Geschichten sehr wohl mehr als nur
Phantastereien waren – denn er landet in dem von Miss Peregrine (Eva Green,
"300 – Rise of an Empire") geleiteten Waisenhaus, in dem sein
Großvater aufwuchs; nur daß sich dieses Waisenhaus inmitten einer Zeitschleife im
Jahr 1943 befindet, von Kindern mit übernatürlichen Fähigkeiten bewohnt wird
und von ebenjenen, vom finsteren Mr. Barron (Samuel L. Jackson, "The Hateful 8") angeführten Monstern bedroht wird, die Abe töteten …
Kritik:
Tim Burton ist zurück! Nachdem der Filmemacher mit dem Faible für exzentrische Stoffe in den
letzten Jahren mit bestenfalls akzeptablen, schlimmstenfalls ziemlich
mißglückten ("Alice im Wunderland", "Dark Shadows") Filmen
auffiel, zeigt er mit der Adaption eines thematisch wie für ihn
geschaffenen Jugendromans von Ransom Riggs endlich wieder, was er wirklich kann.
Zugegeben, zu Burtons allerbesten Filmen gehört "Die Insel der besonderen
Kinder" nicht, was vor allem an einer von den Kritikern zu Recht
bemängelten (aber für mich überbewerteten) eher rudimentären Handlung
liegt. Das ist zweifellos sehr bedauerlich, zumal die Drehbuch-Autorin Jane
Goldman ("Der Sternwanderer", "Kick-Ass", "Die Frau in Schwarz") eine echte Könnerin ist. Doch "Die Insel der besonderen
Kinder" kompensiert das Fehlen einer ausgefeilten Story unter
anderem mit einer wunderbaren, ja sogar magischen Atmosphäre und
einem Füllhorn an liebenswerten Charakteren – nicht ohne Grund fühlte ich mich
mehrfach an Burtons "Big Fish" erinnert, auch wenn "Die Insel der besonderen Kinder" im direkten Vergleich doch jener Funke an Genialität abgeht, der "Big Fish" zu einem Meisterwerk machte.
Offiziell wird die wunderbare Eva Green als
Hauptdarstellerin geführt (die hier zu Beginn etwas zu affektiert zu spielen scheint, es paßt aber dann doch gut zu ihrer nicht-menschlichen Rolle), aber in Wahrheit stehen ganz klar die besonderen
Kinder und Jugendlichen im Zentrum von Burtons Aufmerksamkeit – und die sind
samt und sonders exzellent gecastet. Beim zentralen Protagonisten Jacob ist das
nicht überraschend, hat sein Darsteller Asa Butterfield doch schon mehrfach
sein Können bewiesen; viele seiner minderjährigen Co-Stars sind hingegen
absolute Newcomer. Das hindert sie aber nicht daran, die von Burton liebevoll
gezeichneten Figuren sehr überzeugend zu verkörpern, ob das nun Abes frühere
Liebe Emma (Ella Purnell, "Maleficent") ist, die ohne bleibeschwerte Schuhe davonschweben
würde, der kleine Hugh (Milo Parker, "Mr. Holmes") – der Bienen in seinem Magen beherbergt –,
die extrem starke Bronwyn (Pixie Davis, TV-Serie "Humans") oder die feurige Olive (Lauren
McCrostie). Ein besonderes Augenmerk legt Burton auch auf den miesepetrigen Enoch
(Finlay MacMillan), was wenig verwundert, da seine Fähigkeit – er kann tote
Objekte zum Leben erwecken und mit seinen Gedanken steuern – dem Regisseur
reichlich Gelegenheit gibt, seine Detailversessenheit und auch seinen Hang zu einfallsreichen,
gruseligen Spezialeffekten auszuleben. Denn genau das macht Emma und ihre
Freunde, ebenso die gutmütige Heimleiterin Miss Peregrine (eine Kreatur
namens Ymbryne mit der Fähigkeit, sich in einen Vogel zu verwandeln und 24-stündige
Zeitschleifen zu erschaffen) so interessant: Sie haben zwar übernatürliche
Kräfte, die aber alle eine gruselige Komponente besitzen, sodaß einem der
Vergleich zu Superhelden gar nicht erst in den Sinn kommt. "Die Insel der
besonderen Kindern" ist eine in Deutschland zu Recht erst ab 12 Jahren
freigegebene Schauermär, wie sie Burton oft in seiner Karriere ("Edward
mit den Scherenhänden", "Sleepy Hollow", "Corpse
Bride") in hoher Qualität auf die Leinwände bannte.
Tatsächlich ist diese zauberhafte Welt des in einer Zeitschleife
befindlichen Waisenhauses so faszinierend, daß es beinahe schade ist, daß man
nicht einfach nur zwei Stunden lang den liebenswert-schrulligen Bewohnern zuschauen
kann, sondern irgendwann doch die Bedrohung von außen immer größer wird.
Dramaturgisch gibt es in dieser Hinsicht keine nennenswerten Überraschungen,
alles läuft relativ vorhersehbar und wenig originell ab – doch zumindest sind
die schaurigen, ein wenig an die Wesen aus Burtons Stop Motion-Grusicals "Nightmare Before Christmas", "Corpse Bride" und "Frankenweenie" erinnernden Kreaturen eindrucksvoll gestaltet und Samuel L. Jackson
gibt als weißäugiger Mr. Barron einen überzeugenderen Antagonisten ab,
als ich das nach Ansicht des Trailers befürchtet hatte (in dem es so wirkte,
als würde er einfach seinen überdrehten "Kingsman"-Bösewicht
Valentine in eine wesentlich unpassendere Umgebung verfrachten). Manche
kritisieren, daß Tim Burton im langen Finale zu sehr auf die Actionkarte
setzt, aber dieser Meinung kann ich mich nicht wirklich anschließen. Dafür
hat Burton den Showdown eindeutig zu einfallsreich und visuell beeindruckend in
Szene gesetzt, inklusive einer schönen Hommage an die legendären Stop
Motion-Skelette des verstorbenen Spezialeffekt-Großmeisters Ray Harryhausen aus "Jason und die Argonauten"
(auch wenn die Skelette hier natürlich computergeneriert sind). Insgesamt aber
hält sich Burton diesmal mit dem CGI-Einsatz wie auch den gelungenen 3D-Effekten merklich zurück, was dem Film
gerade im Vergleich zum hoffnungslos überfrachteten "Alice im
Wunderland" ausgesprochen gut tut.
Die Musik zu "Die Insel der besonderen Kinder"
stammt erstaunlicherweise nicht von Burtons Stammkomponist Danny Elfman, obwohl
die Story für dessen Talent für dissonant-entrückte Zaubermelodien wie
geschaffen wäre – die recht unbekannten Michael Higham und Matthew
Margeson ("Eddie the Eagle") ersetzen ihn ordentlich, in manchen
Sequenzen sogar richtig gut, doch ausgerechnet beim Endkampf setzen sie auf nur
sehr bedingt passende modernere Klänge. Dafür entschädigt ein wenig der sehr
schöne (leider nicht im Soundtrack enthaltene) Abspann-Song "Wish That You Were Here" von Florence + the
Machine, der die Melancholie des modernen Märchens wunderbar einfängt. Noch einmal zu den Schauspielern: Durch
den Fokus auf die Minderjährigen geraten die erwachsenen Figuren im Storyverlauf zunehmend in
der Hintergrund, was vor allem bei Miss Peregrine und ihrer von Judi Dench ("Philomena")
verkörperten früheren Lehrmeisterin Miss Avocet sehr bedauerlich ist, aber doch zu
verkraften. Ärgerlicher ist schon, daß Burton im Laufe der Zeit so sehr das
Interesse an den Erwachsenen verliert, daß beispielsweise Jacobs Vater, der in
der ersten Filmhälfte noch eine ziemlich große Rolle spielt, im letzten Akt
überhaupt nicht mehr auftaucht, was einfach unvollständig wirkt und angesichts
des Endes einige Fragen aufwirft. Zumindest Jacobs Großvater Abe,
empathisch verkörpert von Terence Stamp (vor einigen Jahren wäre der Part vermutlich
noch an Burtons langjähriges "Maskottchen" Sir Christopher Lee
gegangen) bekommt einen runden Abschluß. Schon, um mehr von Jacob, Emma und
ihren Freunden zu sehen, würde ich mich dennoch sehr über eine Fortsetzung
freuen – Riggs' Buchreihe bietet dafür jedenfalls Material (wobei Burton und
Goldman hier scheinbar phasenweise ziemlich weit von der Vorlage abweichen) und die
Einspielergebnisse von "Die Insel der besonderen Kinder", wiewohl sie
nicht überragend ausfielen, sollten auch nicht unbedingt dagegen sprechen.
Fazit: "Die Insel der besonderen Kinder"
ist ein visuell beeindruckendes, mit viel Liebe zum Detail gestaltetes
Schauermärchen, mit dem Regisseur Burton endlich wieder seine großen
Stärken in Sachen Atmosphäre und Figuren ausspielt – auch wenn dafür die
ziemlich simple Story nur eine Nebenrolle spielt und einige Handlungsstränge
ins Nichts zerfasern.
Wertung: 8,5 Punkte.
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