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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 3. November 2016

DIE INSEL DER BESONDEREN KINDER (3D, 2016)

Originaltitel: Miss Peregrine's Home for Peculiar Children
Regie: Tim Burton, Drehbuch: Jane Goldman, Musik: Michael Higham und Matthew Margeson
Darsteller: Asa Butterfield, Eva Green, Samuel L. Jackson, Ella Purnell, Finlay MacMillan, Lauren McCrostie, Terence Stamp, Chris O'Dowd, Dame Judi Dench, Allison Janney, Rupert Everett, Hayden Keeler-Stone, Georgia Pemberton, Milo Parker, Raffiella Chapman, Cameron King, Pixie Davis, Kim Dickens, O-Lan Jones, Aiden Flowers, Nicholas Oteri
Die Insel der besonderen Kinder
(2016) on IMDb Rotten Tomatoes: 65% (6,0); weltweites Einspielergebnis: $296,5 Mio.
FSK: 12, Dauer: 127 Minuten.

Der 16-jährige Amerikaner Jacob (Asa Butterfield, "Hugo Cabret") ist ein Außenseiter. Auch die Beziehung zu seinen vielbeschäftigten Eltern ist nicht sonderlich innig, einzig Großvater Abe (Terence Stamp, "Song for Marion") kümmert sich seit jeher liebevoll um ihn und erzählte ihm von klein auf fantastische Geschichten von seinen Abenteuern im Kampf gegen gräßliche Monster in Europa. Nun ist Abe tot, offiziell an einem Herzinfarkt verstorben, doch Jacob, der ihn fand, sah eine riesige, baumartige Kreatur vom Tatort verschwinden. Wenig überraschend glaubt ihm das niemand, weshalb er bei der Psychiaterin Dr. Golan (Allison Janney, "The Help") landet, die Jacobs Eltern empfiehlt, mit ihm auf die kleine walisische Insel zu reisen, auf der sein Großvater in einem Waisenhaus aufwuchs – dort könne er bestimmt mit dem Erlebten abschließen. Also fahren Jacob und sein Vater (Chris O'Dowd, "Am Sonntag bist du tot") nach Wales, wo der Junge schon bald herausfindet, daß Abes Geschichten sehr wohl mehr als nur Phantastereien waren – denn er landet in dem von Miss Peregrine (Eva Green, "300 – Rise of an Empire") geleiteten Waisenhaus, in dem sein Großvater aufwuchs; nur daß sich dieses Waisenhaus inmitten einer Zeitschleife im Jahr 1943 befindet, von Kindern mit übernatürlichen Fähigkeiten bewohnt wird und von ebenjenen, vom finsteren Mr. Barron (Samuel L. Jackson, "The Hateful 8") angeführten Monstern bedroht wird, die Abe töteten …

Kritik:
Tim Burton ist zurück! Nachdem der Filmemacher mit dem Faible für exzentrische Stoffe in den letzten Jahren mit bestenfalls akzeptablen, schlimmstenfalls ziemlich mißglückten ("Alice im Wunderland", "Dark Shadows") Filmen auffiel, zeigt er mit der Adaption eines thematisch wie für ihn geschaffenen Jugendromans von Ransom Riggs endlich wieder, was er wirklich kann. Zugegeben, zu Burtons allerbesten Filmen gehört "Die Insel der besonderen Kinder" nicht, was vor allem an einer von den Kritikern zu Recht bemängelten (aber für mich überbewerteten) eher rudimentären Handlung liegt. Das ist zweifellos sehr bedauerlich, zumal die Drehbuch-Autorin Jane Goldman ("Der Sternwanderer", "Kick-Ass", "Die Frau in Schwarz") eine echte Könnerin ist. Doch "Die Insel der besonderen Kinder" kompensiert das Fehlen einer ausgefeilten Story unter anderem mit einer wunderbaren, ja sogar magischen Atmosphäre und einem Füllhorn an liebenswerten Charakteren – nicht ohne Grund fühlte ich mich mehrfach an Burtons "Big Fish" erinnert, auch wenn "Die Insel der besonderen Kinder" im direkten Vergleich doch jener Funke an Genialität abgeht, der "Big Fish" zu einem Meisterwerk machte.

Offiziell wird die wunderbare Eva Green als Hauptdarstellerin geführt (die hier zu Beginn etwas zu affektiert zu spielen scheint, es paßt aber dann doch gut zu ihrer nicht-menschlichen Rolle), aber in Wahrheit stehen ganz klar die besonderen Kinder und Jugendlichen im Zentrum von Burtons Aufmerksamkeit – und die sind samt und sonders exzellent gecastet. Beim zentralen Protagonisten Jacob ist das nicht überraschend, hat sein Darsteller Asa Butterfield doch schon mehrfach sein Können bewiesen; viele seiner minderjährigen Co-Stars sind hingegen absolute Newcomer. Das hindert sie aber nicht daran, die von Burton liebevoll gezeichneten Figuren sehr überzeugend zu verkörpern, ob das nun Abes frühere Liebe Emma (Ella Purnell, "Maleficent") ist, die ohne bleibeschwerte Schuhe davonschweben würde, der kleine Hugh (Milo Parker, "Mr. Holmes") – der Bienen in seinem Magen beherbergt –, die extrem starke Bronwyn (Pixie Davis, TV-Serie "Humans") oder die feurige Olive (Lauren McCrostie). Ein besonderes Augenmerk legt Burton auch auf den miesepetrigen Enoch (Finlay MacMillan), was wenig verwundert, da seine Fähigkeit – er kann tote Objekte zum Leben erwecken und mit seinen Gedanken steuern – dem Regisseur reichlich Gelegenheit gibt, seine Detailversessenheit und auch seinen Hang zu einfallsreichen, gruseligen Spezialeffekten auszuleben. Denn genau das macht Emma und ihre Freunde, ebenso die gutmütige Heimleiterin Miss Peregrine (eine Kreatur namens Ymbryne mit der Fähigkeit, sich in einen Vogel zu verwandeln und 24-stündige Zeitschleifen zu erschaffen) so interessant: Sie haben zwar übernatürliche Kräfte, die aber alle eine gruselige Komponente besitzen, sodaß einem der Vergleich zu Superhelden gar nicht erst in den Sinn kommt. "Die Insel der besonderen Kindern" ist eine in Deutschland zu Recht erst ab 12 Jahren freigegebene Schauermär, wie sie Burton oft in seiner Karriere ("Edward mit den Scherenhänden", "Sleepy Hollow", "Corpse Bride") in hoher Qualität auf die Leinwände bannte.

Tatsächlich ist diese zauberhafte Welt des in einer Zeitschleife befindlichen Waisenhauses so faszinierend, daß es beinahe schade ist, daß man nicht einfach nur zwei Stunden lang den liebenswert-schrulligen Bewohnern zuschauen kann, sondern irgendwann doch die Bedrohung von außen immer größer wird. Dramaturgisch gibt es in dieser Hinsicht keine nennenswerten Überraschungen, alles läuft relativ vorhersehbar und wenig originell ab – doch zumindest sind die schaurigen, ein wenig an die Wesen aus Burtons Stop Motion-Grusicals "Nightmare Before Christmas", "Corpse Bride" und "Frankenweenie" erinnernden Kreaturen eindrucksvoll gestaltet und Samuel L. Jackson gibt als weißäugiger Mr. Barron einen überzeugenderen Antagonisten ab, als ich das nach Ansicht des Trailers befürchtet hatte (in dem es so wirkte, als würde er einfach seinen überdrehten "Kingsman"-Bösewicht Valentine in eine wesentlich unpassendere Umgebung verfrachten). Manche kritisieren, daß Tim Burton im langen Finale zu sehr auf die Actionkarte setzt, aber dieser Meinung kann ich mich nicht wirklich anschließen. Dafür hat Burton den Showdown eindeutig zu einfallsreich und visuell beeindruckend in Szene gesetzt, inklusive einer schönen Hommage an die legendären Stop Motion-Skelette des verstorbenen Spezialeffekt-Großmeisters Ray Harryhausen aus "Jason und die Argonauten" (auch wenn die Skelette hier natürlich computergeneriert sind). Insgesamt aber hält sich Burton diesmal mit dem CGI-Einsatz wie auch den gelungenen 3D-Effekten merklich zurück, was dem Film gerade im Vergleich zum hoffnungslos überfrachteten "Alice im Wunderland" ausgesprochen gut tut.

Die Musik zu "Die Insel der besonderen Kinder" stammt erstaunlicherweise nicht von Burtons Stammkomponist Danny Elfman, obwohl die Story für dessen Talent für dissonant-entrückte Zaubermelodien wie geschaffen wäre – die recht unbekannten Michael Higham und Matthew Margeson ("Eddie the Eagle") ersetzen ihn ordentlich, in manchen Sequenzen sogar richtig gut, doch ausgerechnet beim Endkampf setzen sie auf nur sehr bedingt passende modernere Klänge. Dafür entschädigt ein wenig der sehr schöne (leider nicht im Soundtrack enthaltene) Abspann-Song "Wish That You Were Here" von Florence + the Machine, der die Melancholie des modernen Märchens wunderbar einfängt. Noch einmal zu den Schauspielern: Durch den Fokus auf die Minderjährigen geraten die erwachsenen Figuren im Storyverlauf zunehmend in der Hintergrund, was vor allem bei Miss Peregrine und ihrer von Judi Dench ("Philomena") verkörperten früheren Lehrmeisterin Miss Avocet sehr bedauerlich ist, aber doch zu verkraften. Ärgerlicher ist schon, daß Burton im Laufe der Zeit so sehr das Interesse an den Erwachsenen verliert, daß beispielsweise Jacobs Vater, der in der ersten Filmhälfte noch eine ziemlich große Rolle spielt, im letzten Akt überhaupt nicht mehr auftaucht, was einfach unvollständig wirkt und angesichts des Endes einige Fragen aufwirft. Zumindest Jacobs Großvater Abe, empathisch verkörpert von Terence Stamp (vor einigen Jahren wäre der Part vermutlich noch an Burtons langjähriges "Maskottchen" Sir Christopher Lee gegangen) bekommt einen runden Abschluß. Schon, um mehr von Jacob, Emma und ihren Freunden zu sehen, würde ich mich dennoch sehr über eine Fortsetzung freuen – Riggs' Buchreihe bietet dafür jedenfalls Material (wobei Burton und Goldman hier scheinbar phasenweise ziemlich weit von der Vorlage abweichen) und die Einspielergebnisse von "Die Insel der besonderen Kinder", wiewohl sie nicht überragend ausfielen, sollten auch nicht unbedingt dagegen sprechen.

Fazit: "Die Insel der besonderen Kinder" ist ein visuell beeindruckendes, mit viel Liebe zum Detail gestaltetes Schauermärchen, mit dem Regisseur Burton endlich wieder seine großen Stärken in Sachen Atmosphäre und Figuren ausspielt – auch wenn dafür die ziemlich simple Story nur eine Nebenrolle spielt und einige Handlungsstränge ins Nichts zerfasern.

Wertung: 8,5 Punkte.


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