Regie: Alfonso Cuarón,
Drehbuch: Jonás und Alfonso Cuarón, Musik: Steven Price
Darsteller: Sandra
Bullock, George Clooney, Ed Harris (Stimme), Phaldut Sharma (Stimme)
Rotten Tomatoes: 96%
(8,9); weltweites Einspielergebnis: $773,0 Mio. FSK: 12, Dauer: 91 Minuten.
Drei Astronauten befinden sich mit
dem Space Shuttle im Weltall und unternehmen gerade einen Weltraumspaziergang, um
Reparaturen am Hubble-Weltraumteleskop durchzuführen. Für den erfahrenen Matt
Kowalski (George Clooney, "The Descendants") ist es sein letzter Flug
ins All, für die Wissenschaftlerin Dr. Ryan Stone (Sandra Bullock, "Taffe Mädels") ihr allererster, dritter im Bunde ist Shariff (Phaldut Sharma).
Die Stimmung bei Shariff und Kowalski ist gut, während Dr. Stone vor allem
damit beschäftigt ist, ihre diffizile Arbeit am Teleskop zu erledigen, ohne
sich dabei in ihren Helm zu übergeben. Als das Kontrollzentrum in Houston ihnen
die Information übermittelt, daß die Russen soeben einen wohl defekten
Satelliten abgeschossen haben, besteht zunächst kein Grund zur Sorge,
schließlich fliegen dessen Überreste auf einer anderen Umlaufbahn um die Erde. Doch
wenige Minuten später stellt sich heraus, daß der Satellitenabschuß eine
Kettenreaktion ausgelöst und mehrere andere Satelliten zerstört hat, deren
Überreste nun genau auf die Astronauten zurasen. Während Kowalski und Dr. Stone
mit viel Glück überleben, haben Shariff und das Space Shuttle keinerlei Chance. Die beiden Verbliebenen können nur noch versuchen, sich in ihren Raumanzügen
zur nahen Internationalen Raumstation ISS zu retten, ehe die Trümmerteile in
eineinhalb Stunden wieder ihre Position erreichen werden ...
Kritik:
Der mexikanische Regisseur
Alfonso Cuarón, der 1998 mit seinem englischsprachigen Debüt "Große Erwartungen"
nach Charles Dickens nicht weiter auffiel, drei Jahre später aber mit dem
mexikanischen Drama "... mit deiner Mutter auch!" seine erste
OSCAR-Nominierung erhielt und 2004 mit "Harry Potter und der Gefangene von
Askaban" endgültig in Hollywood ankam, ist spätestens seit "Children
of Men" ein Liebling der Kritiker. Nicht nur, weil sein packender
Endzeit-Thriller aus dem Jahr 2006 ein richtig guter Film ist, sondern vor
allem deshalb, weil er mit teilweise minutenlangen, ununterbrochenen Kamerafahrten
beeindruckte, die dem Publikum das Gefühl vermittelten, mittendrin im Geschehen
zu sein. Umso erstaunlicher, daß Cuarón anschließend sieben Jahre lang nichts
mehr auf die große Leinwand brachte. Doch war er in der Zwischenzeit
keineswegs untätig, vielmehr bereitete er über Jahre hinweg ein wagemutiges
Projekt vor, dessen Realisierung erst die fortschreitende Entwicklung der
Technik überhaupt möglich machte: "Gravity". Und das Warten hat sich
definitiv gelohnt, denn "Gravity" ist einer jener rargewordenen
Filme, die nachdrücklich daran erinnern, wie großartig ein Kinobesuch
sein kann.
Wie bereits kürzlich bei
meiner Rezension zu "Europa Report" schicke ich auch hier voraus, daß
eventuelle physikalische oder wissenschaftliche Fehler in diesem Weltraum-Trip
keine Auswirkung auf meine Bewertung des Films haben – einerseits, weil ich
davon zu wenig Ahnung habe, vor allem aber andererseits, weil sie für die Qualität der
Dramaturgie nicht oder kaum von Bedeutung sind. Was bei "Gravity" von
Bedeutung ist – und zwar von gewaltiger Bedeutung –, ist tatsächlich die
Technik, auf deren Perfektion Cuarón so lange warten mußte. Ich bin eigentlich
der Meinung, daß bei den allermeisten 3D-Filmen die günstigere Eintrittskarte
für die 2D-Fassung (die außerhalb der USA leider relativ selten zur Wahl
gestellt wird) locker ausreicht, weil die Dreidimensionalität keinen
echten Mehrwert einbringt, sich manchmal sogar negativ auf den Filmgenuß
auswirkt. Und auch der Aufpreis für das neue, im Idealfall wirklich
beeindruckende Soundsystem Dolby Atmos, das in Deutschland noch immer erst in wenigen
Multiplex-Kinos angeboten wird, lohnt sich nur bei absoluten Ausnahmefilmen wie
"Life of Pi" so richtig. Bei "Gravity" kann ich jedoch
jedem potentiellen Zuschauer nur eindringlich dazu raten, den Geldbeutel etwas
weiter zu öffnen und den Film in höchstmöglicher technischer Qualität
anzuschauen. Denn für Alfonso Cuarón und sein Team ist 3D nicht nur ein Gimmick
oder eine Methode, die Einspielergebnisse zu erhöhen; nein, für sie ist die
Dreidimensionalität integraler Bestandteil ihrer Geschichte. Gleiches gilt für
den Ton, denn obwohl im Weltall außer den Stimmen der Astronauten nichts zu
hören ist, werden die deshalb fehlenden Soundeffekte durch die
begleitende Musik imitiert, und dabei spielt vor allem die
360°-Abdeckung des Kinosaals mit Lautsprechern eine wichtige Rolle.
So echt, so real hat sich
noch kein Weltraumfilm zuvor angefühlt. Cuarón und sein kongenialer Kameramann
Emmanuel Lubezki (die für ihre herausragenden Leistungen zwei von insgesamt sieben "Gravity"-OSCARs überreicht bekamen; genau genommen sogar drei, da Cuarón auch die Schnitt-Trophäe erhielt) präsentieren wiederholt idyllische Weitwinkel-Panoramaaufnahmen, die die
Schönheit des Alls oder eines Sonnenaufgangs hinter der Erde zelebrieren,
bleiben aber auch oft ganz nah an den Köpfen der Astronauten und wechseln sogar
immer wieder in deren Perspektive, sodaß der Zuschauer die dramatischen
Geschehnisse mit ihren Augen betrachtet. Und wenn man mit den Augen von Dr.
Stone sieht, wie Trümmerteile nur haarscharf an ihr vorbeirasen, dann macht das
einfach einen ganz anderen, viel stärkeren Eindruck als die theoretisch
vergleichbaren Szenen in 3D-Horrorfilmen, in denen ja auch immer wieder (meist
spitze) Gegenstände auf das Publikum zufliegen. Auch ihr "Children of Men"-Markenzeichen,
die ewig langen Kamerafahrten, wenden Cuarón und Lubezki selbstverständlich wieder an, und das sogar deutlich verstärkt.
Allein die Eingangssequenz dauert rund eine Viertelstunde und enthält keinen
einzigen Schnitt! Kein Wunder, daß viele Kritiker "Gravity" mit Stanley
Kubricks Klassiker "2001: Odyssee im Weltraum" vergleichen, denn in
Sachen Technik und Bildsprache sind beide Filme absolut bahnbrechend – und ein paar
optische Anspielungen auf Kubricks Werk hat Cuarón auch eingebaut (ebenso wie
auf einige weitere Weltraumfilme).
Normalerweise widme ich
mich der Technik erst gegen Ende meiner Rezensionen; da sie in diesem Fall der
unumstrittene Star ist, kam sie gleich zu Beginn. Doch natürlich kann ein Film
technisch noch so herausragend sein, ohne gute Story und Schauspieler, die die
Technik mit Leben und Seele erfüllen, bringt das letztlich nicht viel.
Glücklicherweise macht "Gravity" in dieser Beziehung aber ebenfalls
viel richtig. Das Drehbuch, das Cuarón gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Jonás
verfaßte, präsentiert zwar eine eher schlichte Handlung, schließlich geht es
"nur" um den Versuch, sich unter Zeitdruck vor dem sicheren Tod zu
retten. Die Cuaróns versuchen gar nicht erst, da größere Storyschlenker
einzubauen, sondern setzen mit Erfolg auf die große Effektivität dieser an den
Urängsten des Menschen rührenden Prämisse. Auch die Figurenzeichnung ist deshalb
erwartungsgemäß nicht allzu tiefgründig, aber vor allem in der eindrucksvollen, schier nicht enden wollenden
Eröffnungssequenz werden Kowalski und Dr. Stone dem Publikum gekonnt
nahegebracht, sodaß es mit ihnen mitfühlt. Dafür ist es natürlich auch
hilfreich, daß sie von zwei der beliebtesten Hollywood-Stars überhaupt
verkörpert werden, die ganz nebenbei die Gelegenheit nutzen, um zu beweisen,
daß sie auch zu den derzeit besten Schauspielern zählen. George Clooney setzt vor allem auf seinen bewährten Charme und spielt seinen Matt Kowalski
zwar sehr überzeugend, aber streng genommen nicht viel anders als zahlreiche
Rollen zuvor. Sandra Bullock dagegen beeindruckt als verschlossene und von der
Situation bei ihrem allerersten Weltraumeinsatz eigentlich hoffnungslos überforderte
Wissenschaftlerin so sehr, daß ihre zweite OSCAR-Nominierung nur noch Formsache war.
Um abschließend noch
einmal auf die oben nur kurz im technischen Zusammenhang erwähnte Musik
zurückzukommen: Sie spielt hier eine überdurchschnittlich große Rolle, da sie
im Grunde genommen gleichzeitig musikalische Begleitung und Soundeffekte vermitteln
muß. Der noch relativ unbekannte Brite Steven Price ("Attack the Block")
hat sich dieser anspruchsvollen Aufgabe angenommen und sie im großen und ganzen gut gelöst. Vor
allem die sphärischen Klänge während der ruhigen Szenen wissen zu gefallen, während die
dramatische Musik in den actionreichen Momenten gelegentlich etwas zu laut und
aufdringlich ausfällt, anstatt auf die Macht der Bilder zu vertrauen. Aber das
ist nur ein kleiner Schönheitsfehler, der sich kaum auf die herausragende
Gesamtqualität des Films auswirkt.
Fazit: "Gravity" ist ein beklemmender und
innovativ inszenierter Weltraum-Überlebenstrip, der trotz auf den Kern
reduzierter, aber effektiver Dramaturgie dank technischer Brillanz und zweier
großartiger Schauspieler die Magie des Kinos entfacht wie nur wenige Filme der
letzten Jahre.
Wertung: 9 Punkte.
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger amazon.de-Bestellungen über einen der Links oder das amazon-Suchfeld in der rechten Spalte freuen.
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