Originaltitel: Au nom du
fils
Regie: Vincent Lannoo,
Drehbuch: Albert Charles, Philippe Falardeau, Vincent Lannoo, Musik:
Michelino Bisceglia
Darsteller: Astrid Whettnall, Philippe Nahon, Achille Ridolfi, Lionel Bourguet, Jacky Nercessian, Zacharie Chasseriaud, Albert
Chassagne-Baradat
Rotten Tomatoes: -; weltweites Einspielergebnis: $0,2 Mio.FSK: 16; Dauer: 83 Minuten.
Die katholische
Familienmutter Elisabeth (Astrid Whettnall) ist Moderatorin einer erfolgreichen
religiösen Radioshow, in der sie Hörern bei Glaubensfragen hilft. Ihr
Leben verläuft äußerst harmonisch, dann nimmt die Familie sogar noch den
gutmütigen Priester Achille (Achille Ridolfi, "Die Logan Verschwörung") als Untermieter auf, mit dem sich Elisabeth gut versteht. Doch dann bricht ihr Leben nach und nach zusammen. Sie muß
erfahren, daß ihr Ehemann mit dem ältesten Sohn in Wirklichkeit gar nicht auf
regelmäßige Jagdausflüge geht, sondern sich in einer erzkonservativen
"Katholiken-Armee" für den bewaffneten Kampf gegen die Muslime
ausbilden läßt. Und ebenjener Sohn enthüllt ihr auch noch, daß er und der
inzwischen wieder abgereiste Bruder Achille eine intime Beziehung hatten.
Elisabeth fordert Konsequenzen für den pädophilen Priester, doch obwohl sie
innerhalb der Kirche all ihren Einfluß als Person der Öffentlichkeit einsetzt,
weigert sich vor allem der selbstgerechte Bischof, irgendetwas zu tun,
vielmehr verhöhnt er sogar noch Elisabeths Sohn. Letztlich sieht Elisabeth gar
keine andere Möglichkeit mehr, als die Gerechtigkeit in ihre eigenen Hände zu
nehmen ...
Kritik:
Der belgische Regisseur
Vincent Lannoo war erstmals im Jahr 2011 mit seiner Horrorkomödie "Vampires"
auf dem Fantasy Filmfest vertreten, mit "In the Name of the Son"
widmet er sich nun einer ganz anderen Art von Horror. Denn der pure Horror ist es,
den die arme Elisabeth durchlebt. Von der glücklichen Mutter und Ehefrau sowie
engagierten Christin durchlebt sie innerhalb kürzester Zeit einen rapiden
Abstieg hin zur buchstäblich von allen alleingelassenen, vor Trauer und Wut
schier rasenden Rächerin – und obwohl Lannoo Elisabeths Geschichte sehr überspitzt,
mit viel schwarzem Humor und einem sehr offensichtlichen Zorn auf die katholische
Kirche erzählt, ist "In the Name of the Son" ein bemerkenswert
ernsthafter und gar nicht mal übermäßig polemischer Film geworden.
Natürlich, Elisabeths auch
spirituelles Martyrium nutzt Lannoo zu einem vehementen Angriff auf die Kirche,
bei der Fairneß für ihn mit Sicherheit eher nebensächlich war. Wichtig ist
aber, daß er niemals den Glauben der Menschen attackiert, sondern lediglich all jene
immanenten Schwächen einer institutionalisierten Religion, die in der zumindest in der Führungsriege eher rückwärtsgewandten katholischen Kirche seit jeher besonders offensichtlich sind. Natürlich ist es trotzdem
gut vorstellbar, daß sehr in ihrer Religion verwurzelte Zuschauer sich von
Lannoos Film angegriffen fühlen, auch wenn es wie als winziges Friedensangebot zumindest einen, vom französischen Schauspielveteran Philippe Nahon ("Der Pakt der Wölfe", "Der Teufel mit der weißen Weste", "Gefährten") souverän verkörperten, halbwegs vorbildlichen Geistlichen gibt. Der Regisseur selbst erzählte als Gast des
Fantasy Filmfests, er wisse von zwei hohen Geistlichen, die "In the
Name of the Son" gesehen hätten – einer sei begeistert gewesen, der andere
stinksauer.
Lannoo ist schlau genug,
sich weitestgehend an die Realität zu halten. Alles, was Elisabeth durchleiden
muß, ist in der Realität entweder geschehen (Pädophilie, Vertuschung,
Heuchelei) oder zumindest vorstellbar. Ich weiß nicht, ob es tatsächlich ein
reales Vorbild für die geheime "Katholiken-Armee" gibt, die sich mit
militärischem Drill auf den aus ihrer Sicht unvermeidbaren Kampf gegen den Islam vorbereitet – aber da das im
Film erklärtermaßen außerhalb der der eigentlichen Kirche geschieht, halte ich
dieses Storyelement selbst dann für vertretbar, wenn es reine Fiktion sein
sollte; schon deshalb, weil es innerhalb der Dramaturgie für einige der haarsträubendsten
Szenen sorgt. Davon abgesehen werden jedenfalls fast alle Vorwürfe, die
man der katholischen Kirche in den letzten Jahren machen kann, abgedeckt.
Teilweise nur in Nebensätzen (kirchliche Arbeitslöhne), teilweise sehr
ausführlich. Das zeigt eindrucksvoll auf, wie sorgfältig sich Lannoo mit der
schwierigen Thematik auseinandergesetzt hat. Daß die arme Elisabeth all diese
Elemente der gerechtfertigten Kirchenkritik dermaßen geballt treffen, ist dann
natürlich nicht mehr ganz glaubwürdig und fällt in die Kategorie
"dramaturgische Freiheit". In sich sind die Vorkommnisse auf jeden
Fall schlüssig erzählt, weshalb Elisabeths Wandlung zur von heiligem Zorn
angetriebenen Rächerin absolut authentisch wirkt.
Das ist ganz eindeutig auch
Astrid Whettnalls starker schauspielerischer Leistung als Elisabeth geschuldet.
Man leidet förmlich mit dieser frommen Frau mit, die trotz (oder sogar gerade
wegen) ihres festen Glaubens – der anfangs viel stärker ausgeprägt ist als der der meisten
präsentierten Geistlichen – geradezu vom menschengemachten Unheil verfolgt wird
und an einen modernen Hiob erinnert (dessen biblische Geschichte bereits
den Arthouse-Hit "A Serious Man" von den Coen-Brüdern inspirierte).
Nur, daß sie nicht alles mit sich geschehen läßt, sondern nach der (psychisch) brutalen Überschreitung
einer unsichtbaren Grenze als einzig logische Konsequenz zum großen Gegenschlag
ausholt. Und weil ihre Wandlung so ausgezeichnet und gleichzeitig höchst
beklemmend hergeleitet ist, verliert man bei aller scheinbaren Skrupellosigkeit, die sie
ganz plötzlich an den Tag legt, nie das Mitgefühl für ihre Situation. Übrigens, auch wenn man
"In the Name of the Son" wohl als "schwarze Komödie" oder "Tragikomödie"
einstufen muß, so trifft es das "schwarz" viel besser als die
"Komödie". Lannoos Film sorgt mit seiner absurden Dramaturgie zwar
immer wieder für Lacher, aber das sind keine fröhlichen, sondern ausschließlich
fassungslose "Das kann doch jetzt nicht euer Ernst sein, oder"?-Lacher. Die
Sorge, daß sich der Film über die Kirche oder ihre Opfer lustig mache, ist also
definitiv unbegründet. Dafür liegt das Thema Lannoo unübersehbar viel zu sehr
am Herzen. Was vielleicht auch erklärt, warum einzig das abrupte Ende seines
Werks seltsam unbefriedigend wirkt – Lannoo weigert sich, einen konventionellen
Abschluß (ob "gut" oder "böse") für seine aufwühlende Geschichte
zu finden. Er enthält dem Publikum im Grunde genommen einen Abschluß sogar
komplett vor, schließlich ist allen Aufklärungsbemühungen zum Trotz auch in der
Realität noch lange kein Ende aller kirchlichen Übel abzusehen ...
Fazit: "In the Name of the Son" ist ein
bitterböser und trotz dramaturgischer Zuspitzungen sehr ernsthafter und
engagierter Angriff auf die Verfehlungen der katholischen Kirche, der alles
andere als leichte Kost ist, aber gekonnt Emotionen weckt und zum Nachdenken anregt.
Wertung: 8 Punkte.
Wertung: 8 Punkte.
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