Regie und Drehbuch: Brian De Palma, Musik: Paul Williams
Darsteller: William Finley, Paul Williams, Jessica Harper,
Gerrit Graham, George Memmoli, Archie Hahn, Jeffrey Comanor, Peter Elbling
Der junge, gutgläubige Komponist Winslow Leach (William Finley, "Teufelskreis Alpha") macht die
Bekanntschaft des legendenumwobenen Musikproduzenten Swan (Paul Williams, "Ein ausgekochtes Schlitzohr") und
spielt diesem seine innovative Pop-Kantate "Faust" vor. Swan ist begeistert und
nimmt das einzige Exemplar der "Faust"-Notation mit dem Versprechen
an sich, es zu veröffentlichen. In den nächsten Wochen meldet sich Swan
allerdings nicht mehr bei Winslow und reagiert auch nicht auf dessen
Kontaktversuche. Als Winslow schließlich auf der Suche nach Antworten in Swans prunkvolles Anwesen eindringt,
stößt er auf die schöne Phoenix (Jessica Harper, "Suspiria"), die gemeinsam mit anderen
Frauen zu einem Vorsingen eingeladen wurde – und zwar zu Winslows Pop-Kantate.
Der naive Komponist begreift endlich, daß Swan seine Musik gestohlen hat und als seine eigene ausgibt. Als Winslow auf seinem Recht besteht, läßt der
ebenso wohlhabende wie einflußreiche Plattenmogul ihn kurzerhand wegen Drogenhandels verhaften und zu
einer lebenslangen Gefängnisstrafe im berüchtigten Sing Sing verurteilen. Als Winslow
erfährt, daß Swan eine furchtbar weichgespülte Version seiner Komposition
eingespielt hat und diese in Kürze bei der Eröffnung seiner pompösen neuen
Konzerthalle namens "Paradise" präsentieren will, gelingt ihm die
Flucht. Unverzüglich bricht er in Swans Produktionsstudio ein, wo er von einem
Nachtwächter schwer verletzt wird und scheinbar tot in den East River stürzt.
Doch kurze Zeit später beginnt es im "Paradise" zu spuken, und eine
maskierte Gestalt mit schwarzem Umhang sucht Swan sowie die Sänger (darunter Phoenix) und Musiker heim, die
sich auf die große Eröffnungsgala vorbereiten ...
Kritik:
Die lange Karriere des Brian De Palma ist äußerst
wechselhaft verlaufen. In den 1970er Jahren erlangte er Bekanntheit mit kleinen,
aber innovativen und oft kontrovers diskutierten Genrefilmen wie
"Carrie", "Die Schwestern des Bösen" oder "Dressed to
Kill", in den 1980ern und 1990ern schuf er große Hollywood-Blockbuster wie
"Scarface", "Die Unbestechlichen" oder "Mission:
Impossible". In den letzten 15 Jahren dominierten jedoch Flops wie
"Mission to Mars" oder "Redacted", weshalb er inzwischen
nach eigener Aussage in Hollywood wohl abgeschrieben ist (woraufhin er 2012 in Europa den ebenfalls recht erfolglosen Erotik-Thriller "Passion" drehte). Es wäre bedauernswert, sollte
er tatsächlich keine Chance mehr erhalten, denn auch wenn seine letzten Filme nur
noch selten überzeugen konnten, hat De Palma seine grundsätzlichen
Qualitäten als Regisseur wie auch als Drehbuch-Autor doch oft genug unter
Beweis gestellt. Ein schönes Beispiel hierfür ist sein Frühwerk "Phantom
of the Paradise" aus dem Jahr 1974, das damals zwar ein kolossaler Flop
war und heute weitgehend vergessen ist, De Palmas Ideenreichtum und Mut zum
Unkonventionellen aber wunderbar repräsentiert.
"Phantom of the Paradise" ist eine gewagte und
ausgesprochen skurrile Verquickung von so zeitlosen Klassikern wie Gaston Leroux'
"Das Phantom der Oper", Oscar Wildes "Das Bildnis des Dorian
Gray" oder (primär im letzten Akt des Films) Goethes "Faust". Umgesetzt ist das Ganze in Form
eines Low-Budget-Rock-Musicals, das stilistisch entfernt an die "Rocky
Horror Picture Show" oder auch Darren Lynn Bousmans "Repo! The Genetic Opera" erinnert – jedoch mit einer etwas weniger eingängigen (dafür OSCAR-nominierten) Musik von Swan-Darsteller Paul Williams und George
Aliceson Tipton. Die Figuren sind allerdings mindestens genauso schräg und
durchgeknallt wie bei der "Rocky Horror Picture Show", und das macht
einen großen Teil des Reizes aus, den De Palmas von satirischem Biß durchzogener Musikfilm bis
heute auf ein aufgeschlossenes Publikum ausübt. Die Darsteller haben zwar –
abgesehen vielleicht von Jessica Harper, die immerhin die Hauptrolle in Dario
Argentos Kultfilm "Suspiria" und Nebenrollen in zwei der besten Woody Allen-Filme
vorweisen kann ("Die letzte Nacht des Boris Gruschenko" und "Stardust Memories") – allesamt keine großen Schauspieler-Karrieren hingelegt (Paul
Williams ist dafür ein sehr erfolgreicher Komponist, der u.a. mit David Bowie
und Barbra Streisand arbeitete und 1977 für seine Musik zu "A Star is
Born" einen OSCAR gewann); in ihren skurrilen Rollen zeigen sie aber sehr
beachtliche Leistungen, wobei vor allem Gerrit Graham ("Cannonball") in seiner Nebenrolle als herrlich
überkandidelter Glamrock-Star "Beef" glänzen kann.
Die an sich recht dünne und klischeehafte Geschichte um einen begabten Musiker, der nach Rache dürstet, nachdem ein mächtiger Plattenproduzent seine Musik geklaut und sein Leben zur Hölle gemacht hat, ist in den leider nur knapp 90 Minuten Laufzeit einfallsreich und wunderbar verspielt in Szene gesetzt. Immer wieder begeistert De Palma mit haarsträubenden Ideen wie der herrlich überspitzten Popband-Parodie "The Juicy Fruits", die im Laufe der Handlung mehrere heftige Stil- und Namensänderungen durchläuft, oder dem bereits erwähnten schrillen Glamrock-Star "Beef", der im unfaßbar ereignis- und temporeichen Finale mit der Eröffnungsgala des "Paradise" eine buchstäblich elektrisierende Performance zeigt. Selbst ein wenig frühe Kapitalismuskritik läßt sich anhand des selbstherrlichen Musikproduzenten Swan identifizeren, dem die Kunst selbst letztlich überhaupt nichts bedeutet, sondern lediglich als Vehikel zur Erlangung größtmöglichen kommerziellen Erfolges dient (für den er nicht nur im übertragenen Sinne seine Seele verkauft). Das ist ein unübersehbarer Seitenhieb auf den wachsenden Einfluß branchenfremder Manager auf die Film- und Musikbranche in den 1960er und 1970er Jahren, den viele Künstler – nicht zu Unrecht – mit großer Skepsis betrachteten ...
Fazit: "Phantom of the Paradise" ist ein schrulliger und schriller Genremix, der zwar nie den Kultstatus der nicht ganz so
sperrigen "Rocky Horror Picture Show" erreicht hat, aber mit
ähnlichen Qualitäten – viel und gute Musik, ein
Panoptikum durchgeknallter Figuren, reichlich schräge Ideen – punktet und inhaltlich sogar etwas
anspruchsvoller daherkommt.
Wertung: 8 Punkte.
Wertung: 8 Punkte.
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