Regie:
Steven Soderbergh, Drehbuch: Scott Z. Burns, Musik: Thomas Newman
Darsteller:
Jude Law, Rooney Mara, Catherine Zeta-Jones, Channing Tatum, Vinessa Shaw, Ann
Dowd, David Costabile, Michael Nathanson, Sheila Tapia, Polly Draper, Mamie
Gummer
Als ihr Ehemann Martin (Channing Tatum, "21 Jump Street") nach Verbüßung einer vierjährigen Haftstrafe wegen
Insiderhandels aus dem Gefängnis entlassen wird, scheint die Anlage-beraterin Emily Taylor (Rooney
Mara, "Verblendung") zunächst glücklich zu sein. Doch schon bald wird
offenbar, daß sie wie bereits früher unter ernsten Depressionen leidet, die sie
vor ihrem Mann während dessen Inhaftierung verborgen hat, die sich nun aber
sogar in einem halbherzigen Suizidversuch manifestieren. Im Krankenhaus wird
sie von dem Psychiater Dr. Jonathan Banks (Jude Law, "Anna Karenina")
entlassen unter der Bedingung, daß sie ihn noch in der gleichen Woche in seiner
Privatpraxis aufsucht. Sie kommt der Aufforderung nach, doch die Medikamente,
die Dr. Banks ihr nach Rücksprache mit Emilys früherer Psychiaterin Dr. Siebert
(Catherine Zeta-Jones, "Rock of Ages") verschreibt, wirken nicht oder
haben zu starke Nebenwirkungen. Erst ein ganz neues Antidepressivum namens
Ablixa, das Emily von einer Freundin empfohlen wurde, scheint zu wirken.
Nebenwirkungen gibt es allerdings auch hier, und die führen zu einem tragischen
Unglücksfall. Dr. Banks wird öffentlich dafür kritisiert, daß er die Berichte
Emilys über die Nebenwirkungen von Ablixa nicht ernst genug genommen hätte,
doch der unter Beschuß geratene Psychiater wird ob einiger Details mißtrauisch
und stellt eigene Untersuchungen an ...
Kritik:
Nachdem sich Steven Soderbergh bereits in
"Contagion" mit einem medizinischen Thema befaßt hat, wagt er mit
"Side Effects" einen erneuten, jedoch völlig anders gearteten
Versuch. War "Contagion" noch betont sachlich und im Stil einer
Dokumentation gehalten, beginnt "Side Effects" als leicht satirischer
Blick auf die Psychiatrie amerikanischer Prägung wie auch auf die
Pharmabranche, entwickelt sich in der zweiten Hälfte jedoch zu einem recht
konventionellen Hochglanz-Verschwörungsthriller. Beide Hälften für sich
genommen sind absolut sehenswert – als Gesamtwerk funktionieren sie
bedauerlicherweise nur bedingt, weil sie einfach viel zu verschieden sind, eher zwei
kurze Filme als ein langer.
Die erste Hälfte (genau genommen die ersten etwa 40 von gut
100 Minuten) wird zumindest mir als die weitaus stärkere in Erinnerung bleiben.
Wie bedenkenlos Ärzte und Patienten mit den neuesten Produkten der
Pharmaindustrie umgehen, sie aus finanziellen Anreizen verschreiben respektive
– zum Beispiel im Rahmen einer Produktstudie vor der offiziellen Markteinführung –
einnehmen, das wird von Soderbergh und seinem bewährten Drehbuch-Autor Scott Z.
Burns (die bereits bei "Der Informant!" und "Contagion"
zusammengearbeitet haben) temporeich und nonchalant geschildert. Das erinnert
unübersehbar an Werke wie Jason Reitmans "Thank You for Smoking" oder
Soderberghs eigenen "Der Informant!", was angesichts deren Qualität aber natürlich alles
andere als negativ zu werten ist. Europäische Zuschauer dürften dem bunten
Treiben noch amüsierter bis fassungsloser folgen als amerikanische. Das wird
witzigerweise sogar kurz im Film thematisiert, denn als Dr. Banks gefragt wird,
warum er nach seinem Medizinstudium in Großbritannien zum Praktizieren in die USA gezogen
sei, antwortet er (aus dem Gedächtnis zitiert): "Wenn in England jemand
zum Psychiater geht, dann denken die Menschen, daß er krank ist. Wenn in
Amerika jemand zum Psychiater geht, dann denken sie, daß er auf dem
Wege der Besserung ist."
Doch wenngleich die Psychiatrie zunächst im Mittelpunkt des
Films steht, geht "Side Effects" erfreulicherweise noch deutlich
tiefer. Auch die Wechselwirkung zur Wirtschaftskrise wird thematisiert, die
beispielsweise Dr. Banks dazu bringt, mehr zu arbeiten als es sinnvoll wäre und
sich dabei auch in die lukrativen Fänge der Pharmavertreter zu begeben, da
seine Ehefrau – eine Bankerin – ihren Job verloren hat und die Familie deshalb
droht, ihren Lebensstandard nicht mehr halten zu können. Auf der anderen Seite
werden auch die Patienten durch die Krise beeinflußt, wobei Emily mit
ihrem Insiderhandel-Ehemann, der seine Gesetzesverstöße nicht einmal bereut,
das Paradebeispiel dafür ist. "Side Effects" versucht dabei
wohlgemerkt nicht, irgendjemandem oder gar einer so abstraken Sache wie der
Wirtschaftskrise selbst die Schuld zuzuschieben. Dafür sind Soderbergh und
Burns zu intelligent. Sie beschränken sich darauf, ein glaubwürdiges und
durchaus erschreckendes Bild der Gesamtsituation und einiger wichtiger
Elemente, die zu ihr geführt haben, zu skizzieren.
Aber eben nur in den ersten 40 Minuten. Ich kann natürlich
nicht sagen, wie in einigen Jahren oder Jahrzehnten über "Side
Effects" geurteilt werden wird – sicher bin ich mir jedoch, daß mir der
Film für immer vorrangig dafür im Gedächtnis bleiben wird, daß er diesen
starken Auftakt nicht zu einem Klassiker des Genres ausbaut, sondern
unvermittelt in die Gefilde der relativ konventionellen Thriller-Unterhaltung
wechselt. Wobei es gar so unvermittelt auch wieder nicht ist, denn fast von
Beginn an hatte ich genau jene "überraschende Wendung" gefürchtet, die
dann tatsächlich eintritt. Aus der smarten Satire wird eine verschwurbelte
Verschwörungs-geschichte mit leichtem erotischen Einschlag, die an das Frühwerk von Brian
De Palma ("Dressed to Kill", "Die Schwestern des Bösen",
"Schwarzer Engel") erinnert. Wie bereits erwähnt, ist das für sich
genommen unterhaltsam anzuschauen, auch wenn alles ziemlich gehetzt wirkt und
vor allem Dr. Banks' "Ermittlungen" samt raffinierter Gegenmaßnahmen
viel zu glatt ablaufen – es bleibt nunmal nur noch eine Stunde Zeit für eine Story, die
normalerweise in 90 oder 100 Minuten abgehandelt würde.
Schauspielerisch wissen vor allem die beiden Hauptdarsteller
Jude Law und Rooney Mara zu beeindrucken, doch auch Catherine Zeta-Jones und
Channing Tatum (der allerdings nicht wirklich wie ein Broker aussieht)
zeigen in den wichtigsten Nebenrollen gute Leistungen. Bei dem für seine
schauspielerischen Fähigkeiten gerne kritisierten Tatum fällt dabei wieder
einmal auf, daß er unter der Regie von Soderbergh (der ihn bereits in
"Magic Mike" und "Haywire" besetzt hat) seine besten
Leistungen zeigt.
Fazit: "Side Effects" ist ein merkwürdiger, aber gut gespielter
Hybrid aus bissiger Satire auf das Gesundheitswesen und clever konstruiertem
Hochglanz-Verschwörungsthriller. Beide Filmteile haben ihre Stärken, im
Zusammenspiel zeitigen sie jedoch ein suboptimales Resultat, wobei ich persönlich vor
allem der äußerst vielversprechenden ersten Hälfte nachtrauere.
Wertung: 6,5 Punkte.
Wertung: 6,5 Punkte.
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