Die Awards Season 2012/2013 scheint sich, was die Qualität
der Filme betrifft, zu einer der stärksten seit vielen Jahren zu entwickeln.
Eigentlich ist es immer so, daß von den im Vorfeld aufgrund des Regisseurs, der
Besetzung und/oder der Thematik als potentielle Topfavoriten gehandelten
Anwärtern sich etliche als "nur" gut oder sogar als richtiggehende
Enttäuschungen entpuppen. Letztes Jahr betraf das beispielsweise Steven
Spielbergs Epos "Gefährten", das sich (obwohl ich persönlich es sehr schätze) als ursprünglicher Topfavorit letztlich
mit sechs OSCAR-Nominierungen ohne einen einzigen Sieg begnügen mußte; 2010
erging es Altmeister Clint Eastwood mit gerade einmal zwei Nominierungen für seinen mit
vielen Vorschußlorbeeren bedachten Mandela-Film "Invictus" noch
schlechter. Doch im Jahr 2012 blieb bislang kein einziger der großen Favoriten
deutlich unter den Erwartungen – am ehesten noch Joe Wrights "Anna Karenina" und Sacha Gervasis
"Hitchcock", die im Allgemeinen mit nur leicht überdurchschnittlichen
Kritiken abgespeist werden, aber sowieso vor allem als aussichtsreiche Kandidaten
in den Darsteller- und ("Anna Karenina" betreffend) technischen Kategorien galten (und weiterhin gelten). Alle anderen – Paul Thomas Andersons
"The Master", Steven Spielbergs "Lincoln", Ben Afflecks
"Argo", David O. Russells "Silver Linings Playbook", Ang Lees "Life of Pi" – konnten
nach ihrer öffentlichen Premiere ihre Aussichten halten oder gar verbessern.
Vor diesem Wochenende verblieben noch vier heiß erwartete
OSCAR-Kandidaten, deren tatsächliche Qualität niemand einschätzen konnte. Zwei davon, beide mit einer Laufzeit von gut zweieinhalb Stunden, feierten am Wochenende ihre Premiere, Tom Hoopers Musical-Verfilmung "Les
Misérables" öffentlich mit Vorstellungen u.a. in London, New York und Los
Angeles, Kathryn Bigelows Bin Laden-Film "Zero Dark Thirty" vor
ausgewählten Kritikern. Und beide scheinen den ersten Berichten zufolge die in
sie gesetzten Hoffnungen vollauf zu erfüllen!
Da "Les Misérables" – in dem es übrigens keinerlei gesprochene Dialoge gibt, sondern ausschließlich gesungen wird, inklusive des neu komponierten und damit für die OSCAR-Kategorie "Bester Filmsong" wählbaren Liedes "Suddenly" – auch
von "normalen" Zuschauern gesehen werden konnte, gibt es hier
entsprechend mehr und vielfältigere Reaktionen (zumal es für die
professionellen Kritiker eine Sperrfrist gibt, was komplette Rezensionen betrifft) und die fallen fast ausnahmslos positiv aus. Die
bekannt dramatische Story mit den vielen emotionalen Song-Highlights hat zahlreiche
Zuschauer zu Tränen gerührt, Anne Hathaway – die bereits nach dem ersten
Trailer als Topfavoritin für die Kategorie "Beste
Nebendarstellerin" gekürt wurde – zeigt offenbar die bislang glänzendste
Leistung ihrer an starken Performances wahrlich nicht mangelnden Karriere und
auch das Wagnis, die Akteure die Songs "live" singen zu lassen, hat sich
ausgezahlt. Das einzige, was manche Zuschauer etwas bemängeln, ist die gesangliche
Leistung von Russell Crowe in der Antagonisten-Rolle des Inspector Javert.
Natürlich muß man einschränkend sagen, daß das Publikum, das
zu solchen Premieren geht, überdurchschnittlich gut informiert ist und große
Leidenschaft für die jeweilige Thematik hegt. Die nun an den Tag gelegte
Begeisterung zeigt, daß die Filmemacher es offenbar glänzend geschafft haben,
der populären Musical-Vorlage gerecht zu werden – ob "Les Misérables"
aber auch weniger musicalaffine Zuschauer wird begeistern können, wird sich
erst nach dem regulären Kinostart erweisen.
Kathryn Bigelows "Zero Dark Thirty" läßt sich
mangels Zuschauerreaktionen etwas schwerer bewerten, dafür gibt es hier bereits
einige Rezensionen namhafter Filmkritiker. Und die fallen ebenfalls sehr
positiv aus. Wie erhofft und eigentlich auch erwartet, ließen sich Bigelow und
ihr bewährter Drehbuch-Autor Mark Boal nicht zu einem bloßen "Wir haben
bin Laden gekillt, wir sind die Besten!"-USA-Propagandafilm hinreißen,
sondern zeigen die Jagd nach dem berüchtigten Terroristenführer durchaus
differenziert. Natürlich ist dennoch klar, wer "die Guten" und wer
"die Bösen" sind, schließlich handelt es sich um einen US-Film, der aus der Perspektive der CIA erzählt wird; aber Bigelow läßt sehr wohl Grautöne in die
Geschichte einfließen und schwingt nicht die Moralkeule, sondern beschränkt
sich im Großen und Ganzen – wie bereits beim OSCAR-prämierten "The Hurt
Locker" – auf eine möglichst authentische und wertfreie Darstellung der
Geschehnisse. Und die Hauptdarstellerin Jessica Chastain ("The Help", "The Tree of Life") dürfte in, wie es heißt,
einer der besten Frauenrollen der Hollywood-Geschichte endgültig den Durchbruch
zum Hollywood-Star geschafft haben.
Im Laufe der Woche werden dann auch endlich die letzten beiden
erwarteten OSCAR-Favoriten "Der Hobbit" und "Django
Unchained" vorgestellt.
Die neuesten Erkenntnisse habe ich wie üblich sofort in meine
zweiteilige Übersicht über den Stand der Dinge in der Awards Season 2012/2013
eingearbeitet:
Quellen:
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