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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 11. September 2012

EVA (2011)

Regie: Kike Maíllo, Drehbuch: Sergi Belbel, Cristina Clemente, Martí Roca und Aintza Serra, Musik: Evgueni und Sacha Galperine
Darsteller: Daniel Brühl, Claudia Vega, Marta Etura, Alberto Ammann, Lluís Homar, Anne Canovas
 Eva
(2011) on IMDb Rotten Tomatoes: 43% (5,8); weltweites Einspielergebnis: $1,3 Mio.
FSK: 12, Dauer: 95 Minuten.
Im Jahr 2041 hat sich die Welt im Vergleich zu unserer Gegenwart auf den ersten Blick gar nicht so sehr verändert – wenn man davon absieht, daß Roboter in verschiedensten Formen das Straßenbild prägen. Einige dienen als Haustierersatz, andere als Diener, manche sehen wie normale Menschen aus, andere ähneln ein wenig den Daleks aus der britischen Kultserie "Doctor Who". Álex Garel (der gebürtige Spanier Daniel Brühl, "Good bye, Lenin!", "Inglourious Basterds") ist einer der bekanntesten und besten Roboter-Designer, aber auch ein ziemlicher Einzelgänger. Dennoch nimmt er das Angebot seiner früheren Mentorin Julia (Anne Canovas, "Die Perlenstickerinnen") an, nach zehnjähriger Abwesenheit in seine Heimat zurückzukehren und den ersten Roboter in Kindgestalt zu erschaffen. Eine Entscheidung, die möglicherweise auch damit zusammenhängt, daß seine große Liebe Lana (Marta Etura, "Sleep Tight") – die dummerweise mit seinem Bruder David (Alberto Ammann, "Zelle 211") verheiratet ist – an der gleichen Universität lehrt. Als sich dann auch noch herausstellt, daß jenes Kind namens Eva (Claudia Vega), das Álex nach einer kurzen Begegnung auf der Straße als Modell für sein ambitioniertes Projekt ausgesucht hat, ausgerechnet die Tochter von Lana und David ist, verkompliziert sich die Lage beträchtlich ...

Kritik:
Man muß die Spanier bewundern. Während in Deutschland die wenigen Genre-Produktionen, die überhaupt gewagt werden, von den Zuschauern regelmäßig mit Mißachtung gestraft werden und auch die großen Filmpreisjurys ihre Zuneigung lieber den üblichen Dramen und Komödien schenken (letzte nennenswerte Ausnahme dürfte wohl Oliver Hirschbiegels "Das Experiment" aus dem Jahr 2001 gewesen sein, der ein Publikumshit war und beim Deutschen Filmpreis zumindest zwei Darstellerpreise gewann), bringt die kreative spanische Filmindustrie immer wieder sehenswerte und erfolgreiche Genre-Produktionen wie "[Rec]", "Sleep Tight", "Das Waisenhaus" oder Almodóvars "Die Haut, in der ich wohne" hervor. Zugegeben, ein großer Publikumserfolg war Kike Maíllos elegantem, futuristischen und philosophisch angehauchten Beziehungsdrama "Eva" nicht einmal in seiner Heimat beschieden, aber dafür gab es immerhin drei spanische und sogar fünf katalonische Filmpreise. Und die sind durchaus verdient.

Denn handwerklich ist "Eva" ein wirklich hervorragender Film. Bereits der wundervoll gestaltete Vorspann weiß zu begeistern und auch Maíllos Darstellung der nicht allzu fernen Zukunft wirkt ausgesprochen stimmig; es mag zwar für eine 30-jährige Zeitspanne abgesehen von den Robotern relativ wenig deutliche Veränderungen geben, aber dafür wird man immer wieder von kleinen, ebenso liebevollen wie künstlerischen Details überrascht, die das ganze Szenario glaubwürdig machen. Und Álex' Roboterkatze muß man auch als Hundefan einfach niedlich finden.

In Bezug auf die Handlung steht, was man durchaus bedauern darf, das zentrale Liebesdreieck zuzüglich der zwischen allen Stühlen stehenden Eva im Zentrum. Zwar ist dieses klassische Beziehungsdrama überzeugend und anrührend gespielt, doch leider kommen dafür die ethisch-philosophischen Fragestellungen rund um die Roboter-Thematik zu kurz. Darf man Roboter mit eigener Persönlichkeit noch wie Gegenstände behandeln? Sollen Roboter, was zum Zeitpunkt der Filmhandlung möglich, aber verboten ist, einen freien Willen bekommen? Dürfen oder müssen die Menschen Roboter bei einer gravierenden Fehlfunktion einfach zerstören, quasi exekutieren? Und falls ja, darf das jeder Mensch für sich entscheiden oder sollte es eine übergeordnete Autorität, ein Gericht etwa, geben, die allein darüber befinden darf? Diese und andere so spannende wie kontroverse Fragen, die bereits in Filmen wie Sir Ridley Scotts "Blade Runner" oder Steven Spielbergs "A.I. – Künstliche Intelligenz" thematisiert wurden, berührt "Eva" leider nur kurz, ohne sie konsequent weiterzuverfolgen. Das hat natürlich den Vorteil, daß dem Publikum viel Denkstoff überlassen wird, ohne ihn in irgendeine Richtung zu schubsen. Aber etwas mehr hätte sich der Film schon damit befassen dürfen anstatt sich so stark auf seine Beziehungsdrama-Komponente zu konzentrieren. Zumal wenn diese auch noch durch eine übertrieben kitschige musikalische Untermalung gestört wird wie jener Moment, in dem Álex zu wehklagenden Geigentönen zum ersten Mal nach seiner Rückkehr Lana erblickt. Daß so etwas viel besser geht, zeigt eine spätere Szene zwischen den beiden, in denen sie zu David Bowies wunderbarem Meisterwerk "Space Oddity" aus dem Jahr 1969 tanzen und sich dabei vor den Augen des zunehmend eifersüchtigen David regelrecht ineinander verlieren.

Claudia Vega ist in ihrem Schauspieldebüt in der Titelrolle eine echte Entdeckung. Sie spielt Eva als altkluges und vorlautes, aber sehr intelligentes und stets liebenswertes Mädchen mit dem gewissen Etwas, das sie in Álex' Augen zur perfekten Vorlage für sein Roboter-Kind macht. Daniel Brühl verkörpert den eher verschlossenen, etwas schrulligen Álex charismatisch und offenbart eine funktionierende Leinwandchemie zu Marta Eturas Lana. Für einen Schuß Humor sorgt zudem Lluís Homar ("Zerrissene Umarmungen") als von David erschaffener Luxus-Roboter Max, der Álex als eine Art Mädchen für alles unterstützen soll – für seine Leistung wurde Homar in Spanien prompt mit mehreren Preisen bedacht.

Fazit: "Eva" ist eine gefühlvolle, eher gemächlich erzählte Mischung aus Science-Fiction-Film und Beziehungsdrama, die von einem beeindruckenden Design, einer zurückhaltenden, den guten Schauspielern viel Raum lassenden Regie sowie der ungewöhnlichen, wenngleich zu wenig ausgereizten Roboter-Thematik lebt.

Wertung: 8 Punkte.


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