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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 5. Juli 2012

THE AMAZING SPIDER-MAN (3D, 2012)

Regie: Marc Webb, Drehbuch: James Vanderbilt, Alvin Sargent, Steve Kloves, Musik: James Horner
Darsteller: Andrew Garfield, Emma Stone, Rhys Ifans, Denis Leary, Martin Sheen, Sally Field, Irrfan Khan, Embeth Davidtz, Campbell Scott, Chris Zylka, C. Thomas Howell
The Amazing Spider-Man
(2012) on IMDb Rotten Tomatoes: 71% (6,6); weltweites Einspielergebnis: $758,7 Mio.
FSK: 12, Dauer: 136 Minuten.

Der schüchterne, wissenschaftsbegeisterte Schüler Peter Parker (Andrew Garfield, "The Social Network") lebt nach dem Unfalltod seiner Eltern bei seinem Onkel Ben (Martin Sheen, "Apocalypse Now") und Tante May (Sally Field, zweimalige OSCAR-Gewinnerin für "Norma Rae" und "Ein Platz im Herzen"). Eines Tages findet er im Keller eine alte Aktentasche seines Vaters, in der sich unter anderem ein Foto von diesem mit einem Kollegen befindet. Peter befragt seine Zieheltern danach und erfährt, daß es sich um Dr. Curt Connors (Rhys Ifans, "Anonymus", "Radio Rock Revolution") handelt, einen Wissenschaftler, der mit Peters Vater beim Unternehmen Oscorp geforscht hat. Um ihn kennenzulernen, schmuggelt sich Peter in eine Gruppe von Praktikanten bei Oscorp und wird beim Herumschnüffeln prompt von einer genmanipulierten Spinne gebissen ...

Kritik:
Einer der verbreitetsten Reflexe in den Kommentarspalten (nicht nur) sämtlicher Filmseiten im Internet ist der "Too soon!"-Reflex. Es soll ein Film über die Terroranschläge von 9/11 gedreht werden? Too soon! Ein Remake eines Klassikers aus den 1980er Jahren befindet sich in Vorbereitung? Too soon! Normalerweise entziehe ich mich diesem so verlockenden Reflex: Für die filmische Aufarbeitung zeitgeschichtlicher Ereignisse gibt es meiner Meinung nach keine moralische "Schonfrist" und bei Remakes versuche ich stets das Positive zu sehen – was bei den vielen schlechten Vertretern dieser Gattung darauf hinausläuft, sich darüber zu freuen, daß in allen Rezensionen die deutliche Überlegenheit des jeweiligen Originals betont wird. Auf diese Weise tragen Remakes indirekt dazu bei, ihre Vorbilder einer neuen Generation von Zuschauern nahezubringen. Ist doch prima.

Aber als 2010 ein Reboot der weltweit erfolgreichen "Spider-Man"-Filmreihe bekanntgegeben wurde, konnte ich nicht anders als mich in den vielstimmigen Chor einzureihen. Hätte sich das produzierende Filmstudio entschlossen, angesichts der kreativen Differenzen mit Regisseur Sam Raimi ohne diesen (und meinetwegen sogar ohne die beiden Hauptdarsteller Tobey Maguire und Kirsten Dunst, die sich offen auf Raimis Seite gestellt haben) die Geschichte der ersten drei Filme fortzuführen und dabei idealerweise wenigstens die bisherigen Nebendarsteller weiter zu verwenden (z.B. Dylan Baker statt Rhys Ifans als Dr. Connors oder Rosemary Harris statt Sally Field als Tante May), um auf diese Weise die Kontinuität des Filmuniversums zu wahren, hätte ich mich damit abfinden können. Schließlich war "Spider-Man 3" ohne Zweifel qualitativ ein deutlicher Rückschritt gegenüber den ersten beiden Filmen auch wenn daran das Studio, das Raimi zur Miteinbeziehung eines zusätzlichen Bösewichts "überredete", eine Mitschuld trug. Aber ein kompletter Neustart, der gerade einmal zehn Jahre nach Raimis erstem "Spider-Man" erneut die Geschichte erzählt, wie Peter Parker vom Außenseiter an der Schule zum maskierten Spinnenmann wird, sich verliebt und zunächst Verbrecher, dann Monster bekämpft? Ernsthaft? Schon wieder? Keine Frage: Too soon!

Nun ist dieser Neubeginn also in den Kinos angelaufen, er kann einen vielversprechenden jungen Regisseur mit perfektem Nachnamen (Webb!), eine ansprechende Besetzung und ganz ordentliche Kritiken vorweisen. Und doch dreht sich (zumindest für diejenigen, die alt genug sind, um Raimis Trilogie gesehen zu haben) nach wie vor alles um Fragen wie: War es wirklich notwendig? Hat "The Amazing Spider-Man" tatsächlich etwas Neues zu bieten, für das es sich lohnte, die Geschehnisse aus Raimis Filmen quasi ungeschehen zu machen? Und hat der Trailer recht mit seiner großspurigen Ankündigung von der "nie erzählten Geschichte" von Spider-Man?

Die Antwort auf die erste Frage bleibt letztlich jedem Zuschauer selbst überlassen. Ich meine: Nein. Zur zweiten Frage: Nunja, statt in die rothaarige Mary Jane Watson verliebt sich Peter nun in die blonde Gwen Stacy (Emma Stone, "Einfach zu haben", "Crazy, Stupid, Love."), die in "Spider-Man 3" übrigens von Stones "The Help"-Kollegin Bryce Dallas Howard verkörpert wurde. Dramaturgisch ist diese Änderung kaum der Rede wert. Und statt des Green Goblin ist der Lizard (eine überdimensionierte Echse) der neue Bösewicht. Da jedoch sowohl bei Raimi als auch bei Webb Peters Entwicklung zu Spider-Man klar im Vordergrund steht und der jeweilige Bösewicht nur als Mittel zum Zweck fungiert, macht auch das keinen allzu großen Unterschied. Am leichtesten fällt die Antwort auf die dritte Frage, denn die kann nur ein entschiedenes "Nein!" sein. Ein beträchtlicher Teil der Storyelemente ist identisch mit Raimis "Spider-Man" – das mag der Comicvorlage geschuldet sein (die ich nicht kenne), ist aber einfach ärgerlich, weil man schlicht und ergreifend das meiste schon kennt und es trotzdem genauso breit ausgewalzt wird. Natürlich setzt Regisseur Marc Webb ("(500) Days of Summer") in den Details andere Akzente, aber das ist ja wohl auch das Mindeste. Sein Film fällt etwas düsterer aus und der Humor, der Raimis Filme und speziell Maguires mitunter slapstickhafte Darstellung der Titelfigur ausgezeichnet hat, ist deutlich sparsamer dosiert. Aber selbst jene Teile von "The Amazing Spider-Man", die nicht direkt an Raimis Version erinnern, wirken nicht selbständig, sondern inspiriert vom erklärten (und besseren) Vorbild "Batman Begins" von Christopher Nolan, phasenweise sogar ein bißchen von Ang Lees "Hulk". Das macht diesen Neustart nicht zu einem schlechten Film, aber es sorgt eben auch nicht dafür, daß die nagende Frage nach dem "Warum?" des Reboots beantwortet würde.

Um nun zur eigentlichen Rezension des Films zu kommen, losgelöst von den unvermeidlichen Vergleichen mit Raimis "Spider-Man": Ja, Marc Webb ist ein recht guter Sommer-Blockbuster gelungen. Andrew Garfield und Emma Stone geben ein schönes Paar ab, auch die restliche Besetzung kann überzeugen. Und Comiczeichner-Legende und "Spider-Man"-Schöpfer Stan Lee, der seit "X-Men" in jeder Marvel-Verfilmung ein Cameo hatte, kommt hier zu seinem bisher wohl witzigsten Kurzauftritt. Leider sind Figurenzeichnung und -konstellation relativ flach ausgefallen, es fehlt eine Rolle wie die von James Franco als Peters Freund/Kontrahent Harry Osborn in Raimis Filmen, die eine gewisse Würze in das Beziehungsgeflecht bringen würde. Technisch ist "The Amazing Spider-Man" dafür trotz des im Vergleich zu "Spider-Man 3" etwas gesenkten Budgets (laut IMDB von geschätzten $258 Mio. auf "nur noch" $215 Mio.) hervorragend umgesetzt, Spider-Mans spinnfäden-unterstützte Ausflüge durch die tiefen Häuserschluchten New Yorks sind zudem natürlich eine ideale Spielweise, um den 3D-Einsatz voll auszureizen. Tatsächlich sind die entsprechenden Szenen atemberaubend rasant und spektakulär in Szene gesetzt, auch die übrigen Spezialeffekte wissen zu überzeugen, inklusive des computeranimierten Lizard. Weniger gut gefallen hat mir die Musik von James Horner ("Titanic"), die zwar ganz gut klingt, aber für mein Empfinden viel zu dominant und aufdringlich eingesetzt wird.

Zur Handlung selbst muß aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit zum 2002er-Film eigentlich nicht viel gesagt werden. Immerhin gelingt Webb rund um einen von B-Moviestar C. Thomas Howell ("The Hitcher") dargestellten Bauarbeiter ein schöner Nebenhandlungsstrang, der ganz ungezwungen zeigt, wie Spider-Man für seine guten Taten auf unerwartete Weise belohnt wird – das hat einen Hauch von Frank Capra ("Ist das Leben nicht schön?"). Die Geschichte rund um den Lizard, die letztlich den größten Unterschied zu Raimis Film darstellt, ist solide, aber unspektakulär erzählt und erfüllt letztlich ihren Zweck bezüglich Peters Entwicklung und natürlich des unausweichlichen Showdowns. Dieser fällt erwartet actionreich aus, wenn auch vielleicht ein wenig kurz – außerdem führt er zu einer "Personalentscheidung", die ich mir in Hinblick auf die bereits in Vorbereitung befindliche (und in einer kurzen zusätzlichen Szene nach dem ersten Teil des Abspanns eingeleitete) Fortsetzung einfach anders gewünscht hätte. Immerhin: Mit "The Amazing Spider-Man" sind die unvermeidlichen und vermutlich nur schwer variierbaren Basiselemente von Peter Parkers Transformation zu Spider-Man abgehakt und der Grundstein für hoffentlich spannendere und einfallsreichere Geschichten in weiteren Filmen der Reihe ist gelegt. Bis zum nächsten Reboot.

Welcher Film ist nun also besser, Raimis oder Webbs? Nun, die Entscheidung, welchen Stil und welche Besetzung man bevorzugt (Maguires und vor allem Dunsts Interpretation ihrer Rollen waren ja in Fankreisen nicht ganz unumstritten), kann letztlich kaum von qualitativen Gesichtspunkten geleitet sein, da "Spider-Man" und "The Amazing Spider-Man" in dieser Hinsicht in etwa auf einem Niveau stehen. Letztlich ist es wie so oft reine Geschmackssache. Ich persönlich bevorzuge dank des ausgeprägteren Humorschwerpunkts und der innovativeren Bildsprache Raimis Version.

Fazit: "The Amazing Spider-Man" ist ein grundsolider, allerdings recht uninspiriert wirkender Superhelden-Neustart, der mit toller Technik und guten Schauspielern punktet, aber mit einer altbekannten, bereits zu oft gesehenen Handlungsstruktur und mäßig komplexen Charakteren auch Schwächen offenbart.

Wertung: 6,5 Punkte. Wer Raimis "Spider-Man"-Filme nicht gesehen hat, darf einen Punkt aufschlagen (was dann in etwa meiner 8er-Bewertung der Version von 2002 entspricht).


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