Regie: Marc Webb, Drehbuch: James Vanderbilt, Alvin Sargent, Steve Kloves, Musik: James Horner
Darsteller:
Andrew Garfield, Emma Stone, Rhys Ifans, Denis Leary, Martin Sheen, Sally
Field, Irrfan Khan, Embeth Davidtz, Campbell Scott, Chris Zylka, C. Thomas
Howell
Der schüchterne, wissenschaftsbegeisterte Schüler Peter
Parker (Andrew Garfield, "The Social Network") lebt nach dem
Unfalltod seiner Eltern bei seinem Onkel Ben (Martin Sheen, "Apocalypse
Now") und Tante May (Sally Field, zweimalige OSCAR-Gewinnerin für "Norma Rae" und
"Ein Platz im Herzen"). Eines Tages findet er im Keller eine alte
Aktentasche seines Vaters, in der sich unter anderem ein Foto von diesem mit einem
Kollegen befindet. Peter befragt seine Zieheltern danach und erfährt, daß es
sich um Dr. Curt Connors (Rhys Ifans, "Anonymus", "Radio Rock Revolution") handelt, einen
Wissenschaftler, der mit Peters Vater beim Unternehmen Oscorp geforscht hat. Um
ihn kennenzulernen, schmuggelt sich Peter in eine Gruppe von Praktikanten bei
Oscorp und wird beim Herumschnüffeln prompt von einer genmanipulierten Spinne
gebissen ...
Kritik:
Einer der verbreitetsten Reflexe in den Kommentarspalten (nicht nur) sämtlicher Filmseiten im Internet ist der "Too soon!"-Reflex. Es soll ein Film über die Terroranschläge von 9/11 gedreht werden? Too soon! Ein Remake eines Klassikers aus den 1980er Jahren befindet sich in Vorbereitung? Too soon! Normalerweise entziehe ich mich diesem so verlockenden Reflex: Für die filmische Aufarbeitung zeitgeschichtlicher Ereignisse gibt es meiner Meinung nach keine moralische "Schonfrist" und bei Remakes versuche ich stets das Positive zu sehen – was bei den vielen schlechten Vertretern dieser Gattung darauf hinausläuft, sich darüber zu freuen, daß in allen Rezensionen die deutliche Überlegenheit des jeweiligen Originals betont wird. Auf diese Weise tragen Remakes indirekt dazu bei, ihre Vorbilder einer neuen Generation von Zuschauern nahezubringen. Ist doch prima.
Aber als 2010 ein Reboot der weltweit erfolgreichen "Spider-Man"-Filmreihe bekanntgegeben wurde, konnte ich nicht anders als mich in den vielstimmigen Chor einzureihen. Hätte sich das produzierende Filmstudio entschlossen, angesichts der kreativen Differenzen mit Regisseur Sam Raimi ohne diesen (und meinetwegen sogar ohne die beiden Hauptdarsteller Tobey Maguire und Kirsten Dunst, die sich offen auf Raimis Seite gestellt haben) die Geschichte der ersten drei Filme fortzuführen und dabei idealerweise wenigstens die bisherigen Nebendarsteller weiter zu verwenden (z.B. Dylan Baker statt Rhys Ifans als Dr. Connors oder Rosemary Harris statt Sally Field als Tante May), um auf diese Weise die Kontinuität des Filmuniversums zu wahren, hätte ich mich damit abfinden können. Schließlich war "Spider-Man 3" ohne Zweifel qualitativ ein deutlicher Rückschritt gegenüber den ersten beiden Filmen – auch wenn daran das Studio, das Raimi zur Miteinbeziehung eines zusätzlichen Bösewichts "überredete", eine Mitschuld trug. Aber ein kompletter Neustart, der gerade einmal zehn Jahre nach Raimis erstem "Spider-Man" erneut die Geschichte erzählt, wie Peter Parker vom Außenseiter an der Schule zum maskierten Spinnenmann wird, sich verliebt und zunächst Verbrecher, dann Monster bekämpft? Ernsthaft? Schon wieder? Keine Frage: Too soon!
Einer der verbreitetsten Reflexe in den Kommentarspalten (nicht nur) sämtlicher Filmseiten im Internet ist der "Too soon!"-Reflex. Es soll ein Film über die Terroranschläge von 9/11 gedreht werden? Too soon! Ein Remake eines Klassikers aus den 1980er Jahren befindet sich in Vorbereitung? Too soon! Normalerweise entziehe ich mich diesem so verlockenden Reflex: Für die filmische Aufarbeitung zeitgeschichtlicher Ereignisse gibt es meiner Meinung nach keine moralische "Schonfrist" und bei Remakes versuche ich stets das Positive zu sehen – was bei den vielen schlechten Vertretern dieser Gattung darauf hinausläuft, sich darüber zu freuen, daß in allen Rezensionen die deutliche Überlegenheit des jeweiligen Originals betont wird. Auf diese Weise tragen Remakes indirekt dazu bei, ihre Vorbilder einer neuen Generation von Zuschauern nahezubringen. Ist doch prima.
Aber als 2010 ein Reboot der weltweit erfolgreichen "Spider-Man"-Filmreihe bekanntgegeben wurde, konnte ich nicht anders als mich in den vielstimmigen Chor einzureihen. Hätte sich das produzierende Filmstudio entschlossen, angesichts der kreativen Differenzen mit Regisseur Sam Raimi ohne diesen (und meinetwegen sogar ohne die beiden Hauptdarsteller Tobey Maguire und Kirsten Dunst, die sich offen auf Raimis Seite gestellt haben) die Geschichte der ersten drei Filme fortzuführen und dabei idealerweise wenigstens die bisherigen Nebendarsteller weiter zu verwenden (z.B. Dylan Baker statt Rhys Ifans als Dr. Connors oder Rosemary Harris statt Sally Field als Tante May), um auf diese Weise die Kontinuität des Filmuniversums zu wahren, hätte ich mich damit abfinden können. Schließlich war "Spider-Man 3" ohne Zweifel qualitativ ein deutlicher Rückschritt gegenüber den ersten beiden Filmen – auch wenn daran das Studio, das Raimi zur Miteinbeziehung eines zusätzlichen Bösewichts "überredete", eine Mitschuld trug. Aber ein kompletter Neustart, der gerade einmal zehn Jahre nach Raimis erstem "Spider-Man" erneut die Geschichte erzählt, wie Peter Parker vom Außenseiter an der Schule zum maskierten Spinnenmann wird, sich verliebt und zunächst Verbrecher, dann Monster bekämpft? Ernsthaft? Schon wieder? Keine Frage: Too soon!
Nun ist dieser Neubeginn also in den Kinos angelaufen, er kann einen
vielversprechenden jungen Regisseur mit perfektem Nachnamen (Webb!), eine ansprechende Besetzung und ganz ordentliche Kritiken vorweisen. Und doch dreht sich (zumindest für diejenigen, die alt genug sind, um Raimis Trilogie gesehen
zu haben) nach wie vor alles um
Fragen wie: War es wirklich notwendig? Hat "The Amazing Spider-Man" tatsächlich etwas Neues zu bieten, für das es sich lohnte, die Geschehnisse aus Raimis Filmen quasi ungeschehen zu machen? Und hat der Trailer recht mit seiner
großspurigen Ankündigung von der "nie erzählten Geschichte" von
Spider-Man?
Die Antwort auf die erste Frage bleibt letztlich jedem
Zuschauer selbst überlassen. Ich meine: Nein. Zur zweiten Frage: Nunja, statt
in die rothaarige Mary Jane Watson verliebt sich Peter nun in die blonde Gwen Stacy (Emma Stone, "Einfach zu haben", "Crazy, Stupid, Love."), die in "Spider-Man 3" übrigens von Stones "The Help"-Kollegin Bryce Dallas Howard verkörpert wurde.
Dramaturgisch ist diese Änderung kaum der Rede wert. Und statt des
Green Goblin ist der Lizard (eine überdimensionierte Echse) der neue Bösewicht. Da jedoch sowohl bei Raimi als auch bei Webb
Peters Entwicklung zu Spider-Man klar im Vordergrund steht und der jeweilige
Bösewicht nur als Mittel zum Zweck fungiert, macht auch das keinen allzu großen
Unterschied. Am leichtesten fällt die Antwort auf die dritte Frage, denn die kann
nur ein entschiedenes "Nein!" sein. Ein beträchtlicher Teil der Storyelemente ist
identisch mit Raimis "Spider-Man" – das mag der Comicvorlage
geschuldet sein (die ich nicht kenne), ist aber einfach ärgerlich, weil man
schlicht und ergreifend das meiste schon kennt und es trotzdem genauso breit ausgewalzt wird. Natürlich setzt Regisseur Marc
Webb ("(500) Days of Summer") in den Details andere Akzente, aber das
ist ja wohl auch das Mindeste. Sein Film fällt etwas düsterer aus und
der Humor, der Raimis Filme und speziell Maguires mitunter slapstickhafte Darstellung der Titelfigur ausgezeichnet hat, ist deutlich sparsamer dosiert. Aber selbst jene Teile von "The Amazing Spider-Man", die
nicht direkt an Raimis Version erinnern, wirken nicht selbständig, sondern inspiriert vom erklärten (und besseren) Vorbild "Batman Begins" von Christopher Nolan, phasenweise sogar
ein bißchen von Ang Lees "Hulk". Das macht diesen Neustart nicht zu
einem schlechten Film, aber es sorgt eben auch nicht dafür, daß die nagende
Frage nach dem "Warum?" des Reboots beantwortet würde.
Um nun zur eigentlichen Rezension des Films zu kommen,
losgelöst von den unvermeidlichen Vergleichen mit Raimis
"Spider-Man": Ja, Marc Webb ist ein recht guter Sommer-Blockbuster
gelungen. Andrew Garfield und Emma Stone geben ein schönes Paar ab, auch die
restliche Besetzung kann überzeugen. Und Comiczeichner-Legende und
"Spider-Man"-Schöpfer Stan Lee, der seit "X-Men" in jeder
Marvel-Verfilmung ein Cameo hatte, kommt hier zu seinem bisher wohl witzigsten
Kurzauftritt. Leider sind Figurenzeichnung und -konstellation relativ flach ausgefallen, es fehlt eine Rolle wie die von James Franco als Peters Freund/Kontrahent Harry Osborn in Raimis Filmen, die eine gewisse Würze in das Beziehungsgeflecht bringen würde. Technisch ist "The Amazing Spider-Man" dafür trotz des im
Vergleich zu "Spider-Man 3" etwas gesenkten Budgets (laut IMDB von geschätzten $258 Mio. auf "nur noch" $215 Mio.) hervorragend umgesetzt, Spider-Mans spinnfäden-unterstützte Ausflüge durch die tiefen Häuserschluchten New Yorks sind zudem natürlich eine ideale Spielweise, um den 3D-Einsatz
voll auszureizen. Tatsächlich sind die entsprechenden Szenen atemberaubend rasant
und spektakulär in Szene gesetzt, auch die übrigen Spezialeffekte wissen zu überzeugen, inklusive des computeranimierten Lizard. Weniger gut gefallen hat mir die Musik von
James Horner ("Titanic"), die zwar ganz gut klingt, aber für mein Empfinden viel zu
dominant und aufdringlich eingesetzt wird.
Zur Handlung selbst muß aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit zum
2002er-Film eigentlich nicht viel gesagt werden. Immerhin gelingt Webb rund um einen von B-Moviestar C. Thomas
Howell ("The Hitcher") dargestellten Bauarbeiter ein schöner Nebenhandlungsstrang, der ganz ungezwungen zeigt, wie Spider-Man
für seine guten Taten auf unerwartete Weise belohnt wird – das hat einen Hauch von Frank Capra ("Ist das Leben nicht schön?"). Die Geschichte rund um den Lizard, die letztlich
den größten Unterschied zu Raimis Film darstellt, ist solide, aber
unspektakulär erzählt und erfüllt letztlich ihren Zweck bezüglich Peters
Entwicklung und natürlich des unausweichlichen Showdowns. Dieser fällt
erwartet actionreich aus, wenn auch vielleicht ein wenig kurz – außerdem
führt er zu einer "Personalentscheidung", die ich mir in Hinblick auf
die bereits in Vorbereitung befindliche (und in einer kurzen zusätzlichen Szene
nach dem ersten Teil des Abspanns eingeleitete) Fortsetzung einfach anders
gewünscht hätte. Immerhin: Mit "The Amazing Spider-Man" sind die unvermeidlichen und vermutlich nur schwer variierbaren Basiselemente von Peter Parkers Transformation zu Spider-Man abgehakt und der Grundstein für hoffentlich spannendere und einfallsreichere Geschichten in weiteren Filmen der Reihe ist gelegt. Bis zum nächsten Reboot.
Welcher Film ist nun also besser, Raimis oder Webbs? Nun,
die Entscheidung, welchen Stil und welche Besetzung man bevorzugt (Maguires und vor allem Dunsts Interpretation ihrer Rollen waren ja in Fankreisen nicht ganz unumstritten), kann
letztlich kaum von qualitativen Gesichtspunkten geleitet sein, da
"Spider-Man" und "The Amazing Spider-Man" in dieser
Hinsicht in etwa auf einem Niveau stehen. Letztlich ist es wie so oft reine Geschmackssache.
Ich persönlich bevorzuge dank des ausgeprägteren Humorschwerpunkts und der innovativeren Bildsprache Raimis Version.
Fazit: "The Amazing Spider-Man" ist ein grundsolider, allerdings recht uninspiriert wirkender
Superhelden-Neustart, der mit toller Technik und guten Schauspielern
punktet, aber mit einer altbekannten, bereits zu oft gesehenen Handlungsstruktur und mäßig
komplexen Charakteren auch Schwächen offenbart.
Wertung: 6,5 Punkte. Wer Raimis "Spider-Man"-Filme nicht gesehen
hat, darf einen Punkt aufschlagen (was dann in etwa meiner 8er-Bewertung der Version von 2002
entspricht).
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